BT-Drucksache 18/3091

zu der dritten Beratung des Gesetzentwurfs der Bundesregierung - Drucksachen 18/2575, 18/2626 - Entwurf eines Gesetzes zur Umsetzung der Richtlinie 2014/59/EU des Europäischen Parlaments und des Rates vom 15. Mai 2014 zur Festlegung eines Rahmens für die Sanierung und Abwicklung von Kreditinstituten und Wertpapierfirmen und zur Änderung der Richtlinie 82/891/EWG des Rates, der Richtlinien 2001/24/EG, 2002/47/EG, 2004/25/EG, 2005/56/EG, 2007/36/EG, 2011/35/EU, 2012/30/EU und 2013/36/EU sowie der Verordnungen (EU) Nr. 1093/2010 und (EU) Nr. 648/2012 des Europäischen Parlaments und des Rates (BRRD-Umsetzungsgesetz)

Vom 5. November 2014


Deutscher Bundestag Drucksache 18/3091
18. Wahlperiode 05.11.2014
Entschließungsantrag
der Abgeordneten Dr. Axel Troost, Klaus Ernst, Susanna Karawanskij,
Jutta Krellmann, Thomas Lutze, