BT-Drucksache 18/4365

Ziel und Ausgestaltung der solidarischen Lebensleistungsrente

Vom 18. März 2015


Deutscher Bundestag Drucksache 18/4365
18. Wahlperiode 18.03.2015
Kleine Anfrage
der Abgeordneten Markus Kurth, Dr. Wolfgang Strengmann-Kuhn, Brigitte
Pothmer, Corinna Rüffer, Beate Müller-Gemmeke, Dr. Thomas Gambke, Anja
Hajduk, Dr. Tobias Lindner und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN

Ziel und Ausgestaltung der solidarischen Lebensleistungsrente

Im Koalitionsvertrag zwischen CDU, CSU und SPD ist eine solidarische Le-
bensleistungsrente vereinbart, die Altersarmut verhindern und Lebensleistung
würdigen soll. Die Einführung wird nach Angaben der Bundesregierung aber
nur dann erfolgen, wenn ausreichend finanzielle Spielräume vorhanden sind
(Antwort des Bundesministeriums für Arbeit und Soziales auf die Schriftliche
Frage 26 des Abgeordneten Markus Kurth auf Bundestagsdrucksache 18/2145).
Restriktive Anspruchsvoraussetzungen wie etwa eine zusätzliche Altersvor-
sorge, ein hoher Verwaltungsaufwand durch mehrstufige Prüfungen und nicht
zuletzt die mutmaßlich geringe Höhe der Leistung würden außerdem dazu füh-
ren, dass bei nur sehr wenigen Rentnerinnen und Rentnern der Bezug von
Grundsicherung im Alter vermieden werden kann. Als ein Instrument der Ver-
hinderung von Altersarmut müsste sich die solidarische Lebensleistungsrente
zudem daran messen lassen, inwiefern es ihr gelingt, das Risiko von Einkom-
mensarmut zu minimieren.

Wir fragen die Bundesregierung:
1. Wann wird die Bundesregierung entscheiden, ob die finanziellen Spielräume

für die Einführung einer solidarischen Lebensleistungsrente vorhanden sind?
2. Welche Ziele verfolgt die solidarische Lebensleistungsrente, und wie würde

die Bundesregierung die Ziele „Vermeidung von Grundsicherungsbezug“,
„Vermeidung von relativer Einkommensarmut“ und „Würdigung von Le-
bensleistung“ bezogen auf diese Leistung gewichten?

3. Wie viele Beitragsjahre (wobei auch bis zu fünf Jahre Anrechnungszeiten
aufgrund von Arbeitslosigkeit als Beitragsjahre gelten sollen) müssen Neu-
rentnerinnen und -rentner nachweisen, um die geplante solidarische Lebens-
leistungsrente in Anspruch nehmen zu können, und wie viele Versicherungs-
jahre aus zusätzlicher Altersvorsorge sind als Zugangsvoraussetzung vorge-
sehen?

4. Sollen bei der geplanten „Einkommensprüfung“ die Zeiten mit unterdurch-
schnittlichem Entgelt wie bei der „Rente nach Mindestentgeltpunkten“ nach
§ 262 des Sechsten Buches Sozialgesetzbuch (SGB VI) ermittelt und aufge-
wertet werden?
Wenn nein, welche Alternativen wären nach Ansicht der Bundesregierung
denkbar?

Drucksache 18/4365 – 2 – Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode
5. Ist ausgeschlossen, dass Renten nach einer erfolgten Aufwertung auch eine
Höhe von mehr als 30 Entgeltpunkten erreichen können, oder würde die
Aufwertung bei maximal 30 Entgeltpunkten „gekappt“ werden?

6. Wie viele Versicherte mit 35 Beitragsjahren (wobei auch bis zu fünf Jahre
Anrechnungszeiten aufgrund von Arbeitslosigkeit als Beitragsjahre gelten
sollen)
a) hätten nach heutigem Stand einen Anspruch auf eine Aufwertung und
b) würden eine Rente in Höhe von mindestens rund 30 Entgeltpunkten er-

reichen, wenn jeweils Zeiten mit unterdurchschnittlichem Entgelt wie
bei der „Rente nach Mindesteinkommen“ ermittelt und aufgewertet wür-
den?

7. Soll bei der geplanten „Bedürftigkeitsprüfung“ dieselbe Regelung zur Ein-
kommens- und Vermögensanrechnung zur Anwendung kommen wie bei der
Grundsicherung im Alter, und wer genau soll die „Bedürftigkeitsprüfung“
vornehmen?
Wenn nein, welche Alternativen wären nach Ansicht der Bundesregierung
denkbar?

8. Kann die Bundesregierung versichern, dass es die solidarische Lebensleis-
tungsrente nur mit beiden Prüfverfahren der Aufwertung (nach „Einkom-
mensprüfung“) und des Zuschlags (nach „Bedürftigkeitsprüfung“) geben
wird, oder ist es auch möglich, dass auf den Zuschlag komplett verzichtet
wird?

9. Warum werden bei der zum 1. Juli 2014 eingeführten abschlagsfreien Rente
ab 63 Jahren Zeiten, in denen Arbeitslosengeld I oder Teilarbeitslosengeld
oder Leistungen der beruflichen Weiterbildung bezogen wurden, mit Aus-
nahme der letzten zwei Jahre vor Rentenbeginn, unbegrenzt berücksichtigt,
während bei der solidarischen Lebensleistungsrente dem Koalitionsvertrag
zufolge nur maximal fünf Jahre Arbeitslosigkeit wie Beitragsjahre behan-
delt werden?

