BT-Drucksache 18/4501

Zur politischen und menschenrechtlichen Lage in Sri Lanka

Vom 18. März 2015


Deutscher Bundestag Drucksache 18/4501
18. Wahlperiode 18.03.2015
Kleine Anfrage
der Abgeordneten Omid Nouripour, Tom Koenigs, Kordula Schulz-Asche,
Claudia Roth (Augsburg), Annalena Baerbock, Marieluise Beck (Bremen),
Dr. Franziska Brantner, Agnieszka Brugger, Uwe Kekeritz, Dr. Tobias Lindner,
Cem Özdemir, Manuel Sarrazin, Dr. Frithjof Schmidt, Jürgen Trittin,
Doris Wagner und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN

Zur politischen und menschenrechtlichen Lage in Sri Lanka

Die Präsidentschaftswahlen vom 8. Januar 2015 haben in Sri Lanka zu einem
demokratischen Machtwechsel geführt, bei denen Maithripala Sirisena zum
neuen Präsidenten gewählt wurde. Die politischen Herausforderungen bleiben
jedoch weiter bestehen, vor allem die Lösung des Tamilenkonfliktes und die
Umsetzung des vom UN-Menschenrechtsrat beschlossenen internationalen Un-
tersuchungsverfahrens der Kriegsverbrechen und Menschenrechtsverletzungen.
Bisher genehmigte die sri-lankische Regierung diese internationale Aufarbei-
tung nicht, was die außenpolitischen Beziehungen Sri Lankas belastet. Die neue
Regierung unter Präsident Maithripala Sirisena hat aber angekündigt, den Ver-
dachten auf Verbrechen gegen das humanitäre Völkerrecht und schweren Verlet-
zungen der Menschenrechte mit einem einheimischen Untersuchungsverfahren
nachzugehen.
Weitere notwendige politische Reformen zur Demokratisierung des Landes sind
die Abschaffung der exekutiven Vollmachten des Präsidenten, die Wiederher-
stellung einer unabhängigen Justiz sowie des Verfassungsrates und anderer un-
abhängiger staatlicher (Berufungs-)Kommissionen, etwa bei der Polizei. Ferner
bedarf es in Sri Lanka Reformen im Bereich des parlamentarischen Ausschuss-
systems, eine transparente Regierungsführung und Partizipation sowie Konsul-
tationen auch mit außerparlamentarischen Akteuren. Maithripala Sirisena er-
nannte den bisherigen Oppositionsführer Ranil Wickremesinghe zum neuen
Premierminister und strebt eine Verfassungsreform an, für die er eine Zwei-
drittelmehrheit im Parlament benötigt. Für Ende April 2015 setzte Maithripala
Sirisena deshalb vorgezogene Parlamentswahlen an.
Die Zeitung „THE SUNDAY TIMES“ berichtet in ihrer Ausgabe vom 4. Fe-
bruar 2015, dass der Außenminister Sri Lankas, Mangala Samaraweera, die er-
neute Teilnahme am EU-Zollpräferenzsystem GSP Plus anstrebt. Ebenso sollte
kurzfristig die Ausfuhrrestriktion bei Fischexporten aus Sri Lanka aufgehoben
werden. Der Außenminister kündigte laut Zeitungsbericht außerdem an, dass die
Joint Sri Lanka-EU Economic Commission wiederbelebt werden soll und dazu
eine Visite der Europäischen Union (EU) für den 23. März 2015 geplant sei. Die
Regierung Sri Lankas wird voraussichtlich wieder Angebote der staatlichen
Entwicklungszusammenarbeit sowohl bilateraler Art als auch im Rahmen von
EU-Programmen erhalten. Unbeschadet einer für südasiatische Verhältnisse gut
beleumundeten sozialstaatlichen Sicherung gibt es in Teilbereichen der Gesell-

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schaft nach wie vor Armut und Existenzrisiken. Die Rückblicke im Dezember
2014 auf die Tsunami-Katastrophe zehn Jahre davor brachten Daten und Ein-
blicke in solch prekäre Lebenssituationen an die Öffentlichkeit.

