BT-Drucksache 18/3834

Entwurf eines Gesetzes zur Entlassung der Pille danach aus der Verschreibungspflicht und zur Ermöglichung der kostenlosen Abgabe an junge Frauen (Änderung der Arzneimittelverschreibungsverordnung und des Fünften Buches Sozialgesetzbuch - Gesetzliche Krankenversicherung)

Vom 27. Januar 2015


Deutscher Bundestag Drucksache 18/3834
18. Wahlperiode 27.01.2015

Gesetzentwurf
der Abgeordneten Kordula Schulz-Asche, Ulle Schauws, Elisabeth Scharfenberg,
Maria Klein-Schmeink, Dr. Harald Terpe, Dr. Franziska Brantner, Katja Dörner,
Kai Gehring, Tabea Rößner, Doris Wagner, Beate Walter-Rosenheimer, Luise
Amtsberg, Kerstin Andreae, Harald Ebner, Dr. Thomas Gambke, Dieter Janecek,
Markus Kurth, Steffi Lemke, Dr. Tobias Lindner, Nicole Maisch, Irene Mihalic, Beate
Müller-Gemmeke, Brigitte Pothmer, Claudia Roth (Augsburg), Corinna Rüffer,
Dr. Julia Verlinden und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN

Entwurf eines Gesetzes zur Entlassung der Pille danach aus der
Verschreibungspflicht und zur Ermöglichung der kostenlosen Abgabe an
junge Frauen (Änderung der Arzneimittelverschreibungsverordnung und
des Fünften Buches Sozialgesetzbuch – Gesetzliche Krankenversicherung)

A. Problem
Obwohl der beim Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte (BfArM)
angesiedelte Sachverständigenausschuss für Verschreibungspflicht (§ 53 Ab-
satz 2 Arzneimittelgesetz) bereits im Jahre 2003 empfahl, die so genannte „Pille
danach“ mit dem Wirkstoff Levonorgestrel aus der Verschreibungspflicht zu ent-
lassen, hat der Gesundheitsminister noch im vergangenen Jahr diesen Schritt ver-
weigert. Im Gesundheitsausschuss des Deutschen Bundestages wurde die ab-
schließende Beratung von Anträgen, die die Freigabe forderten, mit dem Verweis
auf internen Klärungsbedarf zwischen den Regierungsfraktionen immer wieder
verzögert. Inzwischen hat die EU-Kommission entschieden, die „Pille danach“
mit dem Wirkstoff Ulipristalcetat aus der Verschreibungspflicht zu entlassen. Der
Bundesgesundheitsminister hat daraufhin angekündigt, dies schnellstmöglich in
nationales Recht umzusetzen und – wie von BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN (BT-
Drucksache 18/492) und anderen schon seit vielen Jahren gefordert – nun endlich
auch den national zugelassenen Wirkstoff Levonorgestrel verschreibungsfrei zu
stellen. Allerdings ist aufgrund der bisherigen nicht fachlich begründeten Verzö-
gerungen zu Lasten des Selbstbestimmungsrechts von Frauen in Deutschland das
Vertrauen in das Regierungshandeln gering. Viele Fragen sind zudem trotz der
Dauer des Verfahrens noch ungeklärt, zum Beispiel, wie die qualifizierte Bera-
tung von Frauen in der Apotheke zu erfolgen hat.
Dieser Gesetzentwurf enthält neben der Entlassung beider bisher zur Verfügung
stehenden Wirkstoffe der „Pille danach“ aus der Verschreibungspflicht eine Re-
gelung, die jungen Frauen die Wahlmöglichkeit bietet, diese Notfallverhütungs-
mittel entweder weiterhin nach einer ärztlichen Verordnung kostenlos oder gegen

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eine vergleichsweise geringe Zuzahlung zu erhalten oder aber sie als Selbstzahle-
rinnen ohne Verschreibung direkt in der Apotheke zu erwerben.
Laut § 24a SGB V haben Versicherte Anspruch auf eine ärztliche Beratung zur
Empfängnisverhütung, ärztliche Untersuchungen sowie die Verordnung von emp-
fängnisregelnden Mitteln. Darunter fallen auch verschreibungspflichtige Notfall-
kontrazeptiva. Für Versicherte bis zum vollendeten 20. Lebensjahr werden die
Kosten von ärztlich verordneten empfängnisverhütenden Mitteln von der Kran-
kenkasse übernommen. Nach § 31 Abs. 2 und 3 SGB V fällt für diejenigen, die
das 18. Lebensjahr vollendet haben, eine Zuzahlung an. Durch den generellen
Ausschluss von nicht verschreibungspflichtigen Arzneimitteln (§ 34 Abs. 1 Satz 1
SGB V) gilt diese Regelung nur in Ausnahmefällen für solche Arzneimittel. Somit
würde bei einer ausschließlichen Änderung der Arzneimittelverschreibungsver-
ordnung, für die das Bundesgesundheitsministerium inzwischen einen ersten Ent-
wurf vorgelegt hat, die Erstattung durch die Krankenkasse für junge Frauen bis
zum vollendeten 20. Lebensjahr entfallen.

