BT-Drucksache 18/4677

Umgang der Bundeswehr mit Rechtsextremisten in ihren Reihen

Vom 21. April 2015


Deutscher Bundestag Drucksache 18/4677
18. Wahlperiode 21.04.2015

Kleine Anfrage
der Abgeordneten Ulla Jelpke, Wolfgang Gehrcke, Christine Buchholz, Annette
Groth, Andrej Hunko, Niema Movassat, Dr. Alexander S. Neu, Petra Pau, Harald
Petzold (Havelland), Kathrin Vogler, Katrin Werner und der Fraktion DIE LINKE.

Umgang der Bundeswehr mit Rechtsextremisten in ihren Reihen

Aus bisherigen Angaben der Bundesregierung (insbesondere auf Bundestags-
drucksachen 18/2234 und 18/2788) schließen die Fragesteller, dass es innerhalb
der Bundeswehr keine einheitliche Strategie gibt, wie mit Soldatinnen und Sol-
daten, die als Rechtsextremisten auffallen, umgegangen wird. Manchmal wer-
den keinerlei Disziplinarmaßnahmen ergriffen, manchmal wird zügig eine vor-
zeitige Entlassung vorgenommen. Manche Soldaten haben weiterhin Zugang zu
Waffen, auch dann, wenn ihre vorzeitige Entlassung schon beschlossen ist. An-
dere wiederum kommen mit einer Disziplinarbuße davon, dürfen aber weiterhin
an die Waffe und Befehle erteilen. Dieser unterschiedliche Umgang mit rechts-
extremen Soldaten liegt offenbar daran, dass „in jedem Einzelfall“ und nach sub-
jektiver Einschätzung der jeweiligen Vorgesetzten entschieden wird (Bundes-
tagsdrucksache 18/2234).
So teilt die Bundesregierung auf Bundestagsdrucksache 18/2788 unter Bezug
auf die Meldungen an den Wehrbeauftragten des Deutschen Bundestages über
„Besondere Vorkommnisse“ mit, dass ein Zeitsoldat, der über einen längeren
Zeitraum hinweg rassistische Beleidigungen gegen seine Kameraden ausstieß,
eine Disziplinarbuße erhielt, aber weiterhin Befehle erteilte, Zugang zu Waffen
hatte und als Ausbilder eingesetzt wurde (Nummer 9). Ein anderer Zeitsoldat
(Nummer 38) hatte noch fünf Monate lang Zugang zu Waffen, obwohl er mehr-
fach „Sieg Heil“ gerufen hatte und deshalb seine vorzeitige Entlassung eingelei-
tet wurde. Bei einem Soldaten, der rechtsorientierte Lieder sang, „Sieg Heil“ rief
und türkischstämmige Soldaten beschimpfte, war keine Entlassung beabsichtigt;
er hatte weiter Zugang zu Waffen, wurde als Ausbilder eingesetzt und durfte als
Vorgesetzter Befehle erteilen.
Sehr häufig fehlt in den Darlegungen der Bundesregierung eine lückenlose Er-
fassung des konkreten Umgangs mit aufgefallenen Soldaten. Dies stellt aus
Sicht der Fragesteller ein großes Manko dar, weil dadurch eine vollständige
Übersicht darüber verhindert wird, wie in der Bundeswehr konkret mit Rechts-
extremisten umgegangen wird.
Aus Sicht der Fragesteller ist es auch unverständlich, dass Soldaten, die rechts-
extreme Parolen rufen, weiterhin an der Waffe ausgebildet und als Ausbilder und
Befehlsgeber eingesetzt werden. Auch wenn keine „gefestigte“ rechtsextreme
Gesinnung nachweisbar ist, sollten sich solche Soldaten für derlei Aufgaben und
Funktionen disqualifiziert haben. Es kann nicht sein, dass die Bundeswehr ihre
Funktionsfähigkeit auf Soldaten gründet, die den „Hitlergruß“ entbieten.

Drucksache 18/4677 – 2 – Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode

Wir fragen die Bundesregierung:
1. Auf wie viele Angehörige der Bundeswehr beziehen sich die 63 im Jahres-

bericht 2014 des Wehrbeauftragten des Deutschen Bundestages als „Beson-
dere Vorkommnisse“ aufgeführten Fälle mit Verdacht auf einen rechtsextre-
mistischen, antisemitischen oder fremdenfeindlichen Hintergrund?

2. Was genau war jeweils Inhalt dieser Meldungen?
a) Welchen Status hatten die Soldaten (bitte nach Freiwillig Wehrdienstleis-

tende, Soldaten auf Zeit und Berufssoldaten aufschlüsseln)?
b) Wann fand der Vorfall statt?
c) Wie wurde der Sachverhalt beschrieben?
d) Welche disziplinarischen und strafrechtlichen Maßnahmen hat die Bun-

deswehr gegen die betroffenen Soldaten ergriffen?
e) Hatten sie weiterhin Zugang zu Waffen?
f) Wurden sie als Ausbilder eingesetzt?
g) Haben sie weiter als Vorgesetzte Befehle erteilt?
h) Wie lange sind sie nach dem Vorkommnis noch im Dienst verblieben?
i) Wurde die Dienstzeit vorzeitig beendet?
j) Welche der Vorfälle wurden als schwerwiegende schuldhafte Verstöße ge-

gen die politische Treuepflicht bewertet?
3. Welche im Jahr 2013 gemeldeten, auf Bundestagsdrucksache 18/2788 erläu-

terten, „Besonderen Vorkommnisse“ wurden als schwerwiegende schuld-
hafte Verstöße gegen die politische Treuepflicht bewertet?
Wer entscheidet über eine solche Bewertung?

