BT-Drucksache 18/4214

Informationsrechte der Verbraucherinnen und Verbraucher stärken - Hygiene-Smiley für Lebensmittelbetriebe bundesweit ermöglichen

Vom 4. März 2015


Deutscher Bundestag Drucksache 18/4214
18. Wahlperiode 04.03.2015
Antrag
der Abgeordneten Karin Binder, Caren Lay, Dr. Dietmar Bartsch, Herbert
Behrens, Heidrun Bluhm, Eva Bulling-Schröter, Roland Claus, Kerstin Kassner,
Sabine Leidig, Ralph Lenkert, Michael Leutert, Dr. Gesine Lötzsch, Thomas
Lutze, Dr. Kirsten Tackmann, Hubertus Zdebel und der Fraktion DIE LINKE.

Informationsrechte der Verbraucherinnen und Verbraucher stärken –
Hygiene-Smiley für Lebensmittelbetriebe bundesweit ermöglichen

Der Bundestag wolle beschließen:

I. Der Deutsche Bundestag stellt fest:

Das Lebensmittel- und Futtermittelgesetzbuch (LFGB) und das Verbraucherinfor-
mationsgesetz (VIG) bieten bisher keine verlässlichen Rechtsgrundlagen um ange-
messene Verbraucherinformationen zur Verfügung zu stellen. Behörden, die Ver-
braucherinnen und Verbraucher umfassend und offen informieren wollen, gibt der
bundesgesetzliche Rahmen keinen ausreichenden Spielraum.

Der durch die Verbraucherorganisation Foodwatch 2013 durchgeführte „VIG-Pra-
xistest“ in den drei größten deutschen Bundesländern Nordrhein-Westfalen, Bayern
und Niedersachsen fiel ernüchternd aus: Nur fünf von 54 gestellten Anträgen auf
Auskunft wurden vollständig, kostenfrei und fristgerecht beantwortet. Oft wurden
Daten verweigert oder hohe Gebühren verlangt. Die verbraucherfreundliche bewer-
tende Veröffentlichung von Ergebnissen der amtlichen Lebensmittelkontrollen im
Internet mittels „Hygiene-Smiley“ in den Berliner Stadtbezirken Pankow und Lich-
tenberg wurde gerichtlich wegen fehlender Rechtsgrundlage gestoppt (vgl. Oberver-
waltungsgericht Berlin-Brandenburg vom 28. Mai 2014, Az. OVG 5 S.21.14). Dar-
über hinaus haben Gerichte bundesweit die derzeitige gesetzliche Ausgestaltung der
Veröffentlichung von Rechtsverstößen und Grenzwertüberschreitungen im Lebens-
mittelbereich durch die Behörden nach § 40 Absatz 1a LFGB bemängelt. Ferner um-
fasst das VIG bis heute wichtige Verbraucherbereiche, wie Finanz- oder Gesund-
heitsdienstleistungen nicht. Verbraucherinnen und Verbrauchern ist durch die der-
zeitige Rechtspraxis häufig der Zugang zu wichtigen Informationen versperrt.

Sowohl bei der Einführung des VIG im Jahr 2007 als auch bei den späteren Überar-
beitungen von VIG und LFGB haben Verbraucherorganisationen und die Fraktion
DIE LINKE. auf die Mängel hingewiesen, die heute in der praktischen Anwendung
zu Tage treten, und Änderungsvorschläge unterbreitet (Bundestagsdrucksachen
16/5975, 16/12847, 17/1576, 17/3434 und 17/8023). Auch der Bundesrat hat zu
Recht mehrfach von der Bundesregierung Änderungen im VIG und LFGB gefordert
(Bundesratsbeschlüsse 789/12 (B) und 151/13 (B)). Die Vorschläge zur Stärkung der
Verbraucherrechte fanden jedoch keine Beachtung seitens der Bundesregierung.
Eine weitere Evaluation des VIG lehnte die Bundesregierung in der 18. Wahrperiode

Drucksache 18/4214 – 2 – Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode
ab (vgl. Antwort auf die Kleine Anfrage der Fraktion DIE LINKE. auf Bundestags-
drucksache 18/2691). Die Verbraucherschutzministerkonferenz (VSMK) hat nun-
mehr am 15. Mai 2014 die Bundesregierung letztmalig aufgefordert, zeitnah einen
Entwurf zur Überarbeitung des § 40 Absatz 1a LFGB vorzulegen, um „den Ländern
einen rechtssicheren Vollzug zu ermöglichen“. Eine Entscheidung des Bundesver-
fassungsgerichts zur Auslegung des Gesetzes darf nicht abgewartet werden. Behör-
den und Verbraucherinnen und Verbraucher brauchen jetzt und nicht erst in ein paar
Jahren klare Regeln und transparente Informationen.

Notwendig ist eine demokratische Informationskultur statt amtlicher Geheimniskrä-
merei. Das VIG und das LFGB müssen für den umfassenden Informationsanspruch
der Verbraucherinnen und Verbraucher weiterentwickelt werden. Den Ämtern muss
die Möglichkeit gegeben werden, der Öffentlichkeit jederzeit unaufgefordert und
vollständig über die Ergebnisse der Lebensmittekontrollen in den Betrieben Aus-
kunft zu geben. Der „Hygiene-Smiley“ informiert mittels der grafischen Darstellung
eines mehr oder weniger freundlichen Gesichtsausdrucks auf einen Blick und nach-
vollziehbar über die aktuellen Hygienebedingungen in einem Lebensmittelbetrieb.
Das dient der Gesundheitsvorsorge und fördert vor allem die Hygiene in Betrieben,
die Lebensmittel verarbeiten und anbieten.