B. Lösung
Selbstbestimmung und der gesicherte Zugang zur Familienplanung sind wesent-
liche Bereiche der sexuellen und reproduktiven Rechte. Dazu gehört auch der
niedrigschwellige Zugang zum Notfallverhütungsmittel „Pille danach“. Dies er-
möglicht der vorliegende Gesetzentwurf.
Um jungen Frauen eine Wahl zwischen der direkten, von ihnen selbst zu finan-
zierenden Notfallverhütung und einer kostenlosen/günstigen Notfallverhütung
mit ärztlicher Verschreibung zu ermöglichen, soll § 34 SGB V geändert werden.
Diese Regelung verhindert auch, dass beim Markteintritt eines neuen verschrei-
bungspflichtigen Wirkstoffes ein indirekter finanzieller Anreiz entsteht, jungen
Frauen bei einer ärztlichen Verschreibung die verschreibungspflichtige statt der
nicht verschreibungspflichtigen „Pille danach“ zu verordnen. Erst durch eine
Gleichstellung verschreibungs- und nicht verschreibungspflichtiger Notfallkont-
razeptiva bei der Erstattung durch die gesetzlichen Krankenversicherungen wird
eine Verordnung nach ausschließlich medizinischen Gründen sichergestellt.
Es wird eine Regelung analog der sogenannten OTC-Regelung (§ 34 Abs. 1 Satz 2
SGB V) vorgelegt. Damit gilt die vorgesehene Übernahme der Kosten für ausge-
wählte nichtverschreibungspflichtige Arzneimittel durch die Krankenversiche-
rung auch für Notfallkontrazeptiva, die als Therapiestandard gelten.
Um Frauen, die befürchten nach einem Geschlechtsverkehr ungewollt schwanger
werden zu können, eine informierte Entscheidung für oder gegen die „Pille da-
nach“ zu ermöglichen, sind im Internet und für die Beratung in der Apotheke Ent-
scheidungshilfen zur Verfügung zu stellen.

C. Alternativen
Junge Frauen müssen die Kosten der Notfallverhütung zukünftig immer selbst
tragen.

D. Haushaltsausgaben ohne Erfüllungsaufwand
Für Bund, Länder und Kommunen entstehen keine Kosten.
Da die gesetzlichen Krankenkassen bisher die Kosten für Notfallkontrazeptiva
von Frauen bis zum vollendeten 20. Lebensjahr übernehmen, entstehen keine zu-
sätzlichen Kosten. Durch den zukünftigen direkten Zugang zur „Pille danach“ in
Apotheken ist damit zu rechnen, dass weniger junge Frauen die „Pille danach“

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mit ärztlicher Verschreibung erhalten. Daher werden die Kosten der gesetzlichen
Krankenkassen in der Gesamtbetrachtung wahrscheinlich sinken.

E. Erfüllungsaufwand
Es entstehen für pharmazeutische Unternehmer geringfügige Umstellungsauf-
wände (z. B. neues Packungsmaterial) bzw. Umetikettierungs-/Austauschkosten
von als verschreibungspflichtig gekennzeichneten Arzneimittelpackungen.

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Entwurf eines Gesetzes zur Entlassung der Pille danach aus der
Verschreibungspflicht und zur Ermöglichung der kostenlosen Abgabe an
junge Frauen (Änderung der Arzneimittelverschreibungsverordnung und

des Fünften Buches Sozialgesetzbuch – Gesetzliche Krankenversicherung)

Vom …

Der Bundestag hat das folgende Gesetz beschlossen:

Artikel 1

Änderung der Arzneimittelverschreibungsverordnung

Die Anlage 1 der Arzneimittelverschreibungsverordnung vom 21. Dezember 2005 (BGBl. I S. 3632), die
zuletzt durch Artikel 1 der Verordnung vom 19. Dezember 2014 (BGBl. I S. 2371) geändert worden ist, wird wie
folgt geändert:
1. Die Position „Levonorgestrel“ wird wie folgt gefasst:

„Levonorgestrel
– ausgenommen in Zubereitungen zur oralen Anwendung ohne Zusatz weiterer arzneilich wirksamer Be-
standteile in einer Konzentration bis zu 1,5 mg Wirkstoff je abgeteilter Arzneiform und in Packungen mit
einem maximalen Wirkstoffgehalt von 1,5 mg zur Notfallkontrazeption –“.

