BT-Drucksache 18/4531

Menschenrechtliche Situation und Wahlen in Burundi

Vom 8. April 2015


Deutscher Bundestag Drucksache 18/4531
18. Wahlperiode 08.04.2015
Kleine Anfrage
der Abgeordneten Tom Koenigs, Kordula Schulz-Asche, Omid Nouripour,
Luise Amtsberg, Claudia Roth (Augsburg), Uwe Kekeritz, Annalena Baerbock,
Marieluise Beck (Bremen), Dr. Franziska Brantner, Agnieszka Brugger,
Dr. Tobias Lindner, Cem Özdemir, Manuel Sarrazin, Dr. Frithjof Schmidt,
Jürgen Trittin, Doris Wagner und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN

Menschenrechtliche Situation und Wahlen in Burundi

Burundi steht dieses Jahr vor einer wichtigen Zäsur. Die Vorbereitungen für die
im Mai 2015 beginnenden Präsidentschafts-, Parlaments- und Kommunalwah-
len finden in einem Klima großer politischer Spannungen statt. Im Februar 2015
besuchte der VN-Sicherheitsrat (VN – Vereinte Nationen) Burundi und äußerte
anschließend große Besorgnis angesichts von Berichten über Einschüchterun-
gen und Schikanen, politische Gewalt, willkürliche Festnahmen und andere Ver-
letzungen der Versammlungs- und Meinungsfreiheit. Die Möglichkeit einer
dritten Amtszeit für Präsident Pierre Nkurunziza hat große Kontroversen aus-
gelöst, da die Verfassung eine Obergrenze von zwei Legislaturperioden für das
Präsidentenamt vorsieht.
Oppositionsführer beklagen die mangelnde Transparenz der Wahlkommission
(CENI) und beschuldigen diese der Parteilichkeit sowie des Versuchs, die Wahl
schon im Vorfeld im Sinne der Regierung zu beeinflussen. Verhaftungen von
Oppositionellen und Menschenrechtsaktivisten, zuletzt des Journalisten Bob
Rugurika, haben die Spannungen noch verstärkt und zu Demonstrationen ge-
führt.
Gleichzeitig wird die Sicherheitslage immer prekärer, wie sich an den Ereignis-
sen in Cibitoke im Norden Burundis zwischen dem 30. Dezember 2014 und
3. Januar 2015 zeigt, als mindestens 47 Mitglieder einer unbekannten Rebellen-
gruppe von Regierungskräften getötet wurden (Bericht von Human Rights
Watch vom 12. Februar 2015, www.hrw.org/news/2015/02/12/burundi-summary-
executions-army-police). Berichte über eine Bewaffnung und gewalttätige
Aktionen der Jugendorganisation der Regierungspartei CNDD-FDD, den Imbo-
nerakure, häufen sich.
Burundi ist auch von den Entwicklungen in den Nachbarländern direkt betrof-
fen, insbesondere den andauernden Konflikten in der Demokratischen Republik
Kongo. Die burundische Armee interveniert immer wieder jenseits der Grenze,
wo auch burundische Rebellengruppen aktiv sind. Burundi ist gleichzeitig Auf-
nahmeland für Flüchtlinge aus dem Kongo (derzeit knapp 60 000), aber auch
einer der Umschlagsplätze für aus dem Ost-Kongo geschmuggelte Rohstoffe.
Die politische Mission der Vereinten Nationen (BNUB) schloss Ende des Jahres
2014 ihre Arbeit in Burundi ab und wurde von einer Mission zur Vorbereitung
und Beobachtung der Wahlen ersetzt (MENUB). Es bleibt abzuwarten, wie er-
folgreich sie dieser Aufgabe nachgehen kann und inwieweit die burundische

Drucksache 18/4531 – 2 – Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode
Regierung mit den Vereinten Nationen und anderen internationalen Partnern
kooperieren wird.
Auch die Bundesregierung stellte in ihrer Antwort auf die Kleine Anfrage der
Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN zur Situation in Burundi vom Mai 2014
(Bundestagsdrucksache 18/1421) „eine Zunahme von politischen Spannungen
zwischen der Regierung und den Oppositionsparteien und eine Zunahme poli-
tisch motivierter Gewalt“ fest. Angesichts dieser innenpolitischen und regiona-
len Situation stellt sich die Frage, ob Burundi von seinen Partnerländern nicht
gerade jetzt mehr Unterstützung in Bezug auf Krisenprävention, Menschen-
rechtsschutz und Konfliktbearbeitung benötigt. Die Bundesregierung hat in der
oben genannten Antwort auf die Kleine Anfrage darauf hingewiesen, dass sie
der burundischen Regierung im Rahmen der Regierungsverhandlungen im Mai
2014 ihre „Sorge über die aktuelle politische Lage in Burundi“ mitgeteilt habe.
Eine Anpassung der deutschen Entwicklungszusammenarbeit mit Burundi sei
allerdings zunächst nicht geplant – die Schwerpunkte Wasser- und Sanitärver-
sorgung, Gesundheit und Dezentralisierung sollten beibehalten werden. Die
Bundesregierung unterstütze aber im Rahmen der krisenpräventiven Projekt-
förderung seit dem Jahr 2008 den Aufbau der burundischen Polizei.

