BT-Drucksache 18/3400

Mögliche Interessenkonflikte in der Rechtsaufsicht für Wirtschaftsprüfer

Vom 1. Dezember 2014


Deutscher Bundestag Drucksache 18/3400
18. Wahlperiode 01.12.2014
Kleine Anfrage
der Abgeordneten Richard Pitterle, Klaus Ernst, Jan Korte, Ulla Jelpke,
Susanna Karawanskij, Kerstin Kassner, Jutta Krellmann, Thomas Lutze,
Thomas Nord, Michael Schlecht, Kersten Steinke, Frank Tempel, Dr. Axel Troost
und der Fraktion DIE LINKE.

Mögliche Interessenkonflikte in der Rechtsaufsicht für Wirtschaftsprüfer

In der Kleinen Anfrage der Fraktion DIE LINKE. (Bundestagsdrucksache
18/2689) „Jahresabschlussprüfungen, berufsständische Organisationen der Wirt-
schaftsprüfer und ministerielle Rechtsaufsicht“ ist bereits zu möglichen Interes-
senkonflikten in den berufsständischen Aufsichtsstrukturen gefragt worden. Ins-
besondere die Antworten zu den Fragen 29 und 30 zur Berufung des ehemaligen
Abschlussprüfers der KPMG AG für die Deutsche Bank AG, Ralf Bose, im Jahr
2012 zum Leiter der Sonderuntersuchung der Abschlussprüferaufsichtskommis-
sion (APAK), gehen an der Sache vorbei und stützen sich primär auf Positionen
der APAK.
Selbst wenn Ralf Bose nicht persönlich an der Überprüfung der Jahresabschlüsse
der Deutschen Bank AG vor 2012 beteiligt sein sollte, müssen seine Mitarbeiter
im Zweifel auch die damalige „Arbeit“ ihres Vorgesetzten prüfen, so dass über
das abhängige Beschäftigungsverhältnis das Problem der Befangenheit vorliegt.
Nicht allein diese Problematik wird in der Wirtschaftsprüferbranche erkannt.
Die Personalie bleibt bis heute hoch umstritten und gilt als ein weiteres Indiz
für die Wahrung der Interessen der vier großen Wirtschaftsprüfungsgesellschaf-
ten (Big 4: PricewaterhouseCoopers Aktiengesellschaft – PwC, KPMG AG,
Ernst & Young GmbH, Deloitte & Touche GmbH) innerhalb der Branche und
gegenüber der ministeriellen Rechtsaufsicht (vgl. Handelsblatt vom 12. Novem-
ber 2014).
Aber auch auf anderer Ebene scheint eine klare Trennung zwischen der ministe-
riellen Rechtsaufsicht und der Wirtschaftsprüferbranche sowie entscheidenden
Institutionen, wie dem signifikant durch die sogenannten Big 4 finanzierten In-
stitut der Wirtschaftsprüfer (IDW, vgl. WP – Magazin für Wirtschaftsprüfung &
Politik 2011, S. 72 ff.), nicht immer gegeben zu sein. Dabei wäre die inhaltliche
und personelle Unabhängigkeit der ministeriellen Rechtsaufsicht die Mindest-
voraussetzung, um ihrer Aufsichtsfunktion gerecht werden zu können.

Drucksache 18/3400 – 2 – Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode
Wir fragen die Bundesregierung:
1. Vor dem Hintergrund, dass die Bundesregierung, wie in ihrer Antwort zu

den Fragen 29 und 30 auf Bundestagsdrucksache 18/2689 ausgeführt, kein
Problem in der Bestellung von Ralf Bose zum Leiter der Sonderunter-
suchung der APAK sieht, wie wird das Problem der möglichen Befangen-
heit seiner Mitarbeiter bei der Prüfung von Testaten seines früheren Arbeit-
gebers (KPMG AG) und von Jahresabschlüssen der Deutschen Bank AG,
die Ralf Bose selbst verantwortet hatte, bewertet?

2. Wie viele Sonderprüfungen hat die APAK nach Ausbruch der Wirtschafts-
und Finanzkrise 2007/2008 insgesamt veranlasst, und was war jeweils das
Ergebnis (bitte auflisten)?

3. Welche Sonderprüfungen betrafen davon direkt die Arbeit der KPMG AG
und die Jahresabschlüsse der Deutschen Bank AG?

4. Wenn es keine Sonderprüfung der Deutschen Bank AG gab, was ist der
Grund dafür, wo doch gerade der Deutschen Bank AG in internationalen Er-
mittlungsverfahren Fehlverhalten nachgewiesen wurde, Strafzahlungen an-
fielen und weiter Rückstellungen (Prozesskosten, Schadensersatzforderun-
gen etc.) für laufende und künftige Verfahren gebildet werden?

5. Ob und in welcher Höhe haben die Herausgeber für die jüngste Schrift des
IDW „Die EU-Reform der Abschlussprüfung“ T. B. (Bundesministerium
der Justiz und für Verbraucherschutz – BMJV) und Dr. A. L. (Bundesminis-
terium für Wirtschaft und Energie – BMWi) ein Honorar erhalten?

