BT-Drucksache 18/3597

zu der Beratung der Unterrichtung durch die Deutsche Welle - Drucksachen 18/2536, 18/3056, 18/3216 Nr. 3, 18/3595 - Aufgabenplanung der Deutschen Welle 2014 bis 2017

Vom 17. Dezember 2014


Deutscher Bundestag Drucksache 18/3597
18. Wahlperiode 17.12.2014

Entschließungsantrag
der Abgeordneten Tabea Rößner, Omid Nouripour, Uwe Kekeritz, Katja Dörner,
Claudia Roth (Augsburg), Luise Amtsberg, Kai Gehring, Maria Klein-Schmeink,
Tom Koenigs, Dr. Tobias Lindner, Irene Mihalic, Dr. Konstantin von Notz, Manuel
Sarrazin, Elisabeth Scharfenberg, Ulle Schauws, Dr. Frithjof Schmidt, Kordula
Schulz-Asche, Dr. Harald Terpe, Doris Wagner, Beate Walter-Rosenheimer
und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN

zu der Beratung der Unterrichtung durch die Deutsche Welle
– Drucksachen 18/2536, 18/3056, 18/3216 Nr. 3, 18/3595 –

Aufgabenplanung der Deutschen Welle 2014 bis 2017

Der Bundestag wolle beschließen:

I. Der Deutsche Bundestag stellt fest:

Die Deutsche Welle hat als deutscher Auslandsrundfunksender die Aufgabe,
„Deutschland als europäisch gewachsene Kulturnation und freiheitlich verfaßten
demokratischen Rechtstaat verständlich zu machen. [Die Angebote] sollen deut-
schen und anderen Sichtweisen zu wesentlichen Themen vor allem der Politik,
Kultur und Wirtschaft sowohl in Europa wie in anderen Kontinenten ein Forum
geben mit dem Ziel, das Verständnis und den Austausch der Kulturen und Völker
zu fördern.“ Ihre Aufgaben und Ziele sind im Deutsche-Welle-Gesetz insbeson-
dere in den §§ 3 und 4 festgelegt.
Die vorgelegte Aufgabenplanung dokumentiert, dass die Deutsche Welle eine
Spitzenposition unter den internationalen Auslandssendern einnehmen und Sen-
dern wie BBC Konkurrenz machen soll. Damit begibt sich die Deutsche Welle in
einen aussichtslosen Konkurrenzkampf, der inhaltlich zulasten der sendereigenen
Stärken geht. Diese Stärken liegen unter anderem bei der Berichterstattung in
zahlreichen Regionalsprachen und der weltweiten Unterstützung beim Aufbau
bzw. der Fortentwicklung einer freiheitlichen Medienlandschaft durch die DW
Akademie.
Zu den in der Aufgabenplanung formulierten Schwerpunkten der nächsten drei
Jahre steht das Budget des Senders in keinem Verhältnis. Deshalb muss der Ge-
setzgeber die Frage klären, was die Deutsche Welle im Rahmen ihres Budgets
tatsächlich leisten soll und kann. Die Ziele des Auslandssenders müssen also im
Deutsche-Welle-Gesetz besser spezifiziert und priorisiert werden.

