BT-Drucksache 18/3335

Steuerliche Entlastung von Familien

Vom 25. November 2014


Deutscher Bundestag Drucksache 18/3335
18. Wahlperiode 25.11.2014
Kleine Anfrage
der Abgeordneten Lisa Paus, Dr. Gerhard Schick, Dr. Thomas Gambke, Britta
Haßelmann, Katja Dörner, Dr. Franziska Brantner, Dr. Wolfgang Strengmann-Kuhn
und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN

Steuerliche Entlastung von Familien

Dem bereits 2012 veröffentlichten Existenzminimumbericht der Bundesregie-
rung zufolge ist das steuerliche Existenzminimum für Kinder im Jahr 2014 zu
niedrig angesetzt (Neunter Existenzminimumbericht). Die Bundesregierung
hatte schon 2012 angekündigt, die nach der Rechtsprechung des Bundesverfas-
sungsgerichts verfassungsrechtlich notwendige Erhöhung rechtzeitig auf den
Weg zu bringen (Pressemitteilung des Bundesministeriums der Finanzen vom
7. November 2012). Im Gesetzentwurf zum Jahressteuergesetz für das Jahr 2015
fehlt es immer noch an einer entsprechenden Anpassung (vgl. Entwurf eines Ge-
setzes zur Anpassung der Abgabenordnung an den Zollkodex der Union und zur
Änderung weiterer steuerlicher Vorschriften, Bundestagsdrucksache 18/3017).
Auch das Kindergeld wurde seit 2010 nicht mehr angehoben. Der nächste Exis-
tenzminimumbericht für die Jahre 2015 und 2016, der nach einem Beschluss des
Deutschen Bundestages alle zwei Jahre von der Bundesregierung vorzulegen ist
(vgl. Neunter Existenzminimumbericht) steht noch in diesem Jahr an. Da beim
Arbeitslosengeld II bereits eine Erhöhung des Regelsatzes beschlossen wurde,
ist zu vermuten, dass eine weitere Anhebung des Existenzminimums für Er-
wachsene und Kinder auch im Steuerrecht ansteht.
Bei der steuerlichen Förderung von Familien über Kinderfreibeträge und Kin-
dergeld ist nicht nur die fehlende Anpassung des steuerlichen Existenzmini-
mums problematisch. Der gegenwärtigen Ausgestaltung des Familienlastenaus-
gleichs fehlt eine soziale Ausgewogenheit zwischen Familien, die nur Kinder-
geld beziehen und jenen Familien, die darüber hinaus von den Kinderfreibeträ-
gen profitieren. Noch problematischer sieht der Vergleich der steuerlichen
Entlastung von Alleinerziehenden und der steuerlichen Entlastung von Ehe und
Partnerschaft aus. Diese soziale Unausgewogenheit kann auch nur unzureichend
durch den Kinderzuschlag ausgeglichen werden, der zudem von vielen An-
spruchsberechtigten nicht bezogen wird. Hier besteht Regelungsbedarf, der den
Lebensrealitäten verschiedener Familienformen gerecht wird.
Zu den im Koalitionsvertrag zwischen CDU, CSU und SPD versprochenen Än-
derungen beim Entlastungsbetrag für Alleinerziehende fehlt es nicht nur an kon-
kreten Vorschlägen. Mit einer alleinigen Erhöhung des Entlastungsbetrags für
Alleinerziehende werden die besonderen Bedarfe von Alleinerziehenden nicht
ausreichend berücksichtigt.
Nicht zuletzt ist die Absetzbarkeit von erwerbsbedingten Kinderbetreuungskos-
ten für bestimmte Einkommensgruppen ein zentraler Faktor für die Vereinbar-
keit von Beruf und Familie. Dennoch werden derartige Aufwendungen nur als

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gedeckelte Sonderausgaben mit Selbstbehalt erfasst und nicht – wie etwa Wege-
kosten oder die Kosten eines häuslichen Arbeitszimmers – als beruflich veran-
lasste Aufwendungen, die bereits die Höhe der steuerpflichtigen Einkünfte min-
dern.