4. Wie viele rechtsextremistische Verdachtsfälle hat der Militärische Abschirm-
dienst (MAD) im Jahr 2014 (neu) bearbeitet?
a) Wie viele dieser Verdachtsfälle haben sich im Jahr 2014 bestätigt, wie

viele nicht, und wie viele sind noch in Bearbeitung?
b) Um welche konkreten Betätigungen ging es in den bestätigten Fällen (bitte

hier auch den Status der Soldaten angeben)?
c) Wurden alle vom MAD erkannten Rechtsextremisten vorzeitig entlassen,

und wenn nein, warum nicht?
d) Welche disziplinarischen und strafrechtlichen Maßnahmen wurden gegen

die Soldaten ergriffen?
e) Hatten die vom MAD erkannten Rechtsextremisten noch (ggf. eine Zeit

lang) Zugang zu Waffen, wurden sie als Ausbilder eingesetzt oder konnten
sie als Vorgesetzte Befehle erteilen?

f) Welche der vom MAD geprüften Fälle sind auch in den Meldungen an den
Wehrbeauftragten des Deutschen Bundestages enthalten?

5. Welche Angaben kann die Bundesregierung zum Fortgang jener 94 offenen
rechtsextremen Verdachtsfälle, die noch aus dem Jahr 2013 stammen, ma-
chen (vgl. Antwort zu Frage 1b auf Bundestagsdrucksache 18/2788; bitte
analog zu Frage 4 aufgliedern)?

Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 3 – Drucksache 18/4677

6. Wie erklärt die Bundesregierung, dass den Soldaten, die für „Besondere
Vorkommnisse“ mit rechtsextremem Hintergrund verantwortlich sind, in
manchen Fällen der Zugang zu Waffen gesperrt, sie als Ausbilder eingesetzt
oder als Vorgesetzte weiterhin Befehle erteilen dürfen, und in anderen Fäl-
len auf solche Maßnahmen verzichtet wird?
a) Gibt es hierfür jeweils Kriterien, und falls ja, welche?
b) Ist die Antwort zu Frage 2 auf Bundestagsdrucksache 18/2788 in Verbin-

dung mit der Anmerkung zu Nummer 38 in der Tabelle zu Meldungen
aus dem Jahr 2013 so zu verstehen, dass der Zugang zu Waffen nur dann
aufgehoben wird, wenn der MAD einen „Tatbestand des Verstoßes gegen
FDGO“ (FDGO – Freiheitlich demokratische Grundordnung) feststellt
(falls nicht, bitte darstellen, wie die Antwort gemeint ist)?

7. Sieht die Bundesregierung ein Problem darin, dass Soldaten, die für „Be-
sondere Vorkommnisse“ in Form des „Hitlergrußes“ oder „Sieg-Heil“-Ru-
fens verantwortlich sind, mitunter weiterhin Zugang zu Waffen haben, und
wenn ja, was will sie dagegen unternehmen?

8. Sieht die Bundesregierung ein Problem darin, dass Soldaten, die wegen ras-
sistischer Äußerungen aufgefallen sind, weiterhin Befehle erteilen dürfen,
nicht zuletzt angesichts des Umstandes, dass unter den Befehlsempfängern
Personen mit Migrationshintergrund sein können?

9. Welche Schlussfolgerungen zieht die Bundesregierung hinsichtlich einer
Anpassung der internen Vorgaben zum Umgang der Bundeswehr mit sol-
chen Verdachtsfällen?

10. Welche Schlussfolgerungen zieht die Bundeswehr aus der lückenhaften Er-
fassung der erfragten Angaben, wie sie beispielsweise auf Bundestags-
drucksache 18/2788, z. B. unter Nummer 22, 24, 25, deutlich wurde?
a) Sieht sie das Erfordernis, diese Angaben künftig sorgfältiger zu erfassen?
b) Sieht sie Veranlassung, die Meldungen an den Wehrbeauftragten des

Deutschen Bundestages mit Personendaten zu listen?
11. Hat die Bundeswehr, wie in der Antwort zu Frage 12 auf Bundestagsdruck-

sache 17/14670 angekündigt, mittlerweile das Konzept zur Erfassung und
Bewertung der Inneren und Sozialen Lage in der Bundeswehr abgeschlos-
sen?
Wenn nein, warum nicht, und bis wann ist der Abschluss vorgesehen?
Wenn ja, was sind die Grundzüge des Konzepts?
Inwiefern sieht das Konzept Möglichkeiten vor, dass künftig nachvollzogen
werden kann, wie viele der dem Wehrbeauftragten des Deutschen Bundes-
tages gemeldeten Vorkommnisse sich bestätigen, und welche Maßnahmen
bei einer solchen Bestätigung gegen den entsprechenden Täter ergriffen
wurden?

Berlin, den 20. April 2015

Dr. Gregor Gysi und Fraktion
anzeiger Verlag GmbH, Postfach 10 05 34, 50445 Köln, Telefon (02 21) 97 66 83 40, Fax (02 21) 97 66 83 44, www.betrifft-gesetze.de

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