BT-Drucksache 18/3323

zu der dritten Beratung des Gesetzentwurfs der Bundesregierung - Drucksachen 18/2000, 18/2002, 18/2812, 18/2823, 18/2824, 18/2825 - Entwurf eines Gesetzes über die Feststellung des Bundeshaushaltsplans für das Haushaltsjahr 2015 (Haushaltsgesetz 2015) hier: Einzelplan 12 Geschäftsbereich des Bundesministeriums für Verkehr und digitale Infrastruktur

Vom 25. November 2014


Deutscher Bundestag Drucksache 18/3323
18. Wahlperiode 25.11.2014
Entschließungsantrag
der Abgeordneten Herbert Behrens, Sabine Leidig, Roland Claus, Caren Lay,
Dr. Dietmar Bartsch, Karin Binder, Heidrun Bluhm, Eva Bulling-Schröter,
Annette Groth, Kerstin Kassner, Ralph Lenkert, Michael Leutert, Dr. Gesine
Lötzsch, Thomas Lutze, Dr. Kirsten Tackmann, Hubertus Zdebel und
der Fraktion DIE LINKE.

zu der dritten Beratung des Gesetzentwurfs der Bundesregierung
– Drucksachen 18/2000, 18/2002, 18/2812, 18/2823, 18/2824, 18/2825 –

Entwurf eines Gesetzes
über die Feststellung des Bundeshaushaltsplans für das Haushaltsjahr 2015
(Haushaltsgesetz 2015)

hier: Einzelplan 12

Geschäftsbereich des Bundesministeriums für Verkehr
und digitale Infrastruktur

Der Bundestag wolle beschließen:

I. Der Deutsche Bundestag stellt fest:

Die Einführung einer Pkw-Maut oder einer Infrastrukturabgabe bzw. jedweder
Straßenbenutzungsgebühren für Pkw ist weder erforderlich noch sinnvoll.
Die vom Bundesministerium für Verkehr und digitale Infrastruktur geplante und
vorbereitete Infrastrukturabgabe belastet darüber hinaus das Verhältnis Deutsch-
lands mit seinen europäischen Nachbarn. Eine Abgabe, die indirekt nur von
Ausländerinnen und Ausländern (bzw. ausländischen Fahrzeughaltern) bezahlt
werden muss, sehen die europäischen Nachbarstaaten als Affront an und ziehen
Klagen vor dem Europäischen Gerichtshof in Erwägung.
Die aus sozialen und ökologischen Gesichtspunkten zweifelhafte Infrastruktur-
abgabe/Pkw-Maut droht zudem zur haushalterischen Belastung zu werden. Der
Gesetzentwurf, der sich, so weit bekannt, noch in der Ressortabstimmung befin-
det, weist zahlreiche Schwächen und Rechtsunsicherheiten auf. Vor allem ist
nicht nachvollziehbar, wie die angenommen Einnahmen in Höhe von jährlich