Drucksache 18/3597 – 2 – Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode
Die mit der neuen Intendanz des Hauses eingeführte Fokussierung auf die elitäre
Zielgruppe der „Entscheider und Teilnehmer an der politischen Meinungsbil-
dung“ ist unvereinbar mit der im Gesetz geregelten Förderung der Völkerverstän-
digung und Demokratieförderung. In den Partnerländern der deutschen Entwick-
lungszusammenarbeit genießt die Deutsche Welle einen sehr guten Ruf, weil sie
die gerade für unfreie Medienmärkte elementaren Funktionen eines in Regional-
sprache verfassten Informationskanals und der Medienbildung erfüllt.
Die Umstrukturierung des Hauses hin zu einem „breaking news“-fähigen Sender
ist nicht nur im Hinblick auf die damit verbundenen personellen Kürzungen kri-
tikwürdig. Dem richtigen Ansatz einer Modernisierung der Deutschen Welle
muss die passgenauere Wahl der Form für die Berichterstattung zugrunde liegen
– und nicht Einsparungen an Sprachen und Personal zugunsten eines Ziels, für
das die Deutsche Welle weder journalistisch noch rechtlich ausgestattet ist. Auch
die Konzentration auf Englisch als Hauptsprache ist fatal, da es bereits eine Reihe
von Informationsangeboten auf Englisch, aber nicht in Regionalsprachen gibt. In
der Vielsprachigkeit liegt die Stärke und Kompetenz der Deutschen Welle.
Die Ursache für die teilweise mangelnde Reichweite der in Regionalsprachen ver-
fassten Beiträge liegt nicht an der Sprachenvielfalt, sondern an der gewählten Me-
dienform. Es ist die Aufgabe der Deutschen Welle, regionalspezifische Alternati-
ven zum linearen Rundfunk anzubieten. Diese mit der passenden Medienform zu
verknüpfen, sollte der Schwerpunkt der Deutschen Welle sein.
Zum Ziel der Vermittlung Deutschlands als europäisch gewachsene Kulturnation
in der Welt gehört untrennbar der Einsatz für die Pressefreiheit, für die sich gerade
die DW Akademie mit der Förderung freier und unabhängiger Medien in aller
Welt in vorbildlicher Weise einsetzt.
Umso unverständlicher ist in diesem Zusammenhang die Kooperation zwischen
der Deutschen Welle und dem chinesischen Staatsfernsehen CCTV. Als größter
chinesischer Fernsehsender und Teil der staatlichen Verwaltung für Radio, Film
und Fernsehen ist er die rechte Hand für staatliche Propaganda. Kritische Journa-
listInnen und BloggerInnen in China werden dagegen von der Staatsführung schi-
kaniert, behindert und zensiert. Nach Berichten der Menschenrechtsorganisation
Reporter ohne Grenzen müssen sie sich beispielsweise für ihre Beiträge vor den
laufenden Kameras des CCTV entschuldigen. Dieses Unrecht ist im Mai 2014
auch der chinesischen Mitarbeiterin der Deutschen Welle Gao Yu widerfahren.
Sie ist weiterhin in Haft.
II. Der Deutsche Bundestag fordert die Bundesregierung auf,

1. das Deutsche-Welle-Gesetz so zu reformieren, dass
a. insbesondere in § 4, der die Aufgabenbeschreibung des Auslandssenders

beinhaltet, eine klare Schwerpunktsetzung auf Demokratieförderung und
Krisenberichterstattung zu erkennen ist. Es muss das Ziel der Deutschen
Welle sein, die Nummer eins der unabhängigen Informationsanbieter in
unfreien Medienmärkten zu werden;

b. die Deutsche Welle für ihre Aufgabenerfüllung im Rahmen der in 1a.
formulierten Neuausrichtung angemessen ausgestattet ist;

c. die Aufgabenplanung um ein Personal- und Finanzkonzept ergänzt wer-
den muss. Aus diesem Konzept muss die im Rahmen der Umstrukturie-
rung erfolgte sprachliche, mediale und personelle Schwerpunktsetzung
eindeutig hervorgehen. Das Personal- und Finanzkonzept soll öffentlich
einsehbar sein;

Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 3 – Drucksache 18/3597

d. arbeitnehmerähnliche Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter (so genannte
„feste Freie“) als Beschäftigte im Sinne des § 90 Nr. 5 Bundespersonal-
vertretungsgesetz gelten und das § 90 Nr. 5 b) aus dem Gesetz gestrichen
wird. Damit werden dem Personalrat der Deutschen Welle Vertretungs-
rechte für diese Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter eingeräumt;

e. die personelle Besetzung des Rundfunkrats und des Verwaltungsrats der
Deutschen Welle in § 31 respektive § 36 des Deutsche-Welle-Gesetzes
dem im Bundesverfassungsgerichtsurteil vom 25. März 2014 thematisier-
ten Grundsatz der Vielfaltsicherung entspricht. Bei der Besetzung der
Gremien ist auf eine Auswahl insbesondere nach Alter, Geschlecht und
journalistischem Hintergrund zu achten, die personelle und programma-
tische Diversität des Senders widerspiegelt;

f. Kooperationsvereinbarungen der Deutschen Welle insbesondere mit aus-
ländischen (Staats-)Sendern der Zustimmung mit qualifizierter Mehrheit
des Rundfunkrats bedürfen;
2. auf die Schwerpunktsetzung der Deutschen Welle so einzuwirken, dass

