BT-Drucksache 18/3219

Halbzeitbilanz des Aktionsplans zur Inklusion von Menschen mit Behinderungen in der Entwicklungszusammenarbeit

Vom 7. November 2014


Deutscher Bundestag Drucksache 18/3219
18. Wahlperiode 07.11.2014
Kleine Anfrage
der Abgeordneten Niema Movassat, Heike Hänsel, Jan van Aken, Annette Groth,
Inge Höger, Andrej Hunko, Katrin Kunert, Harald Petzold (Havelland), Kathrin
Vogler, Katrin Werner, Jörn Wunderlich und der Fraktion DIE LINKE.

Halbzeitbilanz des Aktionsplans zur Inklusion von Menschen mit Behinderungen
in der Entwicklungszusammenarbeit

Im Jahr 2009 hat die Bundesregierung mit der Ratifizierung der UN-Behinder-
tenrechtskonvention gezeigt, dass sie sich zu einer inklusiven Entwicklungs-
zusammenarbeit verpflichtet. Diese Konvention hat den Begriff „Inklusion“
wesentlich mitgeprägt und zu seiner Verbreitung beigetragen. Immer noch
werden Menschen mit Behinderungen jedoch in Entwicklungsvorhaben nur
punktuell berücksichtigt. Dies läuft dem enormen Nachholbedarf und gleich-
zeitigem Handlungspotenzial zuwider, die es in diesem Bereich gibt. So leben
rund 80 Prozent der 1 Milliarde Menschen mit Behinderungen weltweit in Ent-
wicklungsländern; schätzungsweise 20 Prozent der ärmsten Menschen haben
eine Behinderung. Damit stellen behinderte Menschen eine der größten Minder-
heiten weltweit dar. Gleichzeitig wäre ein großer Teil der Behinderungen in
Entwicklungsländern vermeidbar: Rund 50 Prozent aller Fälle von Hörverlust
könnten durch rechtzeitiges Eingreifen verhindert und 80 Prozent aller Seh-
beeinträchtigungen vermieden werden.
Dies macht deutlich, dass Armutsbekämpfung nur erfolgreich sein kann, wenn
sie inklusiv ist, also wenn Menschen mit Behinderungen daran teilhaben. Eine
solche Entwicklungspolitik muss den Fokus auch über das Individuum hinaus
auf die Gesellschaft als Umfeld, das Barrieren schafft oder Potenziale freisetzt,
lenken. Dies erfordert ein radikales Umdenken in der Politik, so dass Inklusion
nicht als Angelegenheit der Minderheitenförderung, sondern als Querschnitts-
aufgabe und Menschenrechtsthema auf Policy- und Programmebene behandelt
wird. Bezeichnend ist beispielsweise, dass die Belange von Menschen mit
Behinderungen in den Millennium Development Goals (MDG) keinerlei expli-
zite Beachtung fanden. Im Rahmen des Post-2015-Prozesses bietet sich jetzt die
Gelegenheit, die Rechte von Menschen mit Behinderungen in der Post-2015-
Agenda zu verankern. Den schriftlichen Verpflichtungen müssen jetzt Taten fol-
gen.
Anhand dieser Herausforderungen ist es begrüßenswert, dass die Bundesregie-
rung zu Beginn des Jahres 2013 den Aktionsplan zur Inklusion von Menschen
mit Behinderungen vorgelegt hat. Damit möchte das Bundesministerium für
wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (BMZ) laut eigenen Angaben
sicherstellen, „dass eine systematische, querschnittsmäßige Verankerung der
Inklusion von Menschen mit Behinderungen in der deutschen Entwicklungs-
politik erfolgt“. In ihrem Koalitionsvertrag zwischen CDU, CSU und SPD hat
die gegenwärtige Bundesregierung zudem angekündigt: „Die Einbeziehung von
Menschen mit Behinderungen soll in der Entwicklungszusammenarbeit stärker

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verankert und systematischer ausgestaltet werden.“ Der auf eine Laufzeit von
drei Jahren ausgerichtete BMZ-Aktionsplan (2013 bis 2015) sieht u. a. die Vor-
lage einer Halbzeitbilanz in Form eines Statusberichtes vor. Dieser Statusbericht
wurde bisher von der Bundesregierung noch nicht vorgelegt. Zudem erntete der
Aktionsplan des BMZ Kritik von der Zivilgesellschaft für seinen Mangel an Ver-
bindlichkeit, Überprüfbarkeit der Ziele sowie mangelnder personeller und finan-
zieller Ressourcen hierfür im BMZ und in den Durchführungsorganisationen.

