BT-Drucksache 18/3943

Konzept und Umsetzung der schnellen NATO-Eingreiftruppe Very High Readiness Joint Task Force

Vom 4. Februar 2015


Deutscher Bundestag Drucksache 18/3943
18. Wahlperiode 04.02.2015
Kleine Anfrage
der Abgeordneten Jürgen Trittin, Dr. Frithjof Schmidt, Agnieszka Brugger,
Omid Nouripour, Claudia Roth (Augsburg), Annalena Baerbock, Marieluise
Beck (Bremen), Dr. Franziska Brantner, Uwe Kekeritz, Tom Koenigs, Dr. Tobias
Lindner, Cem Özdemir, Manuel Sarrazin, Doris Wagner und der Fraktion
BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN

Konzept und Umsetzung der schnellen NATO-Eingreiftruppe Very High Readiness
Joint Task Force

Auf dem NATO-Gipfel in Wales am 4. und 5. September 2014 einigten sich die
NATO-Mitgliedstaaten als Reaktion auf die Situation in der Ukraine auf einen
Readiness Action Plan. Teil des Aktionsplans ist die Steigerung der Reaktions-
schnelligkeit der NATO-Reaktionskräfte (NRF). Eine streitkräftegemeinsame
NRF-Einheit soll in höchster Bereitschaft (Very High Readiness Joint Task
Force – VJTF) aufgestellt werden. Dieser neue Verband der NATO soll in der
Lage sein, innerhalb weniger Tage verlegt zu werden, um auf sicherheits-
politische Herausforderungen zu reagieren. Die NATO nimmt für sich selbst in
Anspruch, auf die Verletzung völkerrechtlicher Normen wie der NATO-
Russland-Grundakte durch Russland eine Antwort zu geben, ohne selber diese
Grundakte in Frage zu stellen.
Am 5. Februar 2015 werden die NATO-Verteidigungsminister in Brüssel das
Konzept der VJTF beschließen. Viele Fragen zur Struktur, Ausrichtung und
Aufgabe des Verbandes sind noch offen, insbesondere was die Entscheidungs-
hoheit, die Befehlskette, die Verwendung der Truppen, vor allem aber die Wah-
rung der Parlamentsbeteiligungsrechte bei der Entsendung bewaffneter Streit-
kräfte angeht. Angesichts der Planung, die Marschbereitschaft von Teilen der
einzusetzenden Soldatinnen und Soldaten innerhalb von 48 Stunden zu gewähr-
leisten, ergeben sich außerdem Fragen zur praktischen Umsetzung des VJTF-
Konzepts.

Wir fragen die Bundesregierung:
1. Welche Position wird die Bundesregierung bei dem Treffen der NATO-

Verteidigungsminister und in Bezug auf die VJTF am 5. Februar 2015 ver-
treten?

2. Welche vorbereitenden Gespräche über das Konzept der VJTF hat es seitens
der Bundesregierung mit welchen NATO-Partnerstaaten im Vorfeld wann ge-
geben, und mit welchem Inhalt?

Drucksache 18/3943 – 2 – Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode
Welche Erkenntnisse hat die Bundesregierung aus diesen Gesprächen
darüber, welche Mitgliedstaaten der NATO sich als Rahmennationen an der
VJTF mit welchen Fähigkeiten bzw. bei der NATO angemeldeten oder an-
zumeldenden nationalen Verbänden beteiligen und welche Mitgliedstaaten
weitere Fähigkeiten in kleinerem Umfang bereitstellen oder sich im Sinne
des framework nations concept an die Rahmennationen anlehnen sollen
(bitte detailliert nach Mitgliedstaat, Art des geplanten Beitrags – Rahmen-
nation oder anlehnendes Mitglied –, Status der Verbindlichkeit des Beitrags,
bereitzustellenden Fähigkeiten, personellem Umfang aufschlüsseln)?

3. Auf welche Bedrohungen und sicherheitspolitischen Herausforderungen
will die NATO mit der Etablierung der VJTF reagieren?
Welche militärischen Fähigkeiten, welche Strukturen sowie welcher perso-
nelle Umfang werden vor diesem Hintergrund für die VJTF benötigt?