a. das vielfältige Sprachenangebot der Deutschen Welle in von Klick- oder
Quotenzahlen unabhängigem Umfang weitgehend beibehalten wird. Eine
Kohärenz zwischen den existierenden Länderangeboten der Deutschen
Welle und Aktivitäten des Auswärtigen Amts und des Bundesministeri-
ums für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (BMZ) vor
Ort ist herzustellen;

b. insbesondere im Hinblick auf 2a. die sprachliche und personelle Vielfalt
des Personals der Deutschen Welle ausgeschöpft und gepflegt wird;

c. die Wahl der medialen Form (lineares Fernsehen, Radio, Multimediaan-
gebot, Blog) für jede der von der Deutschen Welle unterstützten Sprachen
an den heimischen Medienmarkt angepasst wird;

d. zuverlässige und störunanfällige Angebote wie die Kurzwelle unabhän-
gig von aktuellen außen- oder geopolitischen Konflikten beizubehalten
und den Erhalt der bewährten Relaisstation in Kigali zu sichern;

e. zu prüfen, ob die Projektfinanzierung der DW Akademie zur Sicherung
ihres Erfolgs um eine grundständige institutionelle Förderung ergänzt
wird;
3. zu prüfen, ob die in der Aufgabenplanung skizzierten Umstrukturierungen sich

reduzierend auf die ODA-Anrechenbarkeit (Official Development Assistance)
der Deutschen Welle auswirken;
4. die Projektförderung durch das BMZ insbesondere im Hinblick auf die Mei-
nungsfreiheit sowie den von Zugang zu Medien und Information in Partner-
ländern der deutschen Entwicklungszusammenarbeit auszubauen.

