BT-Drucksache 18/4430

Den Menschenrechtsrat der Vereinten Nationen stärken

Vom 25. März 2015


Deutscher Bundestag Drucksache 18/4430
18. Wahlperiode 25.03.2015
Antrag
der Abgeordneten Tom Koenigs, Luise Amtsberg, Omid Nouripour, Kordula
Schulz-Asche, Claudia Roth (Augsburg), Annalena Baerbock, Marieluise Beck
(Bremen), Dr. Franziska Brantner, Agnieszka Brugger, Uwe Kekeritz, Dr. Tobias
Lindner, Cem Özdemir, Corinna Rüffer, Manuel Sarrazin, Dr. Frithjof Schmidt,
Markus Tressel, Jürgen Trittin, Doris Wagner und
der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN

Den Menschenrechtsrat der Vereinten Nationen stärken

Der Bundestag wolle beschließen:

I. Der Deutsche Bundestag stellt fest:

Der Menschenrechtsrat ist das wichtigste Menschenrechtsgremium der Vereinten
Nationen. Laut Gründungsresolution (A/RES/60/251) sind seine wesentlichen Auf-
gaben, alle Menschenrechte und Grundfreiheiten zu schützen und zu fördern, sich
mit Menschenrechtsverletzungen zu befassen und Empfehlungen abzugeben, Men-
schenrechtsfragen in das System der Vereinten Nationen zu integrieren sowie zur
Weiterentwicklung des Völkerrechts beizutragen.

Dem Menschenrechtsrat ist es in den letzten Jahren trotz aller Schwächen immer
wieder gelungen, dieser Rolle gerecht zu werden. Doch auch wenn er als schlagkräf-
tiger gilt als seine Vorgängerorganisation, die viel kritisierte Menschenrechtskom-
mission, ist sein Potential noch keineswegs ausgeschöpft. Die andauernde Unterfi-
nanzierung des Rates, seine ständig drohende Politisierung und die mangelnde Um-
setzung seiner Empfehlungen gehören zu den Herausforderungen, denen der Rat ak-
tiv begegnen muss.

Der Erfolg des Menschenrechtsrats steht und fällt mit dem Engagement seiner Mit-
gliedstaaten. Deutschland ist seit 2012 zum zweiten Mal Mitglied des Menschen-
rechtsrats und bewirbt sich für die Wiederwahl von 2016 bis 2018. Im Jahr 2015 hat
Deutschland mit Botschafter Joachim Rücker erstmals den Vorsitz dieses Gremiums
übernommen. Damit ergibt sich für Deutschland die besondere Chance, die Arbeit
des Rates wesentlich und über das Jahr 2015 hinaus positiv zu beeinflussen.

Diese Chance kann die Bundesregierung nutzen, indem sie sich für eine Verbesse-
rung der Arbeitsbedingungen und Arbeitsweise des Rates einsetzt, seiner Politisie-
rung entgegenwirkt, über Regionalgruppen hinweg diplomatische Allianzen aufbaut,
innovative Themenschwerpunkte setzt und auch im Inland den Menschenrechts-
schutz weiterhin ernst nimmt und damit ihre Glaubwürdigkeit international unter
Beweis stellt.

Drucksache 18/4430 – 2 – Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode
II. Der Deutsche Bundestag fordert die Bundesregierung auf,

1. sich im Rahmen der Budgetverhandlungen in der VN-Generalversammlung da-
für einzusetzen, dass ein größerer Anteil des Kernbudgets des VN-Sekretariats
der Menschenrechtsarbeit (OHCHR und Menschenrechtsrat) zukommt;

2. den deutschen Beitrag für das Hochkommissariat für Menschenrechte zu erhö-
hen, insbesondere in der Form von freiwilligen, nichtzweckgebundenen Beiträ-
gen;

3. gemeinsam mit den EU-Partnern dafür zu werben, dass Kandidaten für die Mit-
gliedschaft im Menschenrechtsrat gegenüber Sonderverfahren kooperationsbe-
reit sind, sich innerhalb ihrer Regionalgruppen einer kompetitiven Wahl stellen
und dass die freiwilligen Verpflichtungen (pledges), die die Kandidaten vor ih-
rer Wahl ausgesprochen haben, bei einer Wiederwahl durch die VN-General-
versammlung auf ihre Umsetzung überprüft werden;

4. auf eine rasche und angemessene Reaktion auf Menschenrechtsverletzungen zu
drängen und hierfür das vorhandene Instrumentarium auf allen Ebenen mög-
lichst flexibel zu nutzen;

5. dafür einzutreten, dass unabhängige Auslösemechanismen (wie z. B. das Votum
mehrerer Sonderberichterstatter) die Befassung mit der Menschenrechtssitua-
tion in einem Land ermöglichen, bzw. dass systematisch betriebene massive
Menschenrechtsverletzungen automatisch auf die Agenda des Rates gesetzt wer-
den;