4. Wie soll die schnellere Verlegefähigkeit der VJTF im Vergleich zur NRF
konkret gewährleistet werden, und bis wann soll die VJTF fertig entwickelt
und vollständig einsatzbereit sein?

5. Wer wird den Oberbefehl über die Streitkräfte haben, die im Rahmen der
VJTF eingesetzt werden sollen, und wie wird nach Meinung der Bundes-
regierung eine politische Kontrolle über die Einsatzentscheidung sicher-
gestellt?

6. Welche Rolle wird der Supreme Allied Commander Europe – SACEUR im
Rahmen der VJTF einnehmen, und wie ist die politische Kontrolle durch
den NATO-Rat sichergestellt?

7. Hält die Bundesregierung Konsultationen auf der Ebene des NATO-Rates
vor einer Verlegung der VJTF – auch zur Vorbereitung und Durchführung
von Übungen und Manövern – für geboten?
Wenn nein, warum nicht?

8. Inwiefern bedarf es nach Auffassung der Bundesregierung bereits bei einem
Zusammenziehen militärischer Verbände, beispielsweise im Rahmen der
Vorbereitung einer NATO-Übung oder eines NATO-Manövers unter subs-
tantieller Einbeziehung der VJTF, vorheriger politischer Konsultationen
und Beschlüsse auf der Ebene des NATO-Rates?

9. Wann ist nach Auffassung der Bundesregierung eine Mandatierung des Ein-
satzes von Bundeswehrsoldatinnen und Bundeswehrsoldaten im Rahmen
der NRF bzw. VJTF im Sinne des Gesetzes über die parlamentarische Be-
teiligung bei der Entscheidung über den Einsatz bewaffneter Streitkräfte im
Ausland (Parlamentsbeteiligungsgesetz) geboten,

a) bei der Zusammenziehung von Truppen zu Übungs- und Bereitschafts-
zwecken,

b) bei der Zusammenziehung im Rahmen der 48-Stunden-Frist, weil ein be-
waffneter Einsatz droht?

c) Wie will die Bundesregierung die geltenden gesetzlichen Bestimmungen
und Verfahren zur Mandatierung bewaffneter Streitkräfte im Ausland im
Sinne des Parlamentsbeteiligungsgesetzes sicherstellen, insbesondere vor
dem Hintergrund einer notwendigen Mandatierung des bewaffneten Ein-
satzes von Soldatinnen und Soldaten der Bundeswehr als Teil der VJTF
innerhalb von nicht mehr als 48 Stunden?

10. Wie lautet der genaue Auftrag der VJTF, und für welche Aufgaben sollen
diese Kräfte entlang der Planungen der NATO eingesetzt werden?

Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 3 – Drucksache 18/3943
11. Sollen bestimmte Bedingungen oder Restriktionen für die Verlegung, die
Übungspraxis, den etwaigen Einsatz und alle weiteren Aktivitäten der VJTF
gelten, und wenn ja, welche (bitte detailliert aufschlüsseln)?

12. Welche konkreten Aufgaben wird Deutschland innerhalb der VJTF über-
nehmen?

13. Wie viele Soldatinnen und Soldaten werden von der NRF für die Interims-
VJTF abgestellt?

14. Wie wird nach Kenntnis der Bundesregierung die Befehls- und Entschei-
dungskette zu einem möglichen Einsatz der VJTF organisiert?

15. Wie ist nach Kenntnis der Bundesregierung die Entscheidungskette in der
Standby-Phase für einen möglichen Einsatz der Streitkräfte im Rahmen der
VJTF innerhalb von 48 Stunden organisiert?

16. Ist die Bundeswehr nach Meinung der Bundesregierung in der Lage, erste
Truppenteile im Rahmen der VJTF innerhalb von 48 Stunden in Marsch-
bereitschaft zu versetzen?
a) Wenn ja, welcher Anpassungsbedarf ist damit verbunden (bitte detailliert

darlegen)?
b) Wenn nein, welche Umstrukturierungen und Anpassungen innerhalb der

Bundeswehr sind notwendig, um dies zu gewährleisten, und bis wann
plant die Bundesregierung, dies zu realisieren?

c) Welche finanziellen Kosten veranschlagt die Bundesregierung hierfür?
17. Welche Auswirkungen haben die Planungen zur Etablierung der VJTF für

die Bundeswehr und die Einsatzbereitschaft – auch und insbesondere hin-
sichtlich der Durchhaltefähigkeit jenseits von NATO- bzw. NRF-Operatio-
nen?