Lage der Menschenrechte
Unter der Präsidentschaft Mahinda Rajapaksas hat sich die Lage der Menschen-
rechte in Sri Lanka verschlechtert (www.hrw.org, World Report 2015 zu Sri
Lanka). Straflosigkeit war selbst bei schwersten Menschenrechtsverletzungen
weit verbreitet. Im Rahmen der Anti-Terror-Gesetzgebung (Prevention of Terro-
rism Act; PTA) und der entsprechenden Maßnahmen wurde nicht nur die Arbeit
von Menschenrechtsverteidigerinnen und Menschenrechtsverteidigern sowie
Journalistinnen und Journalisten behindert oder sabotiert sowie sexuelle Gewalt
begünstigt. Auch die Untersuchungen durch staatliche Kommissionen und die
Veröffentlichung ihrer Ergebnisse unterblieb, wie etwa bei der Presidential
Commission on human rights violations oder der Commission of Inquiry on
Missing Persons.
Unter der Vorgängerregierung des Ex-Präsidenten Mahinda Rajapaksa unter-
standen Nichtregierungsorganisationen (NGOs) der Aufsicht des Verteidigungs-
ministeriums mit daraus folgenden restriktiven Vorgaben des „NGO National
Secretariat circulars“ bei der Registrierung, steuerrechtlichen Behandlung und
finanztechnischen Aufsicht. Der geltende Prevention of Terrorism Act ermög-
licht weitgehende und willkürliche Eingriffe in die Betätigung von NGOs. Das
Büro des neu gewählten Präsidenten kündigte an, dass es zukünftig keine Ein-
schränkungen mehr geben soll, zumindest wenn NGOs Workshops, Pressekon-
ferenzen, Trainingsprogramme für Journalistinnen und Journalisten und andere
ähnliche Aktivitäten durchführen und sich außerdem an die bestehenden Ge-
setze des Landes halten.
Nach wie vor ist die Pressefreiheit in Sri Lanka unter Druck. Auch nach dem
offiziellen Kriegsende im Jahr 2009 wurden Medienschaffende bedroht, inhaf-
tiert und ermordet. Die Aufarbeitung der Kriegsverbrechen gilt noch immer als
tabu. Eine Vielzahl an Journalistinnen und Journalisten musste in den vergange-
nen Jahren aus Sri Lanka fliehen. Auch im Rahmen der diesjährigen Präsident-
schaftswahlen kam es zu Kontrolle und Zensur von Medieninhalten (www.
reporter-ohne-grenzen.de vom 7. Januar 2015 „Präsidentenwahl ohne freie
Medien“). Insbesondere tamilische Journalistinnen und Journalisten wurden in
ihrer Arbeit eingeschränkt; ausländischen Journalistinnen und Journalisten, die
über die Wahl berichten wollten, wurde das Einreisvisum verweigert. Auf der
aktuellen Rangliste der Pressefreiheit von „Reporter ohne Grenzen“ ist Sri
Lanka damit nur auf Platz 165 von 180 Ländern.

Wir fragen die Bundesregierung:
1. Welche Veränderungen in Bezug auf die

a) allgemeine politische Lage,
b) menschenrechtliche Lage
erwartet die Bundesregierung durch den Regierungswechsel?

2. Für wie realistisch hält die Bundesregierung die Ankündigung Maithripala
Sirisenas einer Verfassungsreform zur Stärkung des Parlaments (www.faz.net
vom 9. Januar 2015 „Das Ende einer Ära des Triumphalismus“)?

3. Wie schätzt die Bundesregierung die Chancen für den neuen Präsidenten ein,
bei den von ihm angesetzten vorgezogenen Parlamentswahlen entsprechende
Mehrheiten zu erzielen?

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4. Für wie glaubwürdig hält die Bundesregierung die Pläne des neuen Präsi-
denten, die Korruption in Sri Lanka bekämpfen zu wollen (www.reuters.com
vom 9. Januar 2015 „Machtwechsel in Sri Lanka – Wahlsieger will Korrup-
tion bekämpfen“)?

5. Über welche Informationen verfügt die Bundesregierung in Bezug auf die
Bildung einer einheimischen Untersuchungskommission zur Aufklärung
von Menschenrechtsverletzungen und die Kriterien ihrer Arbeit?