Berlin, den 16. Dezember 2014

Katrin Göring-Eckardt, Dr. Anton Hofreiter und Fraktion

Drucksache 18/3597 – 4 – Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode

Begründung

Ad 1a. Zur Demokratieförderung: Der Deutsche Bundestag sieht eine wesentliche Aufgabe der Deutschen Welle
darin, Informationssuchende in unfreien Medienmärkten mit unabhängigen Nachrichten zu versorgen. Dies ist
unter anderem im Hinblick auf die Stabilisierung von Krisengebieten wichtig. Der Anspruch, profunde Informa-
tionen und Hintergründe aus Deutschland und aus anderen Staaten als unabhängiges Medium zu liefern, darf aber
nicht bedeuten, in einen Wettbewerb um die schnellste und erste Nachricht einzutreten. Auch kann dieses Ziel
nicht mit einer Reduzierung auf das Englische einhergehen. Dies betrifft insbesondere auch die Berichterstattung
aus und in Krisengebieten.
Ad 1b. Zur angemessenen Mittelausstattung: Um sicherzustellen, dass die Deutsche Welle ihre gesetzlichen Auf-
gaben erfüllen kann, muss die finanzielle Ausstattung des Senders den Aufgaben angemessen sein.
Ad 1c. Zum transparenten Personal- und Finanzkonzept: Der Gesetzgeber entscheidet über die Höhe des jährli-
chen Budgets der Deutschen Welle, ohne Einblick in ihr Personal- und Finanzkonzept zu haben. Um die Ausgabe
von Steuermitteln in dreistelliger Millionenhöhe zu legitimieren, ist die Nachvollziehbarkeit der Ausgaben- und
Personalplanung dringend vonnöten.
Ad 1d. Zum Personalvertretungsrecht: Die Deutsche Welle arbeitet – wie im Medienbereich üblich – mit vielen
so genannten „festen freien“ Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern. Diese müssen im Deutsche-Welle-Gesetz mit
Beschäftigten gleichgestellt werden, um eine Vertretung durch den Personalrat zu erfahren und so in ihren Rech-
ten den regulär Beschäftigten des Senders gleichgestellt werden zu können.
Ad 1e. Zur Gremienbesetzung: Der Rundfunk- und der Verwaltungsrat der Deutschen Welle entscheiden über die
programmatische und strategische Ausrichtung des steuerfinanzierten, global operierenden Senders. Um diese
Arbeit erfolgreich durchführen zu können, muss die Mitgliederstruktur dieser Gremien die auch beim Personal
vorhandene Diversität im Hinblick auf Alter, Geschlecht, journalistischem Hintergrund und regionaler Herkunft
widerspiegeln.
Ad 1f. Zu Kooperationsvereinbarungen: Nach derzeitigem Stand ist der Rundfunkrat nicht explizit mit der Zu-
stimmung zu außenpolitisch bedeutsamen Kooperationen betraut. Um eine Legitimation der Aktivitäten der vom
Steuerzahler finanzierten Deutschen Welle in der Bevölkerung zu erreichen, soll Kooperationsvereinbarungen
zwingend ein Beschluss des Rundfunkrats, das zugleich das programmatische Kontrollgremium der Deutschen
Welle ist, vorausgehen.
Ad 2a. Zum Sprachangebot: Demokratische Werte und die Verständigung der Kulturen zu fördern, ist gesetzliche
Kernaufgabe der Deutschen Welle. Ein breites Sprachenangebot der Deutschen Welle, das sich sowohl von man-
gelnden Klickzahlen oder Quoten als auch von außenpolitischen Kernregionen weitgehend unabhängig macht,
fördert Vielfalt. Gleichzeitig ist in den Sprachen bzw. Ländern, in denen die Deutsche Welle empfangen wird, ein
kohärentes und damit inhaltlich und steuerlich effektives Wirken mit den Tätigkeiten des Auswärtigen Amts und
des BMZ sicherzustellen.
Ad 2b. Zum Personal: Die Umstrukturierung darf nicht zulasten der Belegschaft der Deutschen Welle gehen, die
in ihrer journalistischen und regionalspezifischen Kompetenz wesentlich zur Aufgabenerfüllung beiträgt und für
den guten Ruf der Deutschen Welle verantwortlich ist.
Ad 2c. Zu Medienformen: Der vorliegenden Aufgabenplanung zufolge setzt die Deutsche Welle wieder verstärkt
auf lineares Fernsehen. Der globale Medienmarkt aber kennt längst interaktivere, reichweitenstärkere und regio-
nal passgenauere Formate. Es ist die journalistische und vertriebliche Aufgabe der Deutschen Welle, vor der Be-
reitstellung von Angeboten die Situation auf dem Medienmarkt eines Landes zu prüfen und die Form ihrer Be-
richterstattung hieran anzupassen.
Ad 2d. Zu störunanfälligen Angeboten: Um ihren gesetzlichen Auftrag ausführen zu können, muss die Deutsche
Welle störunanfällige Angebote wie die Relaisstation in Kigali, Ruanda, unbedingt aufrechterhalten. Dies ist umso
wichtiger, da geo- und außenpolitische Konstellationen sich jederzeit ändern können und eine jederzeit von inf-
rastrukturellen Fragen unabhängige Berichterstattung nötig ist.

Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 5 – Drucksache 18/3597
Ad 2e. Zur DW Akademie: Die DW Akademie ist das deutsche Aushängeschild für Medienentwicklung und
Journalistenausbildung weltweit. Sie setzt sich erfolgreich und nachhaltig für das Recht auf Informations- und
Pressefreiheit insbesondere in unfreien Medienmärkten und Schwellenländern ein. Eine institutionelle Versteti-
gung ihrer Finanzen garantiert der DW Akademie eine über derzeit drei Jahre hinausgehende Planungssicherheit.
Ad 3. Zur ODA-Quote: Das Budget der Deutschen Welle wird größtenteils auf die jährlich zu ermittelnde deut-
sche ODA-Quote angerechnet. Mit der zunehmenden Fokussierung auf englischsprachige Inhalte, „globale Ent-
scheider“ als primäre Zielgruppe und der zuletzt öffentlich gewordenen Kooperation mit dem chinesischen Staats-
sender CCTV droht die Deutsche Welle zum Trägermedium einer wirtschaftspolitischen Agenda zu werden, deren
Anrechnung auf die deutschen Ausgaben für die Entwicklungszusammenarbeit zumindest zweifelhaft ist.
Ad 4. Zur Projektförderung durch das BMZ: Die Deutsche Welle erhält neben dem Budget aus dem Haushalt der
Kulturstaatsministerin auch Projektgelder aus dem Bundesministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit und
Entwicklung (BMZ). Über viele Jahre hat die Deutsche Welle so ein erhebliches Maß an Erfahrung und Reputa-
tion im Bereich der Medienbildung in der Entwicklungszusammenarbeit aufgebaut. Diese Werte gilt es zu erhal-
ten und auszubauen.
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