BT-Drucksache 18/3729

Interessengeleitetetes Gutachten zu Investorenschutz zurückweisen

Vom 13. Januar 2015


Deutscher Bundestag Drucksache 18/3729
18. Wahlperiode 13.01.2015
Antrag
der Abgeordneten Klaus Ernst, Susanna Karawanskij, Jutta Krellmann, Thomas
Lutze, Thomas Nord, Richard Pitterle, Michael Schlecht, Dr. Axel Troost,
Dr. Sahra Wagenknecht und der Fraktion DIE LINKE.

Interessengeleitetes Gutachten zu Investorenschutz zurückweisen

Der Bundestag wolle beschließen:

I. Der Deutsche Bundestag stellt fest:

Obwohl Dr. Stephan Schill seit Dezember 2013 Mitglied der Schlichterliste des In-
ternational Centre for Settlement of Investment Disputes (ICSID List of Concilia-
tors) ist und somit in einem potentiellen Interessenkonflikt steht (vgl. www.lob-
bycontrol.de), hatte das Bundesministerium für Wirtschaft und Energie ihn am 21.
August 2014 mit einem Gutachten zu den „Auswirkungen der Bestimmungen zum
Investitionsschutz und zu den Investor-Staat-Schiedsverfahren im Entwurf des Frei-
handelsabkommens zwischen der EU und Kanada (CETA) auf den Handlungsspiel-
raum des Gesetzgebers“ beauftragt.

Sein Gutachten kommt wenig überraschend zum Ergebnis, dass „CETA Investoren
aus Kanada im Vergleich zu deutschen Investoren materiell-rechtlich nicht besser
stellt. Im Gegenteil: Der durch CETA gewährte völkerrechtliche Schutz kanadischer
Investitionen bleibt in einigen Punkten sogar signifikant hinter dem deutschen Ver-
fassungs- und dem Unionsrecht zurück.“ (s. Pressemitteilung des Bundeswirt-
schaftsministeriums vom 22. September 2014). Ein weiteres Gutachten zu der be-
nannten Fragestellung im Auftrag des Bundeswirtschaftsministeriums gab es nicht.
Aber ein Gegengutachten von Prof. Dr. Markus Krajewski, Inhaber des Lehrstuhls
für Öffentliches Recht und Völkerrecht an der Universität Erlangen-Nürnberg,
kommt zum Ergebnis, dass die grundlegenden Bedenken gegen diese Methode der
Streitbeilegung und gegen zahlreiche Elemente des Investitionsschutzes, wie er im
CETA realisiert werden soll, durch das Gutachten von Dr. Schill nicht entkräftet
werden.

Das Bundeswirtschaftsministerium schlussfolgert jedoch auf der einseitigen Grund-
lage des Schill-Gutachtens, dass der gesetzgeberische Handlungsspielraum zum
Schutz öffentlicher Interessen wie nationale Sicherheit, Umwelt, öffentliche Ge-
sundheit damit gewahrt sei. Ebenfalls kündigt Bundeswirtschaftsminister Sigmar
Gabriel auf dieser Grundlage an, CETA trotz Investor-Staat-Schiedsverfahren zu-
stimmen zu wollen.

Das ist aufgrund der nicht gegebenen Neutralität des Gutachtens und der möglichen
weitreichenden negativen Folgen von Investor-Staat-Klagerechten in CETA inak-
zeptabel.
anzeiger Verlag GmbH, Postfach 10 05 34, 50445 Köln, Telefon (02 21) 97 66 83 40, Fax (02 21) 97 66 83 44, www.betrifft-gesetze.de

Drucksache 18/3729 – 2 – Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode
II. Der Deutsche Bundestag fordert die Bundesregierung auf,

1. das Gutachten zu den „Auswirkungen der Bestimmungen zum Investitions-
schutz und zu den Investor-Staat-Schiedsverfahren im Entwurf des Freihandels-
abkommens zwischen der EU und Kanada (CETA) auf den Handlungsspielraum
des Gesetzgebers“ von Herrn Dr. Stephan Schill aufgrund der nicht gegebenen
Neutralität keinesfalls als Entscheidungsgrundlage zu nehmen,

2. die Ausgewogenheit und Glaubwürdigkeit der wissenschaftlichen Beratung si-
cherzustellen und keine öffentlichen Mittel für tendenziöse Gutachten zu ver-
schwenden.

Berlin, den 13. Januar 2015

Dr. Gregor Gysi und Fraktion

Begründung

Bundeswirtschaftsminister Sigmar Gabriel bemüht das Gefälligkeitsgutachten von Dr. Schill, um seine Zustim-
mung zum Investitionsschutzkapitel in CETA zu begründen: „Es ist überhaupt kein Problem für mich, zu wie-
derholen, dass wir im Hinblick auf CETA am Ende vor der Frage stehen, ob unser Unwohlsein und die Kritik
an dem „Schweizer Käse“ des Investitionsschutzes – der Gutachter hat es so bezeichnet; so schwach findet er
es – dafür ausreichen, dass Deutschland als alleiniges Land in Europa den gesamten Prozess anhalten kann. (…)
wenn der Rest Europas dieses Abkommen will. Ich sage Ihnen: Deutschland wird dem dann auch zustimmen.
Das geht gar nicht anders.“ (vgl. Plenarprotokoll 18/70, S. 6620). Demgegenüber weist Prof. Dr. Markus
Krajewski in einem Gegengutachten nach: „Die Einschätzungen des Gutachtens beruhen überwiegend auf Prog-
nosen über das zukünftige Verhalten von Schiedsgerichten. Dieses kann jedoch nicht verlässlich vorhergesagt
werden. Zudem enthält das CETA weiterhin Elemente, die den Gesetzgeber anders einschränken als das Ver-
fassungsrecht. Schließlich wird auf die Einschränkung der Verwaltung durch das CETA nicht eingegangen.“
Die Sachverständige Pia Eberhardt von Corporate Europe Observatory (CEO) unterstreicht dies in der öffentli-
chen Anhörung des Ausschusses für Wirtschaft und Energie am 15. Dezember 2014: „Die Investor-Staat-Kla-
gerechte im CETA bergen unkalkulierbare Risiken für öffentliche Haushalte und den politischen Gestaltungs-
spielraum. Für Deutschland markieren sie einen bemerkenswerten Paradigmenwechsel hin zu Investor-Staat-
Klagerechten unter kapitalexportierenden Staaten mit entwickelten Rechtssystemen. Sie würden einen enormen
Machttransfer auf private Schiedsgerichte begründen, die im Rahmen von zukünftigen CETA-Klagen die Macht
hätten, alle Maßnahmen innerhalb eines Staates wie Deutschland auf die Vereinbarkeit mit den Investorenrech-
ten zu überprüfen – von Parlamenten verabschiedete Gesetze, Entscheidungen der Exekutive, Gerichtsurteile –
und Staaten wie Deutschland bindend zu hohen Schadensersatzzahlungen zu verurteilen. Und das, obwohl die
private Schiedsgerichtsbarkeit mit zentralen rechtsstaatlichen Grundsätzen bricht und bis heute keine überzeu-
genden Gründe für Investor-Staat-Klagerechte im CETA vorgebracht wurden.“

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