6. Inwieweit unternimmt die Bundesregierung den Versuch, unter Umständen
in Absprache mit der EU, den Untersuchungsauftrag durch den UN-Men-
schenrechtsrat zur Geltung zu bringen?
Wenn ja, mit welchen Mitteln?

7. Wie stellt die Bundesregierung sicher, dass Opfer und Zeugen von Kriegs-
verbrechen in Sri Lanka, Verbrechen gegen das humanitäre Völkerrecht und
schweren Verletzungen der Menschenrechte, die sich in Deutschland auf-
halten, hinreichend unterstützt werden?

8. Hat die Bundesregierung der neuen Regierung in Sri Lanka Unterstützung
angeboten, um ein nationales Untersuchungsverfahren nach internationalen
Kriterien durchzuführen?
Falls ja, in welcher Form?

9. Ist die Bundesregierung im Dialog mit der neuen Regierung des Präsidenten
Maithripala Sirisena über eine partielle Wiederaufnahme der Untersuchun-
gen der Lessons Learnt and Reconciliation Commission?

10. Ist die Bundesregierung im Dialog mit der neuen Regierung des Präsidenten
Maithripala Sirisena über eine Berücksichtigung der Ergebnisse aus dem
UN Expert Panel vom 31. März 2011 (Report of the Secretary General’s
Panel of Experts on Accountability in Sri Lanka)?

11. Inwiefern plant die Bundesregierung, sich bei der Aufarbeitung dieser Ver-
gangenheit insbesondere für eine aktive Beteiligung von Frauenorganisa-
tionen in Sri Lanka einzusetzen?

12. Wären die Bundesregierung oder die EU bereit, die forensischen Kapazitä-
ten der öffentlichen Behörden, aber auch staatlich unabhängiger Einrichtun-
gen auszubauen?

13. Inwiefern haben die Bundesregierung oder die EU für den Übergangspro-
zess zur Wiederherstellung der Unabhängigkeit der Justiz in Sri Lanka ihre
Unterstützung angeboten?
Falls ja, berücksichtigt die angebotene Unterstützung die Expertise und
Empfehlungen einschlägiger UN Mechanismen, wie der
a) Sonderverfahren (Special Procedures) des UN-Menschenrechtsrates,
b) des UN-Hochkommissariats für Menschenrechte,
c) des UN-Menschenrechtsausschusses (Committee on Human Rights –

ICCPR)?
14. Inwieweit sind die Bundesregierung oder die EU bei der sri-lankischen

Regierung vorstellig geworden, um darauf hinzuweisen, dass die Amtsent-
hebung eines Chefanklägers in Zukunft nach rechtsstaatlichen Grundprin-
zipien zu vollziehen und zu garantieren ist?

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15. Inwieweit will sich die Bundesregierung im Rahmen ihrer diplomatischen
Möglichkeiten im Kontext rechtsstaatlicher Verfahren (der o. g. Presidential
Commission on human rights violations, Commission of Inquiry on Mis-
sing Persons und des Advisory Councils) engagieren, damit es zur Ver-
öffentlichung der Untersuchungsergebnisse kommt?

16. Steht die Bundesregierung im Kontakt mit der neuen Regierung in Sri
Lanka bezüglich des Prevention of Terrorism Act (PTA)?
Inwiefern steht die Bundesregierung im Kontakt mit sri-lankischen zivil-
gesellschaftlichen Organisationen?

17. Inwieweit unterstützt die Bundesregierung den Vorschlag, die Folgen des
PTA in Bezug auf sexuelle Gewalt entsprechend den Standards der UN-
Konvention zur Beseitigung jeder Form von Diskriminierung der Frau
(CEDAW) aufzuarbeiten und in einem (Straf-)Rechtsverfahren zu regeln?
a) Welchen Beitrag würde sie gegebenenfalls leisten?
b) Welche Rolle würde sie dabei unabhängigen Frauenrechtsorganisationen

in Sri Lanka zumessen?
18. Sind die Bundesregierung oder die EU vorstellig geworden, um die Be-

endigung der Notstandsmaßnahmen unter dem PTA anzumahnen?
Falls ja, was war das Ergebnis des Dialogs bzw. der Demarche?