Wir fragen die Bundesregierung:
Existenzminimum/Kinderfreibeträge/Kindergeld
1. Teilt die Bundesregierung die Auffassung, dass der Kinderfreibetrag für das

sächliche Existenzminimum derzeit zu niedrig angesetzt ist und die Ausge-
staltung des steuerlichen Familienlastenausgleichs hinter den verfassungs-
rechtlich gebotenen Anforderungen zurückbleibt?

2. Wie will die Bundesregierung gewährleisten, dass das Existenzminimum
von Kindern noch in diesem Jahr in der verfassungsrechtlich geforderten
Höhe steuerfrei gestellt wird?

3. Inwieweit plant die Bundesregierung, parallel zur Anpassung des Kinder-
freibetrags das Kindergeld zu erhöhen?
Wenn ja, wann und in welcher Höhe?
Wenn nein, warum wird das Kindergeld nicht erhöht?

4. Wie hoch sind die jährlichen Mehrausgaben, die durch die verfassungsge-
mäße Anpassung des Kinderfreibetrags entstehen, und wie hoch sind die
Mehrausgaben bei einer Anhebung des Kindergelds?

5. Wann wird die Bundesregierung den Existenzminimumbericht für das Jahr
2015 vorlegen?

6. Ab welchem Bruttoeinkommen sind bei einer eingetragenen Lebenspartner-
schaft bzw. Ehe die jährlichen Entlastungswirkungen der Kinderfreibeträge
nach geltendem Recht günstiger als das Kindergeld (bitte differenziert nach
einem Kind/zwei Kindern/drei Kindern/vier Kindern angeben)?

7. Ab welchem Bruttoeinkommen sind die Entlastungswirkungen bei Allein-
erziehenden nach geltendem Recht günstiger als das Kindergeld (bitte dif-
ferenziert nach einem Kind/zwei Kindern/drei Kindern/vier Kindern ange-
ben)?

8. Wie hoch war im Jahr 2013 bei einer eingetragenen Lebenspartnerschaft
bzw. Ehe die jährliche Entlastungswirkung der Kinderfreibeträge (bitte
Median und Durchschnitt differenziert nach einem Kind/zwei Kindern/drei
Kindern/vier Kindern angeben)?

9. Wie hoch war im Jahr 2013 bei Alleinerziehenden die jährliche Entlastungs-
wirkung der Kinderfreibeträge (bitte Median und Durchschnitt differenziert
nach einem Kind/zwei Kindern/drei Kindern/vier Kindern angeben)?

10. Wie viele Familien mit kindergeldberechtigten Kindern profitieren nach
geltender Rechtslage von den steuerlichen Kinderfreibeträgen (mit und
ohne Solidaritätszuschlag), und wie viele Familien erhalten nur das Kinder-
geld (bitte ausweisen nach Anzahl der Familien insgesamt, Anzahl der Kin-
der, verheiratet/verpartnert, nichtehelicher Lebensgemeinschaft, alleiner-
ziehend)?

11. Wie verändern sich die Werte zu den Fragen 6 bis 9 bei einer Anhebung des
Kinderfreibetrags auf die verfassungsgemäße Höhe?

Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 3 – Drucksache 18/3335
12. Wie beurteilt die Bundesregierung die Entlastungsschere, die zwischen Fa-
milien besteht, die aufgrund von niedrigen und mittleren Einkommen nur
Kindergeld beziehen, und Familien, die aufgrund ihres Einkommens darü-
ber hinaus von den Freibeträgen für das sächliche Existenzminimum und für
die Betreuung, Erziehung und Ausbildung profitieren?
Will die Bundesregierung diese Entlastungsschere schließen?
Wenn ja, wie?
Wenn nein, warum nicht?

13. Beziehen nach Kenntnis der Bundesregierung alle kindergeldberechtigten
Eltern Kindergeld?
Wenn nein, wie hoch sind die Anzahl und der Anteil der Eltern, die kein
Kindergeld beziehen, obwohl sie einen Anspruch hätten, und woran liegt
dies nach Kenntnis der Bundesregierung?

14. Ist die Bundesregierung der Auffassung, dass es rechtlich möglich ist, den
Freibetrag für die Betreuung, Erziehung und Ausbildung abzuschmelzen?
Wenn ja, in welchem Umfang?
Wenn nein, warum nicht?

