BT-Drucksache 18/4029

Menschenrechtsverletzungen in der Fischereiindustrie Südostasiens

Vom 13. Februar 2015


Deutscher Bundestag Drucksache 18/4029
18. Wahlperiode 13.02.2015
Kleine Anfrage
der Abgeordneten Uwe Kekeritz, Claudia Roth (Augsburg), Tom Koenigs,
Peter Meiwald, Nicole Maisch, Steffi Lemke, Annalena Baerbock, Marieluise Beck
(Bremen), Dr. Franziska Brantner, Agnieszka Brugger, Matthias Gastel, Dr. Tobias
Lindner, Omid Nouripour, Cem Özdemir, Manuel Sarrazin, Dr. Frithjof Schmidt,
Jürgen Trittin, Doris Wagner und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN

Menschenrechtsverletzungen in der Fischereiindustrie Südostasiens

Die systematische Ausbeutung von Arbeiterinnen und Arbeitern ist ein weit ver-
breitetes Problem in der thailändischen Fischereiindustrie. Insbesondere Men-
schenschmuggel und Kinderarbeit sind an der Tagesordnung. Nicht selten wer-
den Arbeiterinnen und Arbeiter aus Kambodscha und Myanmar zur Zwangs-
arbeit unter sklavenähnlichen Bedingungen gezwungen. Seit der Herabstufung
Thailands auf die schlechteste Stufe des „US Department of State Trafficking in
Persons (TIP) Report“ wurde dies regelmäßig in Berichten thailändischer und
internationaler Medien hervorgehoben. Seit dem Jahr 2012 hat die britische
Organisation Environmental Justice Foundation verschiedene Berichte vorge-
legt, die Fälle von Sklaverei, Menschenhandel und Zwangsarbeit in der thai-
ländischen Fischereiindustrie aufzeigen. Die unregulierte Fischerei, kurz „IUU“
(illegal, unreported and unregulated), wurde so vermehrt Gegenstand des öffent-
lichen Interesses. Auch eine Reihe deutscher Medien berichtete über thailändi-
sche Fischereierzeugnisse, die unter zweifelhaften Bedingungen produziert und
anschließend in Supermärkten in Deutschland verkauft wurden. Thailand produ-
ziert rund 4,2 Millionen Tonnen Fischereierzeugnisse, 90 Prozent davon sind für
den Export bestimmt. Dadurch ist Thailand auch einer der wichtigsten zehn Pro-
duzenten für Fischereierzeugnisse für den deutschen Markt.
Die Fälle von Menschen- und Arbeitsrechtsverletzungen in der thailändischen
Fischereiindustrie sowie die hohen Exportvolumina von Fischereierzeugnissen
aus Thailand nach Deutschland setzen Konsumentinnen und Konsumenten der
Gefahr aus, Produkte aus zweifelhaften Produktionsbedingungen zu kaufen. Der
Import von Fischereierzeugnissen mit unklaren Produktionsbedingungen führt
darüber hinaus zu Wettbewerbsnachteilen für deutsche Fischereiunternehmen,
Fischerinnen und Fischer und Händlerinnen und Händler im Fischereisektor.

Wir fragen die Bundesregierung:
1. Welche Informationen hat die Bundesregierung über Menschenrechtsverlet-

zungen in der thailändischen Fischereiindustrie?
2. Welche Kenntnisse hat die Bundesregierung über die Art der Menschen-

rechtsverletzungen in der thailändischen Fischereiindustrie?
3. Zu welchen internationalen Initiativen zur Bekämpfung der IUU trägt die

Bundesrepublik Deutschland bei?

Drucksache 18/4029 – 2 – Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode
4. Welche internationalen Maßnahmen gegen die Überfischung im Golf von
Thailand und in der Andamanensee unterstützt die Bundesregierung?

5. Welche Meeresschutzprojekte im Golf von Thailand und Andamanensee
unterstützt die Bundesregierung, und welche finanziellen Mittel werden
dafür zur Verfügung gestellt?

6. Welche eigenen Initiativen plant die Bundesregierung zur internationalen
Bekämpfung der IUU, und in welchem Umfang stellt die Bundesregierung
finanzielle Mittel zur Verfügung?

7. Wie steht nach Kenntnis der Bundesregierung die Europäische Kommission
zur IUU, und welche konkreten Maßnahmen gedenkt die Europäische
Kommission nach Kenntnis der Bundesregierung diesbezüglich einzuleiten?

8. Wie kooperiert die Bundesregierung bei der Bekämpfung von Menschen-
rechtsverletzungen in der internationalen Fischereiindustrie mit der Euro-
päischen Kommission sowie den Flaggenstaaten und Küstenstaaten?
Auf welche Kommunikationsmöglichkeiten kann die Bundesregierung da-
bei zurückgreifen?

