BT-Drucksache 18/3816

Gerichtliche Auseinandersetzungen zur Anerkennung von Wehrdienstbeschädigungen infolge des Umgangs mit militärischen Radaranlagen

Vom 23. Januar 2015


Deutscher Bundestag Drucksache 18/3816
18. Wahlperiode 23.01.2015
Kleine Anfrage
der Abgeordneten Doris Wagner, Annalena Baerbock, Marieluise Beck (Bremen),
Dr. Franziska Brantner, Agnieszka Brugger, Uwe Kekeritz, Tom Koenigs,
Dr. Tobias Lindner, Omid Nouripour, Cem Özdemir, Claudia Roth (Augsburg),
Manuel Sarrazin, Dr. Frithjof Schmidt, Jürgen Trittin und der Fraktion
BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN

Gerichtliche Auseinandersetzungen zur Anerkennung von
Wehrdienstbeschädigungen infolge des Umgangs mit militärischen Radaranlagen

Im Juli 2003 hat eine im Jahr 2002 eingesetzte unabhängige Expertenkommis-
sion zur Frage der Gefährdung durch Strahlung in früheren Radareinrichtungen
der Bundeswehr und der NVA (Radarkommission) unter der Leitung des Präsi-
denten des Bundesamts für Strahlenschutz, Wolfram König, ihren Abschluss-
bericht vorgelegt. Darin wurde der Frage nachgegangen, inwiefern Soldaten der
Bundeswehr und der NVA strahlungsbedingten gesundheitlichen Risiken ausge-
setzt waren und möglicherweise geschädigt wurden.
Die Kommission empfahl, unter bestimmten Voraussetzungen von einer gesund-
heitlichen Schädigung der Soldaten auszugehen und diese im vereinfachten Ver-
fahren als Wehrdienstbeschädigung anzuerkennen, da wirkungsvolle Strahlen-
schutzmaßnahmen erst später ergriffen worden waren.
Das Bundesministerium der Verteidigung hatte angekündigt, viele der Empfeh-
lungen der Radarkommission umzusetzen und hat dazu auch eine „Schwer-
punktgruppe Radar“ eingerichtet.
In der Folge wurde eine Reihe von Anerkennungen ausgesprochen, wobei viele
Fälle gleichwohl strittig blieben. Letzteres gilt insbesondere für viele mögliche
Schädigungen, zu denen die Radarkommission keine Empfehlung ausge-
sprochen hatte. Aber auch in anderen Fällen mussten Soldaten den Klageweg
beschreiten, um ihr Anliegen einer Anerkennung als Wehrdienstbeschädigte zu
befördern. In der jüngsten Vergangenheit haben hierbei Gerichte deutlich ge-
macht, dass die Zusammenarbeit mit der Bundeswehrverwaltung zur Beur-
teilung dieser Rechtsfälle nicht durchgängig zufriedenstellend sei.
Gerade ein Urteil des Bayerischen Landessozialgerichts vom 19. November 2014
zeigt hierbei auf, dass gerichtliche Verfahren – auch infolge Personalmangels – in
die Länge gezogen werden und den Eindruck von möglichen Opfern verfestigt,
die Bundeswehr wolle möglichst wenige Anerkennungen aussprechen.

Wir fragen die Bundesregierung:
1. Hat das Bundesamt für das Personalmanagement der Bundeswehr Be-

schwerde gegen das Urteil des Bayerischen Landessozialgerichts Nr. L 15 VS
19/11 S 5 VS 5/08 vom 19. November 2014 eingelegt, und falls ja, aus wel-
chen Gründen?

Drucksache 18/3816 – 2 – Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode
2. Wie viele Fälle sind der Bundesregierung bekannt, in denen Verfahren zur
Anerkennung einer Wehrdienstbeschädigung infolge einer möglichen
Radarschädigung zehn Jahre oder länger dauerten, und wie viele dieser Ver-
fahren sind aktuell noch nicht abgeschlossen?

3. Welche Schlussfolgerungen und Konsequenzen zieht die Bundesregierung
aus solchen langen Verfahrensdauern bei Radarschäden und deren Folgen,
und auf welche Ursachen führt sie sie zurück?

