BT-Drucksache 18/4566

Verbesserungen der gesundheitlichen Versorgung von Asylbewerberinnen und Asylbewerbern

Vom 7. April 2015


Deutscher Bundestag Drucksache 18/4566
18. Wahlperiode 07.04.2015
Kleine Anfrage
der Abgeordneten Birgit Wöllert, Sabine Zimmermann (Zwickau),
Matthias W. Birkwald, Sevim Dağdelen, Ulla Jelpke, Katja Kipping,
Cornelia Möhring, Harald Petzold (Havelland), Martina Renner, Azize Tank,
Frank Tempel, Kathrin Vogler, Halina Wawzyniak, Harald Weinberg,
Pia Zimmermann und der Fraktion DIE LINKE.

Verbesserungen der gesundheitlichen Versorgung von Asylbewerberinnen
und Asylbewerbern

Asylbewerberinnen und Asylbewerber erhalten seit dem 1. März 2015 erst dann
mehr als eine medizinische Notfallversorgung, wenn sie sich länger als 15 Mo-
nate im Geltungsbereich des Asylbewerberleistungsgesetzes (AsylbLG) aufhal-
ten. Vor diesem Zeitpunkt erhielten sie erst nach drei Jahren Aufenthaltsdauer
eine gesundheitliche Versorgung, die über die medizinische Notfallversorgung
hinausgeht (vgl. Markus Kaltenborn: „Die Neufassung des Asylbewerberleis-
tungsgesetzes und das Recht auf Gesundheit“, in: Neue Zeitschrift für Sozial-
recht, Heft 5, 2015, S. 161 bis 165, S. 162).
Deutschland ist völkerrechtlich an den WSK-Pakt gebunden („Internationaler
Pakt über wirtschaftliche, soziale und kulturelle Rechte“ von 1966, meist als
„UN-Sozialpakt“ bezeichnet). Ratifiziert wurde der Pakt von Deutschland am
23. Dezember 1973. In einer Präzisierung des Paktes aus dem Jahr 2000 wurde
festgelegt, dass die Staaten „jegliche unerlaubte Diskriminierung bei der Ge-
sundheitsfürsorge und den Gesundheitsdiensten zu verhindern [haben]“. Im Jahr
2009 wurde dies noch einmal ergänzt um den Hinweis, dass die „im Pakt nieder-
gelegten Rechte […] für alle Menschen [gelten], einschließlich Nichtstaatenan-
gehöriger, beispielsweise Flüchtlinge, Asylsuchende, Staatenlose, […] ungeach-
tet dessen, welche Rechtsstellung und welche Ausweispapiere sie besitzen“
(ebd.: S. 164).
Der WSK-Ausschuss überprüft regelmäßig, ob der WSK-Pakt eingehalten wird.
In Deutschland geschah dies zuletzt im Jahr 2011. Das Ergebnis war, dass sich
der Ausschuss besorgt zeigte und kritisierte, dass Asylbewerberinnen und Asyl-
bewerbern „lediglich eine medizinische Notfallversorgung gewährt werde“
(ebd.: S. 164).

Wir fragen die Bundesregierung:
1. Aus welchen Gründen wurde bzw. wird der § 6 AsylbLG „weiterhin restriktiv

ausgelegt, um dem vom Gesetzgeber intendierten Abstand zum Leistungsni-
veau nach SGB XII oder dem SGB II zu wahren“ (SGB XII: Sozialgesetz-
buch Zwölftes Buch; Kaltenborn 2015, S. 162)?

Drucksache 18/4566 – 2 – Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode
2. Warum hat der Gesetzgeber „trotz vielfach geäußerter Kritik in den Anhö-
rungen zu den jüngsten Gesetzesänderungen“ bislang an der medizinischen
Notfallversorgung für Asylbewerberinnen und Asylbewerber festgehalten
(ebd.: S. 163)?

3. Welchen Änderungsbedarf sieht die Bundesregierung angesichts der bis Juli
2015 umzusetzenden neuen Richtlinie 2013/33/EU zur Festlegung von Nor-
men für die Aufnahme von Personen, die internationalen Schutz beantra-
gen?

4. Sieht sich die Bundesregierung in vollem Umfang an den WSK-Pakt von
1966 gebunden?
Falls nein, an welche der Festlegungen sieht sich die Bundesregierung nicht
gebunden, und warum bzw. warum nicht?

5. Welchen Änderungsbedarf sieht die Bundesregierung angesichts der Festle-
gungen des WSK-Paktes auf „das Recht eines jeden auf das für ihn erreich-
bare Höchstmaß an körperlicher und geistiger Gesundheit“ (Artikel 12
Absatz 1 WSK-Pakt, vgl. Kaltenborn, 2015, S. 164)?