6. sich konsequent für die Unabhängigkeit und Stärkung der Sonderverfahren und
für deren bessere finanzielle Ausstattung einzusetzen;

7. verstärkt thematische und innovative Schwerpunkte für die Arbeit im Men-
schenrechtsrat zu setzen bzw. fortzuführen (z. B. Recht auf Privatheit, Recht auf
Wasser, politische Freiräume [political space] und gezielte Tötungen);

8. sich für die Stärkung des Schutzes von MenschenrechtsverteidigerInnen einzu-
setzen und auf die Umsetzung der entsprechenden Resolutionen des Menschen-
rechtsrats zu drängen, insbesondere der Resolution 24/24;

9. sicherzustellen, dass die Unabhängigkeit des Hochkommissariats für Menschen-
rechte auch im Zuge künftiger institutioneller Reformen erhalten bleibt;

10. alle menschenrechtlichen Abkommen vorbehaltlos zu ratifizieren und in
Deutschland umzusetzen und Partnerländer im Rahmen des politischen Dialogs
zu einer vorbehaltlosen Ratifizierung und Umsetzung aufzufordern;

11. Empfehlungen aus den Staatenberichtsverfahren (Concluding Observations/Ab-
schließende Bemerkungen) öffentlich zu diskutieren und produktiv zur Men-
schenrechtsarbeit im Inland zu nutzen;

12. einen ressortübergreifenden Follow-up-Mechanismus einzurichten, mit dem in
Deutschland die Umsetzung der relevanten Empfehlungen aus dem Staatenüber-
prüfungsverfahren sowie der Treaty Bodies und der VN-Sonderverfahren über-
wacht werden kann;

13. den Stand der Umsetzung der Empfehlungen aus dem Staatenüberprüfungsver-
fahren auch in einem Zwischenbericht bzw. in einer Datenbank zu dokumentie-
ren und diesen Zwischenbericht sowie die regulären Berichte mit dem Bundes-
tag abzustimmen;

14. auch in Deutschland den Menschenrechtsschutz zu priorisieren, indem die damit
betrauten Institutionen wie z. B. die Zentralstelle zur Verhütung von Folter, die
Anti-Diskriminierungsstelle und das Deutsche Institut für Menschenrechte adä-
quat ausgestattet werden und politisch unabhängig bleiben;

Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 3 – Drucksache 18/4430
15. das Verhalten anderer Staaten im Menschenrechtsrat sowie gegenüber Men-

schenrechtsverteidigerInnen zu einem wesentlichen Aspekt in der Gestaltung
der bilateralen Beziehungen mit diesen Ländern zu machen;

16. die Implementierung der Menschenrechtsmandate der Vereinten Nationen, ob
Untersuchungskommissionen, Monitoring Teams oder Länderbüros des Hoch-
kommissars für Menschenrechte, auch vor Ort durch direkte Diplomatie der
Botschaften zu unterstützen.

Berlin, den 24. März 2015

Katrin Göring-Eckardt, Dr. Anton Hofreiter und Fraktion

Begründung:

Der Menschenrechtsrat gilt zu Recht als wesentlicher Akteur im internationalen Menschenrechtsschutz. Er hat
in den letzten Jahren z. B. in steigendem Maße länderspezifische Resolutionen verabschiedet und Untersu-
chungskommissionen entsandt, gerade auch in Situationen, in denen der Sicherheitsrat zunächst nicht aktiv
wurde, z. B. Syrien und Ukraine. Er hat thematisch innovative Resolutionen verabschiedet, zum Beispiel zum
Recht auf Wasser oder gleichgeschlechtlichen Partnerschaften. Die Teilnahme der Zivilgesellschaft ist trotz
aller Hindernisse ein integraler Bestandteil der Arbeit des Rates geworden. Das Instrument des Allgemeinen
Überprüfungsverfahrens (Universal Periodic Review) bleibt eine wichtige Neuerung, die das Eintreten für
Menschenrechte auf Augenhöhe ermöglicht und damit zur Kooperation innerhalb des Rates beiträgt.

Dennoch bleibt vieles zu verbessern, um den Rat noch effektiver zu machen. Hier sind die Mitgliedstaaten
gefragt, auch Deutschland, das dieses Jahr den Vorsitz des Rates innehat.