10. Kann die Bundesregierung ausschließen, dass, anders als bei der abschlags-
freien Rente ab 63 Jahren, bei der solidarischen Lebensleistungsrente Zeiten
der Dauer- und Langzeitarbeitslosigkeit (Bezug von Arbeitslosen-
geld II oder Arbeitslosenhilfe) berücksichtigt werden?

11. Gibt es Überlegungen seitens der Bundesregierung analog zur Regelung der
abschlagsfreien Rente ab 63 Jahren auch bei der solidarischen Lebensleis-
tungsrente Zeiten des Arbeitslosengeldbezugs in den letzten zwei Jahren vor
der solidarischen Lebensleistungsrente nicht mitzuzählen (so genannte rol-
lierende Stichtagsregelung), und wenn nein, warum nicht?

12. a) Wie viele Rentnerinnen und Rentner im Rentenzugang des Jahres 2014
erhalten derzeit eine Monatsrente mit weniger als 860 Euro in West-
deutschland bzw. 792 Euro in Ostdeutschland, obwohl sie über 35 Bei-
tragsjahre (wobei auch bis zu fünf Jahre Anrechnungszeiten aufgrund
von Arbeitslosigkeit als Beitragsjahre gelten sollen) in der gesetzlichen
Rentenversicherung verfügen?

b) Wie hat sich eine Nettorente aus 30 Entgeltpunkten seit dem Jahr 2005
entwickelt (bitte nach Ost- und Westdeutschland getrennt ausweisen)?

c) Kann die Bundesregierung ausschließen, dass mit der zusätzlichen Al-
tersvorsorge als Zugangsvoraussetzung für die solidarische Lebensleis-
tungsrente ab dem Jahr 2023 sowohl die betriebliche als auch die geför-
derte und ungeförderte private Altersvorsorge gemeint ist?

Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 3 – Drucksache 18/4365
13. a) Wie hoch ist der durchschnittliche Grundsicherungsbedarf im Alter (bitte
nach Ost- und Westdeutschland getrennt ausweisen)?

b) Wie hat sich der durchschnittliche Grundsicherungsbedarf im Alter seit
dem Jahr 2005 entwickelt (bitte nach Ost- und Westdeutschland getrennt
ausweisen)?

c) Wie verteilen sich die laufenden monatlichen Bruttobedarfe der Grund-
sicherung im Alter über die Kategorien „bis 600 Euro“, „600 Euro bis
800 Euro“, „800 Euro bis 1 000 Euro“, „1 000 Euro bis 1 250 Euro“ und
„ab 1 250 Euro“?

d) Wie viele Bezieherinnen und Bezieher von Grundsicherung im Alter er-
halten zusätzliche monatliche Leistungen etwa aufgrund von atypischen
laufenden (wiederkehrenden) Bedarfen, für kostenaufwendige Ernäh-
rung oder für dezentral zubereitetes Warmwasser, und wie hoch ist der
durchschnittliche Geldbetrag unter all denjenigen, die einen Mehrbe-
darfszuschlag erhalten?

e) Wie viele Bezieherinnen und Bezieher von Leistungen der Grundsiche-
rung im Alter haben Anspruch auf eine Grundsicherungsleistung, die hö-
her ist als eine Rente auf Basis von 30 Entgeltpunkten nach Abzug des
Eigenanteils an Beiträgen zur Kranken- und Pflegeversicherung?

14. Wie hoch liegt aktuell die Armutsrisikoschwelle (bitte nach EVS – Einkom-
mens- und Verbrauchsstichprobe –, EU-SILC – European Union Statistics
on Income and Living Conditions –, Mikrozensus und SOEP – Sozio-oeko-
nomisches Panel – getrennt ausweisen)?

15. a) Wie hoch müsste nach Ansicht der Bundesregierung der Netto-Zahlbe-
trag einer solidarischen Lebensleistungsrente sein, um Grundsicherungs-
bedürftigkeit der Betroffenen zu verhindern?

b) Wie kann nach Ansicht der Bundesregierung verhindert werden, dass der
Zahlbetrag der Grundsicherung im Alter aufgrund seiner Anpassung, die
abhängig von der Entwicklung der Verbrauchsausgaben und Nettolöhne
und -gehälter ist, mittelfristig immer häufiger eine Nettorente auf Basis
von 30 Entgeltpunkten, die „nur“ gemäß der Rentenanpassungsformel
angepasst wird, übersteigen wird?

c) Wie viele Bezieherinnen und Bezieher von Grundsicherung im Alter
würden bei Einführung der solidarischen Lebensleistungsrente im Jahr
2017 bzw. 2018 ihren Anspruch auf Grundsicherungsleistungen verlie-
ren, wenn die im aktuellen Finanzplan des Bundes bereitgestellten Ein-
sparungen bei der Grundsicherung im Alter in Höhe von 22 Mio. Euro
bzw. 49 Mio. Euro voll ausgeschöpft würden?

16. Wie hoch müsste nach Ansicht der Bundesregierung der Zahlbetrag einer
solidarischen Lebensleistungsrente sein, um relative Einkommensarmut der
Betroffenen zu verhindern (bitte nach EVS, EU-SILC, Mikrozensus und
SOEP getrennt ausweisen)?

Berlin, den 18. März 2015

Katrin Göring-Eckardt, Dr. Anton Hofreiter und Fraktion
anzeiger Verlag GmbH, Postfach 10 05 34, 50445 Köln, Telefon (02 21) 97 66 83 40, Fax (02 21) 97 66 83 44, www.betrifft-gesetze.de

x

Schnellsuche

Suchen Sie z.B.: "13 BGB" oder "I ZR 228/19". Die Suche ist auf schnelles Navigieren optimiert. Erstes Ergebnis mit Enter aufrufen.
Für die Volltextsuche in Urteilen klicken Sie bitte hier.