19. Werden die Bundesregierung oder die EU die überdimensionierte Größe der
militärischen Einrichtungen vor allem im Norden Sri Lankas zum Gegen-
stand politischer Gespräche machen (www.monde-diplomatique.de vom
11. Juli 2014 „Besatzer im eigenen Land“, www.taz.de vom 24. März 2012
„Ungleiche Brüder“)?
Falls ja, würde die Bundesregierung Vorschläge zur Konversion unterbrei-
ten?

20. Will sich die Bundesregierung im Rahmen ihrer diplomatischen Möglich-
keiten engagieren, um die Regierung des Präsidenten Maithripala Sirisena
bei der Erarbeitung einer neuen NGO-Gesetzgebung zu unterstützen?
a) Falls ja, gibt es bei der Bundesregierung konzeptionelle Überlegungen,

wie eine zukünftige steuerrechtliche, finanztechnische, politische Auf-
sicht in Sri Lanka aussehen sollte?

b) Inwiefern spielen die Empfehlungen aus der UN-Erklärung zu den Rech-
ten von Menschenrechtsverteidigerinnen und Menschenrechtsverteidi-
gern eine Rolle?

21. Inwiefern fördert die Bundesregierung zivilgesellschaftliche Aktivitäten in
Sri Lanka?
Wird u. a. an Trainingsprogramme für Journalistinnen und Journalisten ge-
dacht?

22. Was wären aus Sicht der Bundesregierung Mindeststandards, die eine neue
Vereinbarung zur GSP Plus-Konzession (GSP – Generalized System of
Preferences) zwischen der EU und Sri Lanka beinhalten müsste, und in
welchen Intervallen sollte nach Meinung der Bundesregierung eine Über-
prüfung der vertraglichen Umsetzung erfolgen?

23. Wer sollte nach Meinung der Bundesregierung integraler Bestandteil eines
Monitoringverfahrens der GSP Plus-Konzession sein?

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24. Beabsichtigt die Bundesregierung, der neuen Regierung Sri Lankas die
Wiederaufnahme der Entwicklungszusammenarbeit (EZ) anzubieten?
Wenn ja, wie plant die Bundesregierung, menschenrechtliche Kriterien in
die Zusammenarbeit einzubeziehen?

25. Inwieweit spielen in den Vorüberlegungen der Bundesregierung die Be-
reiche Handwerk, Fischer, Gastronomie, Tourismus im Norden, kleinbäuer-
liche Familienbetriebe, kleinräumliche Energiegewinnung aus natürlichen
Ressourcen und jeweils die aktive Förderung von Frauen eine Rolle?

26. Was müsste aus Sicht der Bundesregierung über die EZ hinaus an Wirt-
schaftsförderung in Sri Lanka geleistet werden?

27. Wie bewertet die Bundesregierung die Lage der Pressefreiheit in Sri Lanka,
insbesondere während des Wahlkampfes zur Präsidentschaftswahl?
a) Welche Kenntnisse hat die Bundesregierung über die Lage tamilischer

Journalistinnen und Journalisten?
b) Welche Kenntnisse hat die Bundesregierung über Einreiseverweigerun-

gen gegenüber ausländischen Journalistinnen und Journalisten?
28. Welche Kenntnisse hat die Bundesregierung über Fälle von Verschwinden-

lassen und insbesondere über den Fall des sri-lankischen Journalisten und
Karikaturisten Prageeth Eknaligoda, der am 24. Januar 2010 im Vorfeld der
damaligen Präsidentschaftswahlen verschwand (www.amnesty.de „Briefe
gegen das Vergessen – Sri Lanka – Prageeth Eknaligoda“, Mai 2013)?

Berlin, den 18. März 2015

Katrin Göring-Eckardt, Dr. Anton Hofreiter und Fraktion
anzeiger Verlag GmbH, Postfach 10 05 34, 50445 Köln, Telefon (02 21) 97 66 83 40, Fax (02 21) 97 66 83 44, www.betrifft-gesetze.de

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