Eine der größten Schwierigkeiten des Rates besteht in seiner Selektivität bzw. seiner drohenden Politisierung.
Es existiert kein objektiver Mechanismus, der bestimmt, welche Situationen oder Themen vom Rat behandelt
werden müssen. So können einzelne Staaten immer wieder verhindern, dass gewisse Themen auf der Tages-
ordnung erscheinen. Um dieses Problem zu überwinden, sollten Indikatoren entwickelt werden, die dazu bei-
tragen, die Tagesordnung des Rates anhand objektiver Kriterien zu gestalten. Außerdem muss Deutschland
weiterhin gemeinsam mit den EU-Partnern den Dialog mit anderen Staaten führen und fördern, um jenseits der
Blockbildung Verbündete in menschenrechtlichen Fragen zu finden.

Ebenso wichtig ist es, die Arbeit der Sonderverfahren konsequent zu unterstützen. 2007 wurde ein Verhaltens-
kodex für Sonderberichterstatter verabschiedet. Dieser wird nun immer häufiger angeführt, um den Mandats-
trägern vorzuwerfen, sich nicht ausreichend mit den betroffenen Regierungen abzusprechen oder nationale Ge-
setzgebung nicht angemessen zu berücksichtigen. Der Menschenrechtsrat muss sich daher stärker dafür einset-
zen, dass die Mandatsträger der Sonderverfahren ihrer Arbeit ungehindert nachgehen können.

Die Zivilgesellschaft soll in den Beratungen ebenfalls eine wesentliche Rolle spielen. Der Menschenrechtsrat
muss daher dringend den Schutz von Menschenrechtsverteidigern, die sich wie vorgesehen im Menschen-
rechtsrat äußern oder äußern wollen, sicherstellen. Sie werden immer wieder Opfer von Repressalien bzw.
daran gehindert, überhaupt nach Genf zu reisen, und auch in den betroffenen Ländern begeben sich Menschen,
die mit den VN-Menschenrechtsmechanismen zusammenarbeiten, vielerorts in Gefahr. Der Menschenrechtsrat
hat bereits mehrere Resolutionen zum Schutz von Menschenrechtsverteidigern verabschiedet (insbesondere
A/HRC/RES/24/24, A/HRC/RES/24/21, A/HRC/25/L.20 und A/HRC/27/L.24). Nun gilt es, sich für deren Um-
setzung einzusetzen, auch innerhalb der VN-Generalversammlung.

Menschenrechte gelten neben Sicherheit und Entwicklung als eine der drei Säulen der Arbeit des UN-Sekreta-
riats. Dennoch werden für Menschenrechte nur rund 3 % der Ausgaben des Kernbudgets UN-Sekretariats auf-
gewendet (Proposed Programme Budget for the Biennium 2014-2015, A/68/6 (Sect. 24)). Dies schließt die
anzeiger Verlag GmbH, Postfach 10 05 34, 50445 Köln, Telefon (02 21) 97 66 83 40, Fax (02 21) 97 66 83 44, www.betrifft-gesetze.de

Drucksache 18/4430 – 4 – Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode
Finanzierung des Büros des Hochkommissars für Menschenrechte und den Menschenrechtsrat mit ein. Diese
3 % decken allerdings nur etwa 40 % der Kosten, die restlichen 60 % müssen durch freiwillige Beiträge gedeckt
werden. Auch die Sonderverfahren leiden unter der schlechten finanziellen Ausstattung. Eine Erhöhung des
Anteils am regulären Budget – in Genf werden derzeit 5 % diskutiert – ist daher dringend erforderlich.

Die letzten Jahre haben gezeigt, dass die Arbeit des Menschenrechtsrats dann am effektivsten ist, wenn es
gelingt, Staaten aus verschiedenen regionalen Gruppen an der Erarbeitung und Abstimmung von Initiativen zu
beteiligen. Auch einzelne Mitgliedstaaten können mit Engagement und Diplomatie wichtige Impulse für die
Arbeit des Menschenrechtsrats setzen. Deutschland sollte seinen Vorsitz und seine Mitgliedschaft nutzen, um
Brücken zu bauen und Gegensätze im Sinne einer global ausgerichteten Menschenrechtspolitik zu überwinden.

Um dabei glaubwürdig zu sein, muss Deutschland den Menschenrechtsschutz auch im Inland ernst nehmen.
Gerade im Jahr seines Vorsitzes sollte Deutschland zeigen, dass es bereit ist mit gutem Beispiel voranzugehen
und die Institutionen des Menschenrechtsschutzes im Inland stärken, alle menschenrechtlichen Konventionen
ratifizieren, noch bestehende Vorbehalte zurücknehmen, Zwischenberichte abliefern und vor allem die jewei-
ligen Empfehlungen auch im Inland umsetzen will. Außenpolitisch wäre es wichtig, die Behandlung von Men-
schenrechtsverteidigerInnen und die Gewährung von öffentlichem Raum für zivilgesellschaftliches Engage-
ment in einem Partnerland zu einem wesentlichen Aspekt der Entwicklung der diplomatischen Beziehungen
zu machen.

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