18. Wie soll nach Ansicht der Bundesregierung ausgeschlossen werden, dass
durch ein Zusammenziehen militärischer Verbände im Osten des NATO-
Gebietes zur schnelleren Reaktionsfähigkeit der einzusetzenden Streitkräfte
eine dauerhafte Truppenstationierung stattfindet, die nicht im Einklang mit
der NATO-Russland-Grundakte wäre?

19. Wie ist im Zusammenhang mit dem Festhalten der Bundesregierung an der
NATO-Russland-Grundakte, die Schaffung von dauerhaften „NATO Force
Integration Units“ in Estland, Lettland, Litauen, Polen, Rumänien und
Bulgarien zu beurteilen, bei der auch deutsche Soldaten beteiligt sind?

20. Wie schätzt die Bundesregierung das Eskalationspotenzial von etwaigen im
Rahmen der VJTF durchgeführten Manövern an der östlichen Grenze des
NATO-Gebietes für das Verhältnis zwischen der NATO und Russland ein?
Welche Pläne gibt es, einen gegenseitigen Informationsaustausch zwischen
der Russischen Föderation und der NATO über die Stationierung von mili-
tärischen Verbänden samt Großgerät, kurzfristig anberaumten Übungen und
Manövern, der Konzentrierung größerer militärischer Verbände sowie über
die gegenseitigen militärischen Absichten herzustellen?

21. Wird sich das Operationsgebiet der VJTF nach Kenntnis der Bundesregie-
rung auf das östliche NATO-Gebiet im Sinne der kollektiven Selbstverteidi-
gung beschränken, und wann und unter welchen Bedingungen hielte die
Bundesregierung den Einsatz der VJTF auch in anderen Regionen als im
östlichen NATO-Gebiet für geboten?

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22. Werden Staaten außerhalb der NATO über die VJTF und alle damit ver-
bundenen Aktivitäten gesondert in Kenntnis gesetzt?
Wenn ja, welche Staaten werden in welcher Form bzw. innerhalb welcher
Gremien worüber informiert?

23. Welche zusätzlichen Kosten ergeben sich aus der Einrichtung der VJTF?
24. Wann wird das Konzept für die VJTF innerhalb der NATO endgültig ver-

abschiedet, und wird im Vorfeld der Deutsche Bundestag eingebunden?
25. Innerhalb welchen Zeitraums soll die gesamte VJTF verlegbar und voll-

ständig einsetzbar sein?
26. Plant die NATO, sich hierbei auf eigens dafür einzurichtende Depots, Lager

oder Basen mit weiterem Personal sowie militärischer Ausrüstung und
militärischem Gerät abzustützen, um die Verlegefähigkeit und Einsatzbe-
reitschaft zu gewährleisten?
Wenn ja, wo und in welchem Umfang plant die NATO dies?
Wenn nein, warum nicht?

27. Soll die volle Einsatzbereitschaft der VJTF nach wie vor erst ab dem
Jahr 2017 erreicht werden (vgl. Schriftliche Frage 37 der Abgeordneten
Agnieszka Brugger auf Bundestagsdrucksache 18/3711), und wenn ja,
warum?
Wie genau unterscheidet sich die volle Einsatzbereitschaft von der Einsatz-
bereitschaft der Interims-VJTF (bitte detailliert aufschlüsseln)?

28. Welche Durchhaltefähigkeit bei welcher personellen Einsatzstärke soll die
VJTF abbilden können, und inwiefern soll hier auf die übergeordnete Struk-
tur der NRF zurückgegriffen werden?

Berlin, den 3. Februar 2015

Katrin Göring-Eckardt, Dr. Anton Hofreiter und Fraktion

anzeiger Verlag GmbH, Postfach 10 05 34, 50445 Köln, Telefon (02 21) 97 66 83 40, Fax (02 21) 97 66 83 44, www.betrifft-gesetze.de

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