Wir fragen die Bundesregierung:
1. Warum hat es das BMZ bislang versäumt, die in dem Aktionsplan angekün-

digte Halbzeitbilanz in Form eines Statusberichtes vorzulegen, der im Som-
mer 2014 fällig gewesen wäre?

2. Wann wird das BMZ den Statusbericht zur Halbzeitbilanz der Umsetzung des
Aktionsplans vorlegen, wie wird dieser erstellt, und inwiefern ist eine Ver-
öffentlichung des Statusberichtes vorgesehen?

3. Welche weiteren Schritte verfolgt das BMZ bezüglich der im Aktionsplan an-
gekündigten externen Überprüfung der Umsetzung des Aktionsplans
(externes Gutachten)?
Wann und in welcher Form soll die Begutachtung ausgeschrieben und ver-
geben werden?

4. Inwiefern ist bislang die für das Monitoring vorgesehene Bestandaufnahme
in den verschiedenen Handlungsfeldern des Aktionsplans erfolgt?

5. Inwiefern strebt die Bundesregierung an, den Aktionsplan nach Ende seiner
Laufzeit neu aufzulegen und weiterzuentwickeln, wie von den Koalitions-
parteien im Vorfeld der Bundestagswahl 2013 öffentlich angekündigt
(www.cbm.de „Übersichtsmatrix CBM-Wahlprüfsteine 2013 auf inklusiver
Entwicklungszusammenarbeit“)?
Inwieweit werden an diesem Prozess Menschen mit Behinderungen und ihre
Interessenverbände aktiv beteiligt und einbezogen?

6. Inwiefern teilt die Bundesregierung die im Vorfeld der Bundestagswahl 2013
von der SPD geäußerte Kritik, der Aktionsplan bestehe mehr aus
Ankündigungen als aus konkreten Maßnahmen, im Aktionsplan fehlten
Messbarkeit und konkrete Zielgrößen, es werde nichts zu Finanzierung und
Budget gesagt und es fehlten zudem die Zuständigkeiten?

7. Inwiefern finden Ergebnisse der kritischen Bestandsaufnahmen und Evaluie-
rungen der oft unzureichenden Umsetzung und Berücksichtigung von
Gender-Aspekten in allen entwicklungspolitischen Vorhaben ihren Nieder-
schlag in der Ausgestaltung der jetzigen Querschnittsstrategie zur konse-
quenten Berücksichtigung der Inklusion?

8. Welche Kriterien legt die Bundesregierung ihrer Einschätzung zugrunde, ob
ein entwicklungspolitisches Vorhaben als ganz oder teilweise der Förderung
der Inklusion von Menschen mit Behinderungen zuzuordnen ist?

9. Hat das BMZ einen Ansatz zur Erfassung der inklusiven Ausgestaltung von
Entwicklungsmaßnahmen ausgearbeitet bzw. definiert, wie im Aktionsplan
vorgesehen?
Wenn nein, warum nicht?
Wenn ja, wie sieht dieser Ansatz aus?

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10. In welchem Umfang plant die Bundesregierung in den kommenden Jahren
entwicklungspolitische Vorhaben zu unterhalten oder zu fördern, die ganz
oder teilweise der Förderung der Inklusion von Menschen mit Behinderungen
zugeordnet werden können?
Welche konkreten finanziellen und sonstigen Zielgrößen sind diesbezüglich
in Abgrenzung zu den vorangegangenen Jahren bis zum Auslaufen des
Aktionsplans im Jahr 2015 vorgesehen?

11. Inwiefern und in welchem konkreten Umfang sieht die Bundesregierung
darüber hinaus einen kontinuierlichen Ausbau für entsprechende Maß-
nahmen vor?

12. Mit welchen konkreten Maßnahmen möchte die Bundesregierung bis zum
Ablauf der gegenwärtigen Legislaturperiode die Einbeziehung von Men-
schen mit Behinderungen in der Entwicklungszusammenarbeit stärker ver-
ankern und systematischer ausgestalten, so wie es der Koalitionsvertrag
vorsieht?

13. Welche konkreten Maßnahmen hat die Bundesregierung in der laufenden
Legislaturperiode dazu bereits ergriffen?

14. Inwiefern hat die Bundesregierung bis dato in den internationalen Verhand-
lungen der Post-2015-Agenda der UN das Thema der Inklusion bei Verhand-
lungen von Konventionen und Resolutionen, insbesondere der Generalver-
sammlung, des ECOSOC und der sozialen Entwicklungskommission, aktiv
eingebracht, und bzw. oder inwiefern plant sie, dies künftig zu tun, wie es
der Aktionsplan vorsieht?

Berlin, den 6. November 2014

Dr. Gregor Gysi und Fraktion

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