BT-Drucksache 18/3408

Stromsperren gesetzlich verbieten

Vom 3. Dezember 2014


Deutscher Bundestag Drucksache 18/3408
18. Wahlperiode 03.12.2014
Antrag
der Abgeordneten Caren Lay, Eva Bulling-Schröter, Dr. Dietmar Bartsch, Herbert
Behrens, Karin Binder, Heidrun Bluhm, Roland Claus, Susanna Karawanskij,
Kerstin Kassner, Jutta Krellmann, Katrin Kunert, Sabine Leidig, Ralph Lenkert,
Michael Leutert, Dr. Gesine Lötzsch, Thomas Lutze, Dr. Kirsten Tackmann,
Hubertus Zdebel und der Fraktion DIE LINKE.

Stromsperren gesetzlich verbieten

Der Bundestag wolle beschließen:

I. Der Deutsche Bundestag stellt fest:

Für Millionen Menschen in Deutschland mit geringem Einkommen sind die hohen
Strompreise eine enorme Belastung. Fast sieben Millionen Haushalten wurde im
Jahr 2013 die Sperrung ihrer Stromversorgung angedroht. Die im Jahr 2013 tatsäch-
lich durchgeführten 344.798 Stromsperren bedeuten einen Rekordwert seit Beginn
der Erhebung durch die Bundesnetzagentur. Die Stromversorgung als grundlegendes
Element der Daseinsvorsorge ist durch die derzeitige Rechtslage für hunderttausende
Menschen in Deutschland nicht gesichert.
Trotz der stillen sozialen Katastrophe stromloser Haushalte hat die Bundesregierung
selbst die Vorgaben der Europäischen Union gegen Energiearmut bisher nicht in
deutsches Recht umgesetzt. Die Elektrizitätsbinnenmarktrichtlinie erlegt den Mit-
gliedsstaaten der EU die Pflicht auf, die Stromversorgung so genannter schutzbe-
dürftiger Verbraucherinnen und Verbraucher durch geeignete Maßnahmen zu ge-
währleisten. Länder wie Großbritannien, Belgien oder Frankreich machen vor, wie
Stromsperren verhindert oder zumindest eingeschränkt werden können. Während-
dessen ist die Bundesrepublik Deutschland bei Stromsperren Europameister.
Die Versorgung mit Strom muss als Grundrecht einer jeden Bürgerin und eines jeden
Bürgers anerkannt und sichergestellt werden. Denn sie ist eine Grundvoraussetzung
für ein menschenwürdiges Wohnen und die Teilhabe am gesellschaftlichen Leben.
Eine soziale Gestaltung der Energieversorgung ist zudem zentral für die gesellschaft-
liche Akzeptanz der Energiewende.

II. Der Deutsche Bundestag fordert die Bundesregierung auf,

unverzüglich einen Gesetzentwurf zur Umsetzung der Elektrizitätsbinnenmarkt-
richtlinie vorzulegen, um für schutzbedürftige Kundinnen und Kunden eine Grund-
versorgung mit Strom jederzeit zu gewährleisten. Des Weiteren sollen Stromsperren
durch die Energieversorger aufgrund von Zahlungsunfähigkeit von Verbraucherin-
nen und Verbrauchern gesetzlich untersagt werden.
anzeiger Verlag GmbH, Postfach 10 05 34, 50445 Köln, Telefon (02 21) 97 66 83 40, Fax (02 21) 97 66 83 44, www.betrifft-gesetze.de

Drucksache 18/3408 – 2 – Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode
Berlin, den 2. Dezember 2014

Dr. Gregor Gysi und Fraktion

Begründung

Die Zahl der Stromsperren in Deutschland wächst seit Beginn der Erhebungen durch die Bundesnetzagentur
im Jahr 2011 mit zunehmender Geschwindigkeit. Stieg die Zahl der Stromsperren zwischen 2011 und 2012
noch um 9.000 an, so sind im Jahr 2013 mit insgesamt 344.798 über 23.000 mehr Unterbrechungen der Strom-
versorgung zu verzeichnen gewesen als ein Jahr zuvor.

Ein erheblicher Teil der von Stromsperren Betroffenen sind Menschen, die Hartz-IV-Leistungen beziehen. Die
Verbraucherzentrale Nordrhein-Westfalen beziffert die Unterdeckung im Regelsatz für das Arbeitslosengeld II
im Bereich der Stromkosten mit 25 bis 55 Prozent, abhängig von Haushaltsgröße und Art der Warmwasserauf-
bereitung. Hinzu kommen weitere Belastungen, wenn Nachzahlungen aufgrund erhöhter Strompreise anstehen.
Schließlich werden die von einer Stromsperre betroffenen Haushalte mit Kosten für die Durchführung der
Sperre in Höhe von bis zu 168 Euro belastet.

Stromsperren wurden im Jahr 2013 bei Außenständen von durchschnittlich 105 Euro angedroht. Für die
344.798 tatsächlich durchgeführten Stromsperrungen summiert sich dies auf insgesamt etwa 36 Millionen
Euro. Diese Zahl steht in einem krassen Missverhältnis zu den Gewinnen der Energieversorger in den letzten
Jahren oder den milliardenschweren Industrie-Rabatten bei Ökosteuer, Erneuerbare-Energien-Gesetz und
Netzentgelten.

Während das Mietrecht relativ hohe Hürden bei Wohnungsräumungen vorsieht, sind Stromsperren rechtlich
völlig unterreguliert und werden ohne Gerichtsbeschluss durchgeführt. Selbst einschlägige Vorgaben durch
EU-Recht (vgl. Artikel 3 Absatz 7 und 8 der Richtlinie 2009/72/EG vom 13. Juli 2009 über gemeinsame Vor-
schriften für den Elektrizitätsbinnenmarkt – Elektrizitätsbinnenmarktrichtlinie), das den Mitgliedstaaten Maß-
nahmen für sogenannte „schutzbedürftige Kunden“ abverlangt, wurden von der Bundesregierung nicht umge-
setzt. In Belgien, Frankreich und Großbritannien bestehen schon seit längerer Zeit Maßnahmen zum Schutz
schutzbedürftiger Energiekundinnen und Endkunden. Diese reichen von einem Verbot von Stromsperren zu-
mindest in den Wintermonaten über Stromsozialtarife bis hin zu einem rechtlichen Anspruch auf ein Mindest-
maß an Stromversorgung zur Sicherung des Tagesbedarfs.

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