BT-Drucksache 18/3276

zu der dritten Beratung des Gesetzentwurfs der Bundesregierung - Drucksachen 18/2000, 18/2002, 18/2806, 18/2823, 18/2824, 18/2825 - Entwurf eines Gesetzes über die Feststellung des Bundeshaushaltsplans für das Haushaltsjahr 2015 (Haushaltsgesetz 2015) hier: Einzelplan 06 Geschäftsbereich des Bundesministeriums des Innern

Vom 24. November 2014


Deutscher Bundestag Drucksache 18/3276
18. Wahlperiode 24.11.2014
Entschließungsantrag
der Abgeordneten Jan Korte, Dr. Dietmar Bartsch, Caren Lay, Herbert Behrens,
Karin Binder, Heidrun Bluhm, Eva Bulling-Schröter, Roland Claus, Sevim
Da delen, Ulla Jelpke, Kerstin Kassner, Sabine Leidig, Ralph Lenkert, Michael
Leutert, Dr. Gesine Lötzsch, Thomas Lutze, Petra Pau, Martina Renner,
Dr. Kirsten Tackmann, Frank Tempel, Halina Wawzyniak, Hubertus Zdebel
und der Fraktion DIE LINKE.

zu der dritten Beratung des Gesetzentwurfs der Bundesregierung
– Drucksachen 18/2000, 18/2002, 18/2806, 18/2823, 18/2824, 18/2825 –

Entwurf eines Gesetzes
über die Feststellung des Bundeshaushaltsplans für das Haushaltsjahr 2015
(Haushaltsgesetz 2015)

hier: Einzelplan 06

Geschäftsbereich des Bundesministeriums des Innern

Der Bundestag wolle beschließen:

I. Der Deutsche Bundestag stellt fest:

1. Die Schwerpunktsetzung des Einzelplans 06 wird den aktuellen Herausfor-
derungen, mit denen die Innenpolitik der Bundesrepublik Deutschland und
die europäische Innenpolitik konfrontiert sind, nicht gerecht.

2. Ungeachtet des Versagens der Sicherheitsbehörden beim Kampf gegen
Rechtsextremismus und die tödliche Gewalt des NSU sowie beim Schutz
der Rechte der Bürgerinnen und Bürger vor illegalen und unverhältnismä-
ßigen Eingriffen durch deutsche und ausländische Nachrichtendienste,
durch kommerziellen Datenmissbrauch und durch staatliche IT-
Großprojekte setzt der EP 06 auf eine Fortsetzung und Ausweitung dieser
Politik, die einen großen Teil der Probleme selbst mit geschaffen hat. In
diesem Zusammenhang nimmt der Bundestag mit Erstaunen zur Kenntnis,
dass sich die Bundesregierung auch über öffentlich geäußerte erhebliche
Bedenken namhafter Juristen hinweg setzt (vgl. die Stellungnahmen der
Sachverständigen Bäcker, Hoffmann-Riem und Papier in der Anhörung des
1. Parlamentarischen Untersuchungsausschusses am 22. Mai 2014 oder

Drucksache 18/3276 – 2 – Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode

B. Huber, Richter und seit 1997 Mitglied der G10-Kommission in Neue Ju-
ristische Wochenschrift (NJW 2013, 2572). Sie hatten wesentliche Aktivi-
täten und die einschlägigen Rechtsgrundlagen der deutschen Nachrichten-
dienste als von der Verfassung nicht gedeckt bewertet.

3. Einerseits werden Konzeptionen und Institutionen gestärkt und gefördert,
die – wie das Bundesamt für Verfassungsschutz (BfV) mit seinem V-
Leutesystem – in wichtigen Bereichen der Sicherheit selbst zu einer Gefahr
geworden sind und im Zusammenspiel mit anderen, wie dem Bundesamt
für Sicherheit in der Informationstechnik (BSI), entweder nicht willens
oder in der Lage waren, die Gefahren, die von ausländischen Nachrichten-
diensten ausgehenfür die Sicherheit der Grundrechte zu erkennen. Auf der
anderen Seite werden Präventionsprojekte und Förderstrukturen wie die zur
Verhinderung von Radikalisierung im islamistisch/djihadistischen Bereich
genauso klein gehalten, wie die Behörden, die eine Art Wächteramt für die
Grundrechte ausüben könnten wie die Bundesbeauftragte für den Daten-
schutz (BfDI).

4. IT-Großprojekte, auch die im Rahmen der Digitalen Agenda, erweisen sich
immer wieder als unkontrollierbare Projekte. Der Bundestag kritisiert, dass
sie regelmäßig mit der Begründung weitergeführt werden, dass schon Mil-
lionensummen investiert worden sind nach dem Motto „was technisch rea-
lisierbar erscheint, wird gemacht“. Inzwischen wird aber offensichtlich,
dass diese Projekte neben ständig steigenden Kosten und unkalkulierbaren
Zeitplänen auch weitere Sicherheitsprobleme und Gefahren für die Grund-
rechte schaffen (u. a. D-Mail, Netze des Bundes (NdB), Neuordnung der
polizeilichen Datenverarbeitung).