6. Wurde nach Kenntnis der Bundesregierung das Honorar als Einmalzahlung
oder als laufende Zahlung entsprechend der verkauften Bücher vereinbart?

7. Sieht die Bundesregierung generell einen Interessenkonflikt, wenn Per-
sonen, die verantwortlich für die ministerielle Rechtsaufsicht über die Wirt-
schaftsprüfer sind, eine Arbeitsbeziehung zum IDW unterhalten und dafür
honoriert werden?

8. Wie oft gab es seit der 16. Wahlperiode Gespräche zwischen den beiden
genannten Vertretern der Bundesministerien und dem IDW/den Big 4 bis
heute (bitte auflisten)?

9. Wurden die Bundesministerien im Vorfeld von ihren Mitarbeitern auf ihre
(Neben-)Tätigkeit hingewiesen?

10. Liegt eine Erlaubnis des jeweiligen Bundesministeriums für die angeführte
(Neben-)Tätigkeit vor?

11. Sind nach Kenntnis der Bundesregierung weitere Veranstaltungen mit den
beiden Vertretern der Bundesministerien (z. B. Vorträge) durch das IDW ge-
plant?
Wenn ja, welche Honorarvereinbarungen gibt es nach Kenntnis der Bundes-
regierung hierfür?

12. Ist es bekannt, ob Vorgänger von T. B. im Amt (u. a. Dr. E.) und O., M. oder
S. (BMWi) ähnliche Arbeitsbeziehungen auf Honorarbasis (Referenten-
oder Autorentätigkeit) mit dem IDW unterhalten haben?
Wenn ja welche, wann, und wie wurden sie honoriert (bitte auflisten)?

13. Welche externen Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter aus der Branche der
Wirtschaftsprüfer, insbesondere der Big 4, waren in der 16., 17. und laufen-
den 18. Legislaturperiode im BMWi, dem Bundesministerium der Finanzen
und dem BMJV in welcher Funktion, wie lange und mit welchen Aufgaben
beschäftigt (bitte detailliert auflisten)?

Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 3 – Drucksache 18/3400
14. Welche Schlussfolgerungen und Konsequenzen zieht die Bundesregierung
aus dem jüngsten Urteil des Landgerichts Berlin (27 O 355/14) und der dor-
tigen Feststellung, dass es keinen „Erlass“ des BMWi für die Zahlungen
(1 500 Euro Sitzungsgeld für vierstündige Sitzungen plus zusätzlicher Ver-
gütungen) an ehrenamtlich tätige APAK-Mitglieder gibt?

15. Wie wird vor dem Hintergrund des Urteils das Schreiben von Ministerialrat
M. S. (BMWi) an Dr. V. (WPK – Wirtschaftsprüferkammer) vom 7. März
2005 eingeordnet, worauf sich APAK, IDW und WPK in der internen be-
rufsständischen Auseinandersetzung bei der Rechtfertigung der angeführten
Zahlungen stets berufen haben und dies als „Erlass“ interpretierten?

16. Führt das Urteil zur veränderten Einschätzung bei der Bewertung der aus
den Mitgliedsbeiträgen finanzierten Aufwandsentschädigungen für APAK-
Mitglieder, wie sie die Bundesregierung in ihrer Antwort zu Frage 40 auf
Bundestagsdrucksache 18/2689 formuliert hat?

17. Welche Schlussfolgerungen und Konsequenzen zieht die Bundesregierung
aus dem Sachverhalt, dass Ministerialrat M. S. (BMWi) kurz nach seiner
Pensionierung als APAK-Mitglied für vier Jahre die angeführte Aufwands-
entschädigung erhielt und bei kritischen Diskussionen um die Höhe und
Rechtmäßigkeit dieser Zahlungen auf das von ihm verfasste Schreiben in
seiner damaligen Funktion, den vermeintlichen „Erlass“ des BMWi, ver-
wiesen wurde?
Gibt bzw. gab es hier einen Interessenkonflikt?
Wenn nein, warum nicht?

18. Wurde seit März 2005 die ministerielle Rechtsaufsicht im Rahmen der Prü-
fung der Rechtmäßigkeit der Höhe der Aufwandsentschädigung für die eh-
renamtliche Tätigkeit der APAK-Mitglieder tätig?

19. Warum hat die Rechtsaufsicht bis zur Umsetzung der Abschlussprüfer-
reform aufgrund der EU-Vorgaben gewartet (siehe Antworten zu den
Fragen 2 und 40 auf Bundestagsdrucksache 18/2689), um den organisato-
rischen Aufbau und die finanzielle Ausstattung der berufsunabhängigen
Aufsicht zu verändern, und wäre nicht ein viel zeitnaherer Reformprozess
und aktives Handeln möglich und auch notwendig gewesen, um etwa die
Frage der angeführten Aufwandsentschädigung anders und nach Auffas-
sung der Fragesteller klarer zu regeln?

Berlin, den 1. Dezember 2014

Dr. Gregor Gysi und Fraktion
anzeiger Verlag GmbH, Postfach 10 05 34, 50445 Köln, Telefon (02 21) 97 66 83 40, Fax (02 21) 97 66 83 44, www.betrifft-gesetze.de

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