BT-Drucksache 18/4419

Privatisierung von Bundesliegenschaften stoppen - Liegenschaftspolitik des Bundes nachhaltig reformieren

Vom 24. März 2015


Deutscher Bundestag Drucksache 18/4419
18. Wahlperiode 24.03.2015
Antrag
der Abgeordneten Dr. Gesine Lötzsch, Heidrun Bluhm, Caren Lay, Dr. Dietmar
Bartsch, Herbert Behrens, Karin Binder, Eva Bulling-Schröter, Roland Claus,
Kerstin Kassner, Sabine Leidig, Ralph Lenkert, Michael Leutert, Thomas Lutze,
Dr. Kirsten Tackmann, Hubertus Zdebel und der Fraktion DIE LINKE.

Privatisierung von Bundesliegenschaften stoppen – Liegenschaftspolitik des
Bundes nachhaltig reformieren

Der Bundestag wolle beschließen:

I. Der Deutsche Bundestag stellt fest:

Der Wohnungsmarkt ist seit Jahren vielerorts angespannt. Insbesondere in Großstäd-
ten ziehen deswegen die Mieten kräftig an. Bezahlbarer Wohnraum für Menschen
mit kleinen Einkommen ist knapp. Daran hat die öffentliche Hand ihren Anteil: In
den vergangen zehn Jahren ist insbesondere der Bestand an Sozialwohnungen bun-
desweit um 30 Prozent zurückgegangen.

Wenigstens der Bund sollte sich mit seinen Immobilien nicht an der Mietpreistrei-
berei beteiligen, sondern im Rahmen seiner Möglichkeiten dämpfend eingreifen. Im-
merhin verfügt die Bundesanstalt für Immobilienaufgaben (BImA) über 26.000 Ob-
jekte, 500.000 Hektar Grundstücksfläche sowie bundesweit 39.000 Wohnungen. Die
Mieten in den Wohnungen liegen zumeist deutlich unterhalb der ortsüblichen Ver-
gleichsmiete. Geeignete Grundstücke könnten für Wohnungsbau, die Errichtung von
Flüchtlingsunterkünften, Schulneubauten oder andere gemeinwohlorientierte Vor-
haben abgegeben werden. Viele Bundesländer und Kommunen suchen händeringend
günstige Grundstücke für solche Zwecke.

Die Praxis sieht anders aus: Der Bund verkauft sein Immobilieneigentum auf dem
Markt grundsätzlich zu Höchstpreisen an jeden Käufer, der das beste Angebot vor-
legt. So wird nicht nur öffentliches Eigentum privatisiert, sondern die Mietpreisspi-
rale über den Refinanzierungsdruck der Käufer angetrieben. Ein aktuelles Beispiel
ist der Kampf der Mieterinnen und Mieter in der Berliner Großgörschen- und Katz-
lerstraße. Ihre Wohnungen sollen zu einem Preis von 7,1 Millionen Euro verkauft
werden – ein Preis, der eine städtische Wohnungsgesellschaft zum Ausstieg aus dem
Bieterverfahren zwang. Auch die Mieter selbst, die die Wohnungen gemeinsam mit
einer Genossenschaft erwerben wollten, legten ein Angebot vor, das den Kaufpreis-
anforderungen der BImA nicht entsprechen konnte.

Von entscheidender Bedeutung für das Gemeinwohl sind neben den Wohnungs- und
Potentialflächen der BImA insbesondere auch diejenigen Flächen, die für andere öf-
fentliche Zwecke genutzt werden können. Insbesondere die Konversionsflächen bie-
ten vielerorts nachhaltige Entwicklungspotentiale, z. B. für die Errichtung erneuer-
barer Energiequellen zur Beförderung der Energiewende.

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Vor diesem Hintergrund bedarf es einer grundlegenden Neuausrichtung der Liegen-
schaftspolitik des Bundes. Zukünftig müssen Gemeinwohl- und Nachhaltigkeitsziele
im Zentrum der Liegenschaftspolitik des Bundes stehen und nicht wie bisher die
Erzielung hoher Erlöse zu Zwecken der Haushaltskonsolidierung. Dafür bedarf es
zunächst einer Änderung der einschlägigen Normen der Bundeshaushaltsordnung
sowie des BImA-Gesetzes. Nur so kann das derzeitig grundsätzlich angeordnete
Vollwertverfahren abbedungen und der gesetzliche Zweck der BImA erweitert wer-
den.