2. Die Position „Ulipristal und seine Ester“ wird wie folgt gefasst:
„Ulipristal und seine Ester
– ausgenommen das nach Artikel 3 Absatz 1 der Verordnung (EG) Nr. 726/2004 zugelassene Fertigarznei-
mittel ellaOne® zur Notfallkontrazeption –“.

Artikel 2

Änderung des Fünften Buches Sozialgesetzbuch

§ 34 Absatz 1 Satz 2 des Fünften Buches Sozialgesetzbuch – Gesetzliche Krankenversicherung – (Artikel 1
des Gesetzes vom 20. Dezember 1988, BGBl. I S. 2477, 2482), das zuletzt durch Artikel 1 des Gesetzes vom
11. August 2014 (BGBl. I S. 1346) geändert worden ist, wird wie folgt gefasst:
„Der Gemeinsame Bundesausschuss legt in den Richtlinien nach § 92 Abs. 1 Satz 2 Nr. 6 fest, welche nicht
verschreibungspflichtigen Arzneimittel, die bei der Behandlung schwerwiegender Erkrankungen und der Notfall-
kontrazeption als Therapiestandard gelten, zur Anwendung bei diesen Erkrankungen oder zur Empfängnisverhü-
tung mit Begründung vom Vertragsarzt ausnahmsweise verordnet werden können.“

Artikel 3

Inkrafttreten

Dieses Gesetz tritt am Tag nach der Verkündung in Kraft.