Wir fragen die Bundesregierung:
1. Wie beurteilt die Bundesregierung die Lage der Menschenrechte im Lichte

der aktuellen politischen Situation in Burundi?
2. Wie bewertet die Bundesregierung die Lage der politischen Opposition in

Burundi wenige Monate vor den Wahlen, insbesondere im Hinblick auf die
Meinungs- und Versammlungsfreiheit?

3. Inwiefern hat sich die Bundesregierung, auch durch die deutsche Vertretung
vor Ort, im letzten Jahr für die Meinungs- und Versammlungsfreiheit in
Burundi eingesetzt?

4. Sind gegen Léonce Ngendakumana (Vorsitzender der Oppositionskoalition
ADC-Ikibiri), Alexis Sinduhije (Vorsitzender der Oppositionspartei Mouve-
ment pour la Solidarité et le Développement – MSD) und Agathon Rwasa
(früherer Vorsitzender der Oppositionspartei Forces pour la Libération Na-
tionale – FNL) noch Gerichtsverfahren anhängig, und wie wirkt sich dies auf
die Wahlvorbereitung aus?

5. Welche Erkenntnisse hat die Bundesregierung bzw. die deutsche Vertretung
vor Ort zur Lage der 21 Personen, die im März 2014 im Rahmen einer
Demonstration der Oppositionspartei MSD in Bujumbura verhaftet und in
einem eintägigen Prozess zu teilweise lebenslangen Haftstrafen verurteilt
wurden?

6. Welche Erkenntnisse hat die Bundesregierung bzw. die deutsche Vertre-
tung vor Ort zu den Ereignissen in Cibitoke Anfang Januar 2015, als Regie-
rungssoldaten, Polizei und Imbonerakure laut Berichten (Human Rights
Watch, 12. Februar 2015, www.hrw.org/news/2015/02/12/burundi-summary-
executions-army-police) 47 Mitglieder einer unbekannten Rebellengruppe
töteten?
Schließt sich die Bundesregierung der Ansicht von Human Rights Watch an,
dass diese als extra-legale Tötungen bewertet werden müssen?

7. Wie bewertet die Bundesregierung die Chance auf freie und faire Wahlen in
Burundi?
Wie sind in diesem Zusammenhang die Chancen zur Umsetzung der Road-
map und des Verhaltenskodex für die Wahlen, die alle Akteure gemeinsam
erarbeitet haben, zu sehen?

Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 3 – Drucksache 18/4531
8. Welche Erkenntnisse hat die Bundesregierung bzw. die deutsche Vertretung
vor Ort zur Wählerregistrierung, die im Jahr 2014 stattfand?
Kann sie Berichte von Nichtregierungsorganisationen bestätigen, nach
denen es verschiedene Unregelmäßigkeiten bei der Registrierung gab?

9. Wie bewertet die Bundesregierung den politischen Dialog zwischen den
Parteien im Vorfeld der Wahlen, und wie unterstützt sie diesen?

10. Wie bewertet die Bundesregierung die Auswirkungen einer möglichen drit-
ten Kandidatur des Präsidenten Pierre Nkurunziza, während die Verfassung
eine Obergrenze von zwei Legislaturperioden vorschreibt?

11. Inwiefern unterstützt die Bundesregierung die Arbeit der neu etablierten
Wahlmission der Vereinten Nationen in Burundi (MENUB)?
a) Wo werden die Schwerpunkte der Arbeit dieser Mission liegen?
b) Was werden nach Meinung der Bundesregierung ihre kritischsten Auf-

gaben sein?
c) Wie können die Mitgliedstaaten der Europäischen Union und andere ihre

Arbeit am sinnvollsten unterstützen?
12. Wie bewertet die Bundesregierung die Entwicklung der Imbonerakure, und

welche Erkenntnisse hat die Bundesregierung zu deren Ausbildung und
Bewaffnung?

13. Was sind die Schwerpunkte der deutschen Entwicklungszusammenarbeit
mit Burundi, und plant die Bundesregierung, sich zumindest im Wahljahr
verstärkt an Krisenprävention zu beteiligen?

14. Wird die Fortführung der deutschen Entwicklungszusammenarbeit mit
Burundi und die Zusammenarbeit im Bereich Polizeiausbildung an die Ein-
haltung menschenrechtlicher Standards geknüpft, und wie kann deren Ein-
haltung überprüft werden?

15. Wie bewertet die Bundesregierung die Wahl der Mitglieder der Wahrheits-
und Versöhnungskommission durch das burundische Parlament im Dezem-
ber 2014?
a) Plant die Bundesregierung, diese Kommission finanziell zu unterstüt-

zen?
b) Inwieweit entspricht die Kommission nach Ansicht der Bundesregierung

den Kriterien, die international für solche Kommissionen festgelegt wur-
den?

c) Hat sich die deutsche Vertretung vor Ort bemüht, auf die burundische
Regierung dahingehend einzuwirken, dass die Kommission unabhängig
arbeiten kann?

Berlin, den 24. März 2015

Katrin Göring-Eckardt, Dr. Anton Hofreiter und Fraktion
anzeiger Verlag GmbH, Postfach 10 05 34, 50445 Köln, Telefon (02 21) 97 66 83 40, Fax (02 21) 97 66 83 44, www.betrifft-gesetze.de

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