5. Es ist zu begrüßen, dass auch der Bundesinnenminister sich inzwischen zu
Deutschland als Einwanderungsland bekennt (Plenarprotokoll 18/49, S.
4487). Dem widerspricht allerdings, dass die Haushaltsmittel im Bereich
der Integrationsförderung des Bundes nicht entsprechend der gestiegenen
Einwanderungszahlen und des damit gestiegenen Bedarfs angepasst wer-
den. Dem widerspricht auch, dass sich der Bund seiner Gesamtverantwor-
tung für eine menschenwürdige Flüchtlingsaufnahmepolitik angesichts der
globalen Herausforderung im 21. Jahrhundert nicht stellt.

II. Der Deutsche Bundestag fordert die Bundesregierung auf,

bis zur Sommerpause einen überarbeiteten Einzelplan 06 vorzulegen, der sich an
folgenden Eckpunkten orientiert, die in den folgenden Haushaltsplänen weiter-
entwickelt werden und damit die bisherige Schwerpunktsetzung ablösen und
überwinden.
Stärkung der Bundesbeauftragten für den Datenschutz in einem Umfang,

der sie in die Lage versetzt, unabhängig und umfassend die tatsächlichen
Bedrohungen der Grund- und Bürgerrechte durch kommerzielle und staatli-
che Instanzen zu erkennen und abzuwehren. Die BfDI muss institutionell,
finanziell und personell in den Kernbereich der Sicherheitspolitik rücken
und Grundrechte nicht nur schützen, sondern auf ihrer Basis auch aktiv zur
Gestaltung der gesellschaftlichen Sicherheit beitragen können.

Streichung der Mittel für die nachrichtendienstlichen Aktivitäten des Bun-
desamtes für Verfassungsschutz, Evaluierung und Neugestaltung seiner ge-
setzlichen Grundlagen.

Moratorium für IT-Großprojekte einschließlich der bisherigen Planungen
der Netze des Bundes und grundlegende Überprüfung der bisherigen Pla-
nungen, die nach Berechnungen des Bundesrechnungshofs bisher alleine
durch Verzögerungen und Fehlinvestitionen über 100 Millionen Euro ge-

Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 3 – Drucksache 18/3276

kostet haben und derzeit für ungenutzte Rechenzentrumsflächen jährlich
sechs Millionen Euro kosten.

Neukonzeption des gesamten Bereichs der Cyberabwehr und Cyberkrimina-
lität, der sich bisher vor allem durch ein undurchschaubares Netz von Zu-
ständigkeiten und teilweise überflüssiger Gremien auszeichnet. Hier gilt es
insbesondere, die in den letzten Etats schon aufgeblähten Abteilungen von
Bundeskriminalamt und Bundesamt für Verfassungsschutz zu überprüfen
sowie die auch vom Bundesrechnungshof scharf kritisierten Kooperations-
gremien wie das Cyber-Abwehrzentrum und die im angestrebten IT-
Sicherheitsgesetz geplanten Auf- und Ausbaustufen zu stoppen.
Stattdessen müssen solche Projekte an folgenden Zielen ausgerichtet wer-
den: Aufhebung der digitalen Spaltung in allen gesellschaftlichen Berei-
chen, beschleunigter Breitbandausbau in Deutschland, Sicherung der Ano-
nymität und des Rechts auf informationelle Selbstbestimmung bei der Nut-
zung moderner Informations- und Kommunikationsmedien sowie Sicherung
des Rechts auf Vertraulichkeit und Integrität informationstechnischer Sys-
teme.

Nachhaltige Förderung zivilgesellschaftlicher Präventionsprojekte im Be-
reich islamistischer Radikalisierung vor allem junger Menschen sowie in der
Auseinandersetzung mit dem Rechtsextremismus.

Konzentration auf die Aus- und Weiterbildung bei den Polizeien des Bun-
des, besonders unter Berücksichtigung der Ergebnisse der NSU-
Untersuchungsausschüsse in Bund und Ländern bzw. deren Empfehlungen.
Aufwuchs von Planstellen vor allem bei der Bundespolizei und dem Bun-
deskriminalamt im Bereich der Allgemeinkriminalität.

Neuausrichtung der Flüchtlingspolitik: Der Bund muss die maßgeblichen
Kosten für die Zeit der Aufnahme und Asylprüfung übernehmen; die Auf-
nahme muss nach dem Leitbild einer schnellen Integration der Schutzsu-
chenden ausgestaltet werden, Asylsuchende sollen schnellstmöglichen Zu-
gang zu Sprachkursen und Arbeitsfördermaßnahmen erhalten.

Integrationsmaßnahmen des Bundes müssen den gestiegenen Einwande-
rungszahlen angepasst und qualitativ weiterentwickelt werden, dies erfor-
dert eine deutliche Aufstockung der Mittel für Integrationskurse, Integrati-
onsprojekte und die Migrationsberatung.

Berlin, den 24. November 2014

Dr. Gregor Gysi und Fraktion

anzeiger Verlag GmbH, Postfach 10 05 34, 50445 Köln, Telefon (02 21) 97 66 83 40, Fax (02 21) 97 66 83 44, www.betrifft-gesetze.de

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