15. Ist die Bundesregierung angesichts der schon beschlossenen Erhöhung des
Regelsatzes des Arbeitslosengelds II der Auffassung, dass der steuerliche
Grundfreibetrag zum 1. Januar 2015 nicht mehr das gesamte Existenzmini-
mum freistellt, da der Grundfreibetrag schon für 2014 nur 2 Euro über dem
Existenzminimum veranschlagt wurde?
Wenn nein, warum nicht?

16. Wird die Bundesregierung gewährleisten, dass das Existenzminimum für
Erwachsene zum 1. Januar 2015 in ausreichender Höhe steuerfrei gestellt
wird?
Wenn ja, wie?
Wenn nein, warum nicht?

Erwerbsbedingte Kinderbetreuungskosten
17. Inwieweit gibt es aus Sicht der Bundesregierung rechtliche oder soziale

Aspekte, die dagegen sprechen, erwerbsbedingte Kinderbetreuungskosten
ebenso wie andere gemischte Aufwendungen (z. B. Wegekosten, Kosten für
ein häusliches Arbeitszimmer) als Werbungskosten bzw. Betriebsausgaben
zu berücksichtigen?

18. Welche steuerrechtlichen Unterschiede ergeben sich insbesondere im Hin-
blick auf die Geltendmachung von Verlusten, die Höhe von Sozialversiche-
rungsleistungen sowie den Umfang absetzbarer Aufwendungen aus einer
Berücksichtigung von erwerbsbedingten Kinderbetreuungskosten als Son-
derausgaben und einer Absetzbarkeit als Werbungskosten oder Betriebsaus-
gaben?

19. Wie hoch sind die durchschnittlichen Kosten, die erwerbstätigen Eltern
(beide Vollzeit; Vollzeit/Teilzeit) nach Kenntnis der Bundesregierung jähr-
lich aufgrund von erwerbsbedingter Kinderbetreuung entstehen?
Inwieweit werden diese Aufwendungen derzeit durch die Absetzbarkeit von
Kinderbetreuungskosten berücksichtigt (bitte differenziert nach Bundeslän-
dern darstellen)?

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Entlastungsbetrag für Alleinerziehende
20. Wie viele Alleinerziehende nehmen jährlich den Entlastungsbetrag für Al-

leinerziehende in Anspruch (Veranlagungszeitraum 2010 bis 2014)?
21. Wie hoch ist der prozentuale Anteil der Alleinerziehenden, die den Entlas-

tungsbetrag für Alleinerziehende in Anspruch nehmen (Veranlagungszeit-
raum 2010 bis 2014),
a) in Relation zu allen Alleinerziehenden mit kindergeldberechtigten Kin-

dern,
b) in Relation zu allen Alleinerziehenden, die Anspruch auf den Entlas-

tungsbetrag haben?
22. Wie hoch ist für diese Zeiträume die durchschnittliche steuerliche Entlas-

tung aus dem Entlastungsbetrag für Alleinerziehende insgesamt und diffe-
renziert nach Einkommensgruppen?

23. Welche alleinerziehenden Einkommensgruppen profitieren nicht vom steu-
erlichen Entlastungsbetrag, und wie werden die höheren Kosten der Lebens-
und Haushaltsführung in diesen Gruppen berücksichtigt?

24. Wie werden die höheren Kosten der Lebens- und Haushaltsführung von
Alleinerziehenden im Zweiten Buch Sozialgesetzbuch (SGB II) und im
SGB XII beim Kinderzuschlag und im Steuerrecht berücksichtigt?
Reicht dies bei den SGB-II- und SGB-XII-Leistungsberechtigten nach Ein-
schätzung der Bundesregierung in jedem Fall aus, um das Existenzmini-
mum sicherzustellen?

25. Wann plant die Bundesregierung, die im Koalitionsvertrag angekündigten
Änderungen beim Entlastungsbetrag für Alleinerziehende umzusetzen?

Berlin, den 24. November 2014

Katrin Göring-Eckardt, Dr. Anton Hofreiter und Fraktion

anzeiger Verlag GmbH, Postfach 10 05 34, 50445 Köln, Telefon (02 21) 97 66 83 40, Fax (02 21) 97 66 83 44, www.betrifft-gesetze.de

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