II. Der Deutsche Bundestag fordert die Bundesregierung auf,

umgehend eine Gesetzesvorlage zur Änderung des VIG und LFGB einzubringen,
die

1. eine sichere Rechtsgrundlage für die bundesweit einheitliche Einführung des
„Hygiene-Smileys“ oder eines vergleichbaren Symbols zur Kennzeichnung ak-
tueller Kontrollergebnisse der amtlichen Lebensmittelüberwachung in den Be-
trieben schafft und auch folgende Eckpunkte enthält:
Die amtliche Lebensmittelüberwachung in den Bundesländern soll nach

bundesweit einheitlichen Qualitätsstandards erfolgen. Dafür wird ein bun-
desweiter Schlüssel für die Anzahl der Stellen von Lebensmittelkontrolleu-
ren in den jeweiligen Bundesländern verbindlich vereinbart. Die Einhaltung
wird durch unabhängige Auditoren überprüft;

bei Beanstandungen durch die amtlichen Lebensmittelkontrolleure wird
eine Wiederholungskontrolle innerhalb von 14 Tagen gewährleistet.

2. den Ländern einen rechtssicheren Vollzug von § 40 Absatz 1a LFGB ermög-
licht.

3. Paragraph 40 Absatz 1 und Absatz 1a LFGB wie folgt ändert:
die Behörden sind zu verpflichten, bei Risiken für die menschliche Gesund-

heit, beim Inverkehrbringen von ekelerregenden Lebensmitteln (so genann-
tes Gammelfleisch) oder bei erheblichen Verbrauchertäuschungen, stets
auch den Namen des Herstellers und Verkäufer des Lebensmittels gemäß
§ 40 Absatz 1 zu veröffentlichen;

es werden alle behördlichen und betrieblichen Untersuchungsergebnisse im
Anwendungsbereich des LFGB ohne Beschränkung auf Grenzwert- oder
Höchstmengenüberschreitungen veröffentlicht;

Warnmeldungen der europäischen Schnellwarnsysteme müssen zu einer un-
verzüglichen aktiven Information der Öffentlichkeit durch die deutschen
Behörden führen;

die gesetzlichen Bedingungen, die eine vollständige und offene Verbrau-
cherinformation durch Behörden bei Verstößen gegen Vorschriften des Le-
bensmittel- und Futtermittelrechts behindern, sind zu streichen. Das betrifft

Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 3 – Drucksache 18/4214

insbesondere die Voraussetzung, dass zwingend ein konkret betroffenes Le-
bensmittel zu nennen ist, zwei unabhängige Probenuntersuchungen durch-
zuführen sind und ein Bußgeld von mindestens 350 Euro zu erwarten sein
muss.

4. das Verbraucherinformationsgesetz wie folgt ändert:
das Gesetz ist zu einem umfassenden Recht auf Information zu allen ver-

braucherrelevanten Fragen weiterzuentwickeln. Dafür muss die Anwen-
dung des Gesetzes auf alle Produkte, Erzeugnisse und Dienstleistungen ins-
besondere auf die Finanzdienstleistungen ausgeweitert werden. In diesem
Kontext ist ein grundsätzliches Auskunftsrecht gegenüber der Finanzauf-
sicht einzuführen;

der Anwendungsbereich des Gesetzes wird ergänzt um den Zweck, ein In-
formationsgleichgewicht zwischen Verbraucherinnen und Verbrauchern ei-
nerseits und der Wirtschaft andererseits zu schaffen;

die proaktive Information durch Behörden muss zur Regel werden. Behör-
den werden verpflichtet, die Öffentlichkeit eigeninitiativ, kontinuierlich, für
alle Verbraucherinnen und Verbraucher zugänglich und verständlich nach
den neusten Erkenntnissen der Verbraucherinformationsforschung zu infor-
mieren;

die Abwägung zwischen Verbraucherinteressen und Geheimhaltungsinte-
ressen der Unternehmen ist zugunsten des Verbraucherschutzes zu regeln.
Ferner sind Betriebs- und Geschäftsgeheimnisse, die eine Information der
Öffentlichkeit behindern, eng zu definieren und für diese ist eine Begrün-
dungspflicht durch die Unternehmen zu regeln;

es ist ein direkter Auskunftsanspruch von Verbraucherinnen und Verbrau-
chern gegenüber privaten Unternehmen aufzunehmen. Dazu zählen auch In-
formationspflichten über die ökologischen und sozialen Standards ihrer Ar-
beits- und Produktionsbedingungen;

der Zugang zu Informationen muss für Verbraucherinnen und Verbraucher
generell kostenfrei sein;

die Bundesbeauftragte für den Datenschutz und die Informationsfreiheit
(BfDI) soll für die Einhaltung der Verbraucherinformationsrechte zuständig
sein und diese kontrollieren.

Berlin, den 3. März 2015

Dr. Gregor Gysi und Fraktion

anzeiger Verlag GmbH, Postfach 10 05 34, 50445 Köln, Telefon (02 21) 97 66 83 40, Fax (02 21) 97 66 83 44, www.betrifft-gesetze.de

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