6. Welchen Änderungsbedarf sieht die Bundesregierung angesichts der nähe-
ren Konkretisierungen durch den UN-Ausschuss für wirtschaftliche, soziale
und kulturelle Rechte (WSK-Ausschuss) im „General Comment“ aus dem
Jahr 2000: „Die Staaten haben eine besondere Verpflichtung, jenen, die
nicht über ausreichende Mittel verfügen, Krankenversicherung und Ge-
sundheitsfürsorge zur Verfügung zu stellen und jegliche unerlaubte Dis-
kriminierung bei der Gesundheitsfürsorge und den Gesundheitsdiensten zu
verhindern“ (General Comment No. 14, Abschnitt 19, vgl. Kaltenborn
2015, S. 164)?

7. Welchen Änderungsbedarf sieht die Bundesregierung angesichts des Hin-
weises des WSK-Ausschusses, dass die im Pakt niedergelegten Rechte
„[…] für alle Menschen [gelten], einschließlich Nichtstaatenangehöriger,
beispielsweise Flüchtlinge, Asylsuchende, Staatenlose, […] ungeachtet des-
sen, welche Rechtsstellung und welche Ausweispapiere sie besitzen“
(CESCR, General Comment No. 20, Non-discrimination in economic,
social and cultural rights – Artikel 2, § 2 of the International Covenant on
Economic, Social and Cultural Rights –, 2. Juli 2009, E/C.12/GC/20, Ab-
schnitt 30, vgl. Kaltenborn 2015, S. 164)?

8. Wie bewertet die Bundesregierung, dass sich der WSK-Ausschuss nach der
letzten Überprüfung der Einhaltung des WSK-Paktes im Jahr 2011 in
Deutschland „über die soziale Situation der Asylbewerber besorgt gezeigt“
(Kaltenborn, 2015, S. 164) und kritisiert hatte, „dass diesem Personenkreis
lediglich eine medizinische Notfallversorgung gewährt werde“ (ebd. unter
Verweis auf: CESCR, Consideration of reports submitted by States parties
under articles 16 and 17 of the Covenant, Concluding observations –
Germany, 12.Juli 2011, E/C.12/DEU/C0/5, Nr. 13, vgl. Kaltenborn 2015,
S. 164)?

9. Wann und mit welcher Aussage hat die Bundesregierung zu dieser Kritik
Stellung genommen?

10. Wann und mit welcher Aussage hat die Bundesregierung auf die Kritik der
Zentralen Ethikkommission bei der Bundesärztekammer aus dem Jahr 2013
reagiert, derzufolge es „aus ethischer Sicht im hohen Maße bedenklich [ist],
dass im jetzigen System Entscheidungen über die Behandlungsbedürftigkeit
von Patienten de facto von medizinisch nicht Fachkundigen gefällt werden“
(Stellungnahme der Zentralen Kommission zur Wahrung ethischer Grund-
sätze in der Medizin und ihren Grenzgebieten, Zentrale Ethikkommission,
bei der Bundesärztekammer: „Versorgung von nicht regulär kranken-

Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 3 – Drucksache 18/4566
versicherten Patienten mit Migrationshintergrund“, in: Deutsches Ärzte-
blatt, Jg. 110, Heft 18, 3. Mai 2013, S. A 899 bis A 903, S. 903)?

11. Hat die Bundesregierung geprüft, ob eine Vereinheitlichung der Gesund-
heitsversorgung nach dem Bremer Modell gemäß § 264 Absatz 1 SGB V
auf Bundesebene durch Bundesrahmenregelungen, auf Landesebene durch
Landesrahmenregelungen oder kombiniert rechtlich zulässig und möglich
ist, und wenn ja, mit welchen Ergebnissen?

12. Bis wann wird die Bundesregierung prüfen, wie eine bundeseinheitliche
Festlegung des Leistungsumfangs im Rahmen der §§ 4 und 6 AsylbLG ge-
währleistet werden soll?

13. Wie wird sich nach Ansicht der Bundesregierung die Einführung einer
Gesundheitskarte, die Asylbewerberinnen und Asylbewerbern zeitnah nach
ihrer Ankunft in Deutschland zur Verfügung gestellt wird, auf eine vermin-
derte Verbreitung ansteckender Krankheiten auswirken?

14. Wie wird sich nach Ansicht der Bundesregierung die Maßnahme, Asylbe-
werberinnen und Asylbewerbern zeitnah nach ihrer Ankunft in Deutschland
eine vollständige Gesundheitsversorgung entsprechend dem Leistungskata-
log in der gesetzlichen Krankenversicherung nach SGB V zu gewähren, auf
die Situation im Bereich der ansteckenden Krankheiten und Infektions-
krankheiten auswirken?

Berlin, den 7. April 2015

Dr. Gregor Gysi und Fraktion
anzeiger Verlag GmbH, Postfach 10 05 34, 50445 Köln, Telefon (02 21) 97 66 83 40, Fax (02 21) 97 66 83 44, www.betrifft-gesetze.de

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