BT-Drucksache 18/4428

Neu gegründete Tochterunternehmen der Deutschen Post AG

Vom 16. März 2015


Deutscher Bundestag Drucksache 18/4428
18. Wahlperiode 16.03.2015
Kleine Anfrage
der Abgeordneten Klaus Ernst, Jutta Krellmann, Susanna Karawanskij,
Thomas Lutze, Thomas Nord, Richard Pitterle, Michael Schlecht, Dr. Petra Sitte,
Dr. Axel Troost, Dr. Sahra Wagenknecht und der Fraktion DIE LINKE.

Neu gegründete Tochterunternehmen der Deutschen Post AG

Die Deutsche Post AG hat unter dem Namen „Delivery“ 49 neue Gesellschaften
gegründet, bei denen 20 000 Paketzusteller beschäftigt werden sollen. Für sie
soll nicht mehr der Tarifvertrag der Deutschen Post AG gelten, sondern sie sol-
len zu für die Beschäftigten schlechteren Bedingungen angestellt werden (vgl.
DIE WELT vom 28. Januar 2015: „Ver.di entwirft Schlachtplan für Projekt
,Delivery‘“).
In diesem Zusammenhang hatte die Deutsche Post AG auch angekündigt, den
rund 20 000 befristet Beschäftigten, die bis dahin bei der Deutschen Post AG an-
gestellt waren, nur noch einen Vertrag in einer der neuen Tochtergesellschaften
anzubieten. Die Bezahlung soll nach dem Tarifvertrag für das Speditionsge-
werbe erfolgen. Dieser liegt um ca. 20 Prozent unter den Bedingungen des Tarif-
vertrages der Post.
Im genannten Artikel in der Zeitung „DIE WELT“ heißt es: „Eigentlich müsste
das Paketgeschäft dem Management der Post ausschließlich Freude bereiten:
Kein anderer Paketdienst legt derzeit bei den Paketmengen an Privathaushalte
so stark zu wie die Posttochter DHL. Das Wachstum des Onlinehandels beschert
dem Unternehmen täglich Millionen Sendungen.“
Die Antwort der Bundesregierung auf die Kleine Anfrage der Fraktion DIE
LINKE. bestätigt zudem die positive Gewinnsituation bei der Deutschen Post
AG (Bundestagsdrucksache 18/3796). In den vergangenen zehn Jahren wurden
insgesamt mehr als 8 Mrd. Euro als Dividenden an die Aktionäre ausgeschüttet.
Aus Sicht der Gewerkschaft ver.di wird die Deutsche Post AG mit der Gründung
der neuen Gesellschaften darüber hinaus vertragsbrüchig. In einem derzeit gül-
tigen Vertrag zwischen der Gewerkschaft und der Deutschen Post AG ist verein-
bart, dass Briefe und Pakete ausschließlich von Mitarbeiterinnen und Mitarbei-
tern der Deutschen Post AG und nicht von Fremdfirmen zugestellt werden dür-
fen. Dafür haben sich die Beschäftigten auf verschlechterte Pausenregelungen,
Zuschläge und niedrigere Einstiegslöhne eingelassen (vgl. DIE WELT vom
28. Januar 2015: „Ver.di entwirft Schlachtplan für Projekt ,Delivery‘ “).
Die Bundesregierung schreibt in ihrem Koalitionsvertrag: „Tarifautonomie,
Tarifeinheit und Mitbestimmung sind für uns ein hohes Gut.“ Ebenso will sie
„den Koalitions- und Tarifpluralismus in geordnete Bahnen lenken.“ Es stellt
sich daher die Frage, was die Bundesregierung gegen diese Form von Tarif-

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pluralismus, der von Seiten eines Unternehmens mit dem Ziel der Kosteneinspa-
rung betrieben wird, unternehmen will.

Wir fragen die Bundesregierung:
1. Seit wann hat die Bundesregierung Kenntnis über die Pläne der Deutschen

Post AG, neue Gesellschaften für die Paketzustellung zu gründen?
2. Seit wann hat die Bundesregierung Kenntnis über die Pläne der Deutschen

Post AG, den Beschäftigten in den „Delivery“-Gesellschaften Löhne nach
den Tarifbedingungen des Speditionsgewerbes zahlen zu wollen, die unter-
halb der Tarifbedingungen der Post liegen?