4. Teilt die Bundesregierung die Einschätzung der Wehrbereichsverwaltung
West – Strahlen aus dem Jahr 2009, wonach der Sachverständige Prof. Dr. G.
„seine Kompetenzen als medizinischer Sachverständiger bei weitem über-
schritten“ (vgl. Urteil vom 19. November 2014, S. 6) habe, bzw. die Aussage
des Bundesamts für das Personalmanagement der Bundeswehr aus dem Jahr
2008, Prof. Dr. G. vertrete „sehr spezielle Ansichten“ (vgl. Urteil vom
19. November 2014, S. 23)?
Falls ja, inwiefern?

5. Ist es richtig, dass die „Schwerpunktgruppe Radar“ im Jahr 2010 dem Sach-
verständigen und Mitglied der sog. Radarkommission Prof. Dr. G. „pauschal
jegliche fachliche Eignung abgesprochen“ (vgl. Urteil vom 19. November
2014, Seite 23) habe, und falls ja, teilt die Bundesregierung diese Bewertung
der fachlichen Eignung Prof. Dr. G.?

6. Ist es richtig, dass die „Schwerpunktgruppe Radar“ in den Jahren 2012 und
2013 „offenbar nur mit einem einzigen Fachmann besetzt gewesen war, wo-
bei dieser von der Bundeswehrverwaltung zudem zwischenzeitlich mit einer
Projektgruppe zu Organisationsfragen beauftragt worden war“ (vgl. Urteil
vom 19. November 2014, S. 12)?
Falls nein, wie viele Personen arbeiteten im genannten Zeitraum in der
„Schwerpunktgruppe Radar“?

7. Ist es richtig, dass es zum Vorwärtssichtradar NASARR nur ein einziges
Messprotokoll aus dem Jahr 1974 gibt, und falls nein, welche weiteren
Messprotokolle gibt es?

8. Teilt die Bundesregierung die Auffassung des 15. Senats des Bayerischen
Landessozialgerichts, dass Berechnungen einer Strahlenbelastung im Um-
gang mit dem Vorwärtssichtradar NASARR „völlig unplausibel“, da
„pseudo-genau“ seien (vgl. Urteil vom 19. November 2014, S. 21)?
a) Falls ja, gilt dies auch für andere Radargeräte?
b) Falls nein, aus welchen Gründen teilt die Bundesregierung diese Auffas-

sung nicht?
9. Kann die Bundesregierung die Einschätzung des 15. Senats des Bayerischen

Landessozialgerichts bestätigen, dass das Bundesamt für das Personal-
management der Bundeswehr „gezielt und ausgewählt nur solche Fakten dem
Gericht angegeben hat, die sie dem Begehren des Klägers entgegen halten
kann“ (Urteil vom 19. November 2014, S. 21), und dass es „die einschlä-
gigen Vorgaben des Berichts der Radarkommission falsch darstellt, um be-
rechtigte Ansprüche des Klägers abzuwehren“ (Urteil vom 19. November
2014, S. 24) bzw. dass sein „Tatsachenvortrag […] sehr selektiv“ (Urteil vom
19. November 2014, S. 29) sei?
Falls nein, welche Argumente sprechen gegen die Richtigkeit dieser Ein-
schätzung des Gerichts?

Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 3 – Drucksache 18/3816
10. Teilt die Bundesregierung die Einschätzung des 15. Senats des Bayerischen
Landessozialgerichts, verschiedene Ausführungen des Leiters der Strahlen-
messstelle der Bundeswehr könnten „nur als wahrheitswidriger Vortrag be-
zeichnet werden“ (Urteil vom 19. November 2014, S. 26)?
a) Falls nein, weshalb nicht?
b) Falls ja, welche Konsequenzen zieht die Bundesregierung aus diesem

Vorgang?
11. Geht die Bundesregierung der vom Senat des Gerichts aufgeworfenen Frage

nach, „ob und inwieweit angesichts eines derartigen Verhaltens [des Leiters
der Strahlenmessstelle] auch weitere Angaben […] genauerer Nachprüfung
bedürfen“ (Urteil vom 19. November 2014, S. 26)?
Falls nein, warum nicht?

12. Welche Konsequenzen zieht die Bundesregierung aus den Urteilen des
Oberverwaltungsgerichts für das Land Schleswig-Holstein vom 13. Sep-
tember 2012, 3 LB 21/11, sowie des Bundesverwaltungsgerichts vom
10. April 2014, 2 B 36/13?

Berlin, den 23. Januar 2015

Katrin Göring-Eckardt, Dr. Anton Hofreiter und Fraktion
anzeiger Verlag GmbH, Postfach 10 05 34, 50445 Köln, Telefon (02 21) 97 66 83 40, Fax (02 21) 97 66 83 44, www.betrifft-gesetze.de

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