Berlin, den 27. Januar 2015

Katrin Göring-Eckardt, Dr. Anton Hofreiter und Fraktion

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Begründung

A. Allgemeiner Teil

Der Sachverständigenausschuss für Verschreibungspflicht (§53 Absatz 2 Arzneimittelgesetz) hat im Januar 2014
wie bereits im Jahr 2003 festgestellt, dass es unter Arzneimittelsicherheitsaspekten keinen Grund gibt, die „Pille
danach“ mit dem Wirkstoff Levonorgestrel in der Verschreibungspflicht zu belassen. Dies deckt sich mit den
Studien der Weltgesundheitsorganisation, Empfehlungen des Europarates sowie den positiven Erfahrungen aus
dem Ausland. In nahezu allen europäischen Ländern ist die „Pille danach“ mit dem Wirkstoff Levonorgestrel
rezeptfrei erhältlich. Dies zeigt, dass es keine sachlichen Gründe gibt, die rezeptfreie Abgabe der „Pille danach“
mit diesem Wirkstoff abzulehnen. Die Anfang 2015 getroffene Entscheidung der EU-Kommission, die „Pille
danach“ mit dem Wirkstoff Ulipristalacetat europaweit aus der Verschreibungspflicht zu entlassen, zwingt
Deutschland nun, dies in nationales Recht umzusetzen.
Junge Frauen müssen die Wahlmöglichkeit erhalten, die „Pille danach“ auch weiterhin kostenfrei (für Frauen bis
zum vollendeten 18. Lebensjahr) oder mit Übernahme der Zuzahlung (für Frauen bis zum vollendeten 20. Le-
bensjahr) zu erhalten. Daher wird eine Regelung analog der sogenannten OTC-Regelung (§ 34 Abs. 1 Satz 2
SGB V) vorgeschlagen, die für ausgewählte nichtverschreibungspflichtige Arzneimittel ausnahmsweise die Er-
stattung durch die Krankenversicherung ermöglicht.
Das Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte (BfArM) kommt (laut Medizinischem Arbeitskreis pro
familia NRW und arznei-telegramm 2013; Jg. 44, Nr. 2) in einer Übersichtsarbeit (2013) zu dem Schluss, dass
eine höhere Wirksamkeit von ellaOne (Wirkstoff Ulipristalazetat) gegenüber PiDaNa (Wirkstoff Levonorgestrel)
nicht belegt ist. Im Gegensatz zu Levonorgestrel gebe es für Ulipristalazetat kaum Sicherheitsdaten aus der An-
wendung in der Praxis. Zudem sei dieser Wirkstoff bei unter 18-Jährigen kaum geprüft. Ulipristalazetat kommt
aus Sicht des BfArM daher erst am Tag 4 oder 5 nach einem ungeschützten Geschlechtsverkehr in Betracht. Wie
der Antwort der Bundesregierung auf eine Kleine Anfrage (Drs. 18/3690, Antwort zu Frage 14) zu entnehmen ist,
reichen „nach Ansicht des BfArM (…) die vorliegenden Daten zur Teratogenität insgesamt nicht aus, um hieraus
klare Schlussfolgerungen für die Sicherheit der Anwendung beim Menschen ziehen zu können. Auch im Hinblick
auf eine Beurteilung der möglichen abortiven Wirkung sind die Daten sehr begrenzt. Aufgrund seines Wirkme-
chanismus und aufgrund von Tierversuchen könnte ellaOne® theoretisch in vielfach höherer als der zur Notfall-
kontrazeption bestimmungsgemäß eingesetzten Dosis auch abtreibend wirken. Da insofern aufgrund unzureichen-
der Daten eine teratogene bzw. abortive Wirkung nicht völlig ausgeschlossen werden kann, hatte Deutschland
sich im Ausschuss für Humanarzneimittel gegen eine Entlassung aus der Verschreibungspflicht ausgesprochen.“
Laut Apothekenbetriebsordnung sind Apothekerinnen und Apotheker zur Beratung verpflichtet. Diese muss von
Kundinnen und Kunden jedoch nicht angenommen werden bzw. kann von diesen abgelehnt werden. Für öffentli-
che Apotheken besteht mit einer Ausnahme (§17 Abs. 8 ApBetrO einem erkennbaren Arzneimittelmissbrauch
entgegenzutreten) eine Abgabepflicht von Medikamenten. Unter anderem, um eine im konkreten Fall nicht not-
wendige Einnahme der „Pille danach“ möglichst zu vermeiden sowie die Wirkung und Risiken der beiden Wirk-
stoffe (Einschätzung des BfArM zu Ulipristalazetat siehe oben) zu berücksichtigen, ist eine Entscheidungshilfe
zu erstellen, die einerseits Apothekerinnen und Apotheker bei der Beratung unterstützt und andererseits, wenn die
betroffene Frau eine Beratung ablehnt, dieser zur informierten Entscheidungsfindung ausgehändigt werden kann.
Ziel der Beratung in der Apotheke sollte zum einen sein, einen nicht erforderlichen Einsatz der „Pille danach“,
z. B. aus Unsicherheit, zu vermeiden. Zum zweiten sind Informationen und Hinweise auf die Möglichkeiten der
Beratung zum Thema Verhütung (durch Institutionen wie z. B. pro familia bzw. durch Gynäkologinnen und Gy-
näkologen) zu geben. Zum dritten sind für Fälle von Gewalt Hinweise auf Anlaufstellen zur medizinischen Ver-
sorgung, der (anonymen) Beweissicherung und zu den rechtlichen Regelungen einer Anzeige bei der Polizei so-
wie Angebote der psychosozialen Beratung (durch Institutionen wie z. B. Notruf für Frauen, Frauenberatungs-
stellen) zu geben. Diese Hinweise sind in die auszuhändigenden Entscheidungshilfe aufzunehmen, damit sie den
Frauen in jedem Fall als Information zur Verfügung stehen.

Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 7 – Drucksache 18/3834

B. Besonderer Teil

Der Bundestag kann, wenn er ohnehin gerade ein Gesetz ändert, gleichzeitig durch Gesetz Rechtsverordnungen
ändern, die zum gleichen Sachbereich gehören, wenn er für die Materie der Rechtsverordnung die Gesetzgebungs-
kompetenz hat. Im Arzneimittelrecht hat der Bund die Gesetzgebungskompetenz (Art. 74 I Nr. 19 GG), ohne
Zustimmungspflichtigkeit und ohne die Einschränkungen des Art. 72 II GG. Die nach § 48 II AMG bestehende
Zustimmungspflicht für die von den Ministerien erlassene Rechtsverordnung gilt nicht für eine Änderung der
Rechtsverordnung per Gesetz. Der erforderliche Zusammenhang mit einer ohnehin stattfindenden Gesetzesände-
rung im selben Sachbereich (Artikel 2) liegt vor.
anzeiger Verlag GmbH, Postfach 10 05 34, 50445 Köln, Telefon (02 21) 97 66 83 40, Fax (02 21) 97 66 83 44, www.betrifft-gesetze.de

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