3. Gab es in der Bundesregierung Diskussionen bezüglich der Pläne der Deut-
schen Post AG, „Delivery“-Gesellschaften für die Paketzustellung zu grün-
den?
Wenn ja, mit welchem Inhalt, und mit welchen Ergebnissen?

4. Welche Position hat die Bundesregierung über ihren Vertreter im Aufsichts-
rat der Deutschen Post AG hinsichtlich der Pläne zur Gründung der „De-
livery“-Gesellschaften eingenommen?

5. Welche Schlussfolgerungen und Konsequenzen zieht die Bundesregierung
aus den Plänen der Deutschen Post AG, die Beschäftigten in den „Delivery“-
Gesellschaften zu anderen Tarifbedingungen als die Beschäftigten der
Deutschen Post AG beschäftigen zu wollen, angesichts ihres Vorhabens,
den Tarifpluralismus in geordnete Bahnen lenken zu wollen?

6. Stellt das tarifpolitische Agieren der Deutschen Post AG im Zusammenhang
mit der Gründung der „Delivery“-Gesellschaften aus Sicht der Bundes-
regierung eine Form von Tarifpluralismus dar, die gesetzgeberisches Han-
deln erforderlich macht?
Wenn ja, welchen?
Wenn nein, warum nicht?

7. Welche konkreten Maßnahmen plant die Bundesregierung gegen die Tarif-
flucht seitens der Arbeitgeber bzw. gegen von Arbeitgebern initiierten
Tarifpluralismus mit dem Ziel, die Entlohnungs- und Arbeitsbedingungen
für die Beschäftigten zur Kosteneinsparung zu verschlechtern?

8. Welche Schritte unternimmt die Bundesregierung, um einen möglichen
Rechtsmissbrauch des Teilzeit- und Befristungsgesetzes zu verhindern, an-
gesichts der Tatsache, dass bisher bei der Deutschen Post AG befristet Be-
schäftigte, denen ansonsten die Arbeitslosigkeit droht, nun aufgefordert
werden, Verträge mit den „Delivery“-Gesellschaften zu schlechteren Kon-
ditionen als bei der Deutschen Post AG abzuschließen?

9. Welche Anstrengungen unternimmt die Bundesregierung, um die Arbeits-
bedingungen der Beschäftigten im Bereich der Paketzustellung zu verbes-
sern?

10. Welchen gesetzgeberischen Handlungsbedarf leitet die Bundesregierung
aus der Tatsache ab, dass mit der Aufteilung einer fünfstelligen Zahl von
bisher bei der Deutschen Post AG Beschäftigten auf 49 einzelne Firmen
(www.de.reuters.com vom 22. Januar 2015 „Post will Tausende Jobs mit
niedrigeren Löhnen schaffen“) auch Schwellenwerte für die Unternehmens-
mitbestimmung nicht mehr erreicht werden und so die Gefahr besteht, dass
auf diesem Wege die Unternehmensmitbestimmung unterlaufen wird?

11. Teilt die Bundesregierung die Auffassung der Deutschen Post AG, dass die
Gründung der „Delivery“-Gesellschaften aufgrund der wirtschaftlichen

Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 3 – Drucksache 18/4428
Situation erforderlich ist (www.welt.de vom 2. Februar 2015 „Post soll
dubiose Verträge angeboten haben“ und vom 28. Januar 2015 „Ver.di ent-
wirft Schlachtplan für Projekt ,Delivery‘“)?
Betrachtet die Bundesregierung die Deutsche Post AG als Sanierungsfall?

Berlin, den 16. März 2015

Dr. Gregor Gysi und Fraktion
anzeiger Verlag GmbH, Postfach 10 05 34, 50445 Köln, Telefon (02 21) 97 66 83 40, Fax (02 21) 97 66 83 44, www.betrifft-gesetze.de

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