II. Der Deutsche Bundestag fordert die Bundesregierung auf,

1. eine nachhaltige und gemeinwohlorientierte Liegenschaftspolitik für die Bun-
desanstalt für Immobilienaufgaben zu etablieren, indem
a) in einem ersten Schritt ein Verkaufsmoratorium für BImA-Liegenschaften

verhängt wird, solange und soweit Liegenschaften betroffen sind, die zu
Wohnzwecken genutzt werden oder zu Wohnungsbauzwecken oder für am
Gemeinwohl orientierte Vorhaben geeignet sind, bis eine Neuregelung der
Liegenschaftspolitik gemäß den Vorgaben von b) bis f) erfolgt ist;

b) ein Gesetzentwurf zur Änderung der Bundeshaushaltsordnung (BHO) und
des BImA-Gesetzes mit dem Ziel eingebracht wird, eine Veräußerung von
bundeseigenen Grundstücken abweichend von dem in § 63 Absatz 3 Satz 1
BHO i. V. m. § 10 Abs. 1 BImAG statuierten Vollwert- bzw. Höchstpreis-
verfahren für die Fälle zu ermöglichen, in denen Wohnungsbestände und
für Wohnungsbau oder Gemeinwohlzwecke geeignete Liegenschaften in
Rede stehen;

c) derartige Veräußerungen künftig nur mit Einwilligung des Bundestages er-
folgen dürfen, wobei der Verkaufswert höchstens das Zwölffache der orts-
üblich erzielbaren jährlichen Nettomiete umfassen darf und nur unter Ver-
einbarung eines Weiterveräußerungsverbotes vorzunehmen ist;

d) den Bundesländern, in deren territorialen Geltungsbereich die einschlägigen
Grundstücke liegen, ein gesetzliches Vorkaufsrecht eingeräumt wird. Die-
ses Vorkaufsrecht kann auch zugunsten der Kommunen ausgeübt werden;

e) die Zweckbestimmung der BImA im BImA-Gesetz erweitert wird, um die
Beschaffung von sozialem Wohnraum und die Bereitstellung von Infra-
struktur zu Zwecken der öffentlichen Daseinsfürsorge und sonstigen Zwe-
cken des Gemeinwohls zu sichern;

f) bei dem Verkauf von Liegenschaften, die zu Wohnzwecken genutzt werden
oder für Wohnungsbauzwecke geeignet sind, ein effektiver Mieterschutz
vertraglich vereinbart wird, der über die bestehenden mietrechtlichen Rege-
lungen hinausgeht. Insbesondere sollen dadurch Luxusmodernisierungen,
Eigenbedarfskündigungen und die Umwandlung in Eigentumswohnungen
zu Lasten der Mieter verhindert werden. Es ist weiterhin vertraglich festzu-
legen, dass die Mieterschutzbestimmungen im Fall der Weiterveräußerung
bestehen bleiben;

2. die Bundesländer und die Kommunen durch Bereitstellung von BImA-Liegen-
schaften bei der Aufnahme von Flüchtlingen zu unterstützen, indem
a) die Unterbringung von Flüchtlingen im Wege der Zwischennutzung in dafür

geeigneten Liegenschaften mietzinsfrei ermöglicht wird;
b) Bundesländer und Kommunen in geeigneter Art und Weise für Instandset-

zungsinvestitionen an solchen BImA-Liegenschaften nach der Zwischen-
nutzung und im Falle des Nichterwerbs entschädigt werden;

3. eine nachhaltige und gemeinwohlorientierte Konversion zu befördern, indem
unbewegliche Sachen (militärische Liegenschaften der Bundeswehr, die nicht

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mehr genutzt werden), die durch die Bundesanstalt für Immobilienaufgaben ver-
waltet werden, vorrangig den Kommunen bzw. den Bundesländern, in denen sie
liegen, sowie regionalen zivilgesellschaftlichen Akteurinnen und Akteuren kos-
tengünstig zur zivilen Nachnutzung angeboten werden, um den nötigen Struk-
turwandel zu unterstützen. Etwaige Einnahmen aus der Veräußerung der Lie-
genschaften fließen vollständig in einen neu zu errichtenden Konversionsfonds.

Berlin, den 24. März 2015

Dr. Gregor Gysi und Fraktion
anzeiger Verlag GmbH, Postfach 10 05 34, 50445 Köln, Telefon (02 21) 97 66 83 40, Fax (02 21) 97 66 83 44, www.betrifft-gesetze.de

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