9. Wie schätzt die Bundesregierung den Zusammenhang zwischen IUU, Men-
schenrechtsverletzungen, schlechten Arbeitsbedingungen und maritimer
Sicherheit ein?

10. Welche konkreten Schritte unternimmt die Bundesregierung, um das Wohl
der thailändischen Arbeiterinnen und Arbeiter sicherzustellen, die an der
Fischerei und an der Herstellung von Fischereiprodukten für den deutschen
Markt beteiligt sind?
Und welche internationalen Bemühungen unterstützt die Bundesregierung
diesbezüglich?

11. Welche Konsequenzen zieht die Bundesregierung aus dem Plan der thailän-
dischen Regierung, Strafgefangene in der Fischereiindustrie einzusetzen,
um dem Arbeiterinnenmangel und Arbeitermangel im Fischereisektor zu
begegnen (www.jungewelt.de vom 20. Januar 2015 „Sklaverei an Bord“)?

12. Welche konkreten Schritte unternimmt die Bundesregierung, um deutsche
Konsumentinnen und Konsumenten vor Fisch und Fischereiprodukten zu
schützen, die unter sklavenähnlichen Bedingungen gefischt bzw. hergestellt
wurden?

13. Welche der zahlreichen etablierten Siegel zur Zertifizierung von Fischerei-
produkten berücksichtigen nach Auffassung der Bundesregierung die Ar-
beitsstandards und soziale Situation der Arbeiterinnen und Arbeiter in der
globalen Fischereiindustrie in ausreichendem Maße?
Warum hält die Bundesregierung diese Siegel für besonders geeignet?

14. Welche Rolle soll nach Ansicht der Bundesregierung der private Sektor,
einschließlich Importeurinnen und Importeuren sowie Händlerinnen und
Händlern einnehmen, um Konsumentinnen und Konsumenten davor zu
schützen, Fisch, der unter sklavenähnlichen Bedingungen gefangen und
bzw. oder weitererarbeitet wurde, zu konsumieren, und wie kann die Bun-
desregierung diese Bemühungen unterstützen?

15. Welche Maßnahmen hat die Bundesregierung bereits unternommen und
welche Maßnahmen plant die Bundesregierung gegenüber der Regierung
Thailands, um zu signalisieren, dass sofortiges Handeln erforderlich ist, um
Arbeitsausbeutung in der Fischereiindustrie zu beseitigen?

Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 3 – Drucksache 18/4029
16. Welche Maßnahmen hat die Bundesregierung ergriffen und welche Maß-
nahmen plant die Bundesregierung zu ergreifen, um bei Importen von Fisch
und Fischereiprodukten aus Thailand eine vollständige Rückverfolgbarkeit
garantieren zu können?

17. Welche gesetzlichen Verpflichtungen haben deutsche Unternehmen bei der
Berichterstattung sozialer Bedingungen innerhalb ihrer Lieferketten?

18. Spricht sich die Bundesregierung für strengere Maßnahmen für deutsche
Unternehmen bei der Berichterstattung zu sozialen Aspekten – insbeson-
dere Sklaverei – innerhalb ihrer Lieferketten aus?

19. Werden die Menschenrechtsverletzungen in der Fischereiindustrie bei der
Erarbeitung des Nationalen Aktionsplans für Wirtschaft und Menschen-
rechte berücksichtigt?

20. Plant die Bundesregierung Gesetzesinitiativen, um die Arbeitsbedingungen
und Transparenz in der Lieferkette der Fischereiindustrie zu verbessern?

21. Wird sich die Bundesregierung für die Aufnahme eines Kapitels zu Men-
schenrechten und sozialen Aspekten im Zuge der Verhandlungen um ein
EU-thailändisches Freihandelsabkommen einsetzen?

22. Im Falle, dass Thailand von der Europäischen Kommission der Status eines
nicht kooperierenden Drittstaates gemäß Verordnung (EU) Nr. 1005/2008
ausgesprochen wird, was würde dies für die Handelsbeziehungen Deutsch-
lands mit Thailand und für die Verhandlungen der EU mit Thailand über ein
Freihandelsabkommen bedeuten?

23. Plant die Bundesregierung in den nächsten Jahren die Ratifizierung der ILO
„Work in Fishing“ Konvention C188 (ILO – Internationale Arbeitsorgani-
sation), wie im Sozialbericht 2009 angekündigt?

Berlin, den 13. Februar 2015

Katrin Göring-Eckardt, Dr. Anton Hofreiter und Fraktion
anzeiger Verlag GmbH, Postfach 10 05 34, 50445 Köln, Telefon (02 21) 97 66 83 40, Fax (02 21) 97 66 83 44, www.betrifft-gesetze.de

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