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700 Millionen Euro, die ausschließlich von ausländischen Fahrzeughalterinnen
und -haltern generiert werden sollen, berechnet wurden.
Insbesondere vom ADAC wird bezweifelt, dass die im Gesetzentwurf veran-
schlagten Nettoeinnahmen von jährlich 500 Millionen Euro realisierbar sind.
Eine vom ADAC vorgelegte Studie kommt im Gegensatz zu den unter Ver-
schluss gehaltenen Berechnungen des BMVI („Wer liegt daneben?“, DIE ZEIT,
06.11.2014) zu dem Ergebnis, dass die Pkw-Maut bestenfalls ein Nullsummen-
spiel wird.
Im Gesetzentwurf bereits vorgesehen, aber noch nicht konkret beziffert, ist die
finanzielle Beteiligung der Länder bzw. Kommunen an den Einnahmen. Weil
alle Bundesstraßen für inländische Kfz-Halter mautpflichtig werden sollen (so
wird versucht, die Zwangsmaut für alle inländischen Fahrzeuge zu rechtferti-
gen), sind somit auch innerorts gelegene Abschnitte von Bundesstraßen maut-
pflichtig, von denen viele Autofahrerinnen und -fahrer gar nicht wissen, dass sie
Bundesstraßen sind. Diese Straßen unterliegen aber kommunaler Baulast. Dar-
aus rührt der Anspruch auf einen Anteil an den auch von inländischen Fahr-
zeughalterinnen und -haltern erhobenen Einnahmen. Darüber hinaus begründet
die Einbeziehung von Straßen in kommunaler Baulast eine Zustimmungspflicht
des Bundesrats.
Laut Begründung des Entwurfs vom 29.10.2014 wird die Zwangsmaut für alle
Halterinnen und -halter in Deutschland zugelassener Pkw mit einem – noch
nicht veröffentlichten – Gutachten begründet, wonach lediglich 0,6 Prozent aller
Kfz ganzjährig nicht auf Bundesfernstraßen gefahren werden. Selbst wenn es
derzeit nur 0,6 Prozent aller Kfz wären, müsste es für deren Halterinnen und
Halter die Möglichkeit geben, sich auf Antrag die Infrastrukturabgabe zurücker-
statten zu lassen. Zudem würde sich dieser Anteil nach Einführung der Abgabe
möglicherweise erhöhen, weil mehr deutsche Fahrzeughalterinnen und -halter
künftig Bundesfernstraßen mieden. Die Jahres-Zwangsmaut für Halterinnen
und Halter in Deutschland zugelassener Pkw, ohne Möglichkeit, sich diese auf
Antrag zurückerstatten zu lassen und ohne die Möglichkeit, wie für ausländische
Kfz 10-Tages- oder Monatsvignetten erwerben zu können, ist rechtlich nicht
haltbar und politisch nicht gewollt.
Bei den angegebenen 500 Millionen Euro Nettoeinnahmen sind zudem die Kos-
ten für die Errichtung des PKW-Mautsystems, die im Gesetzentwurf mit 337
Millionen Euro angegeben werden, nicht berücksichtigt und müssen ebenfalls
noch in Abzug gebracht werden. Dies kritisiert auch der Normenkontrollrat in
seiner auszugsweise öffentlich bekannt gewordenen Stellungnahme. Demnach
seien die Erhebungskosten „nicht ausreichend transparent“ dargestellt
(www.saarbruecker-zeitung.de).
Ungeachtet dessen wurden durch Änderungsanträge der Koalitionsfraktionen
bereits 55 Millionen Euro für die Pkw-Maut in den Haushalt für 2015 einge-
stellt, ohne ausreichend detailliert Auskunft über deren vorgesehene Verwen-
dung zu geben. Zudem wird nicht ersichtlich, ob die 23 Millionen Euro, die für
externe Beratung („Sachverständige“) vorgesehen sind – davon 12 Millionen
Euro alleine in 2015, die anderen 11 Millionen Euro sind für 2016 und 2017
eingeplant –, in den im Gesetzentwurf angegebenen 337 Millionen Euro enthal-
ten sind. In der mittelfristigen Finanzplanung des Bundes sind zudem keine
Einnahmen aus der so genannten Ausländermaut ausgewiesen.
Vollkommen offen ist ebenfalls, ob die 300 Mautbrücken, die zur Kontrolle der
Lkw-Mauterhebung genutzt werden, auch für die Kontrolle der Pkw-Maut ge-
nutzt werden können, da sie Toll Collect gehören. Zudem sind die Mautschuld-
ner definitionsgemäß ausländische Fahrzeughalter. Fraglich ist in diesem Zu-
sammenhang somit, ob die Behörden der Staaten, die gegen die Einführung der
Infrastrukturabgabe zu klagen bereit sind, bei der Führung von Bußverfahren
gegen ihre Bürgerinnen und Bürger kooperieren werden. Es ist deswegen mit

Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 3 – Drucksache 18/3323
einer erheblichen Zeitverzögerung zu rechnen, was die prognostizierten Ein-
nahmen ebenfalls in Frage stellt.
Die Konferenz der Datenschutzbeauftragten von Bund und Ländern lehnte am
14.11.2014 in einer Entschließung die elektronische Erfassung durch eine eVig-
nette ab und sprach sich stattdessen für Vignetten als „mildere und gleicherma-
ßen effektive Mittel zur Kontrolle“ aus.

II. Der Deutsche Bundestag fordert die Bundesregierung auf,

alle Planungen für die Einführung einer Straßenbenutzungsgebühr für in- und/
oder ausländische Fahrzeughalterinnen und -halter, wie aktuell vom BMVI als
Infrastrukturabgabe vorgesehen, sofort einzustellen.

Berlin, den 24. November 2014

Dr. Gregor Gysi und Fraktion

anzeiger Verlag GmbH, Postfach 10 05 34, 50445 Köln, Telefon (02 21) 97 66 83 40, Fax (02 21) 97 66 83 44, www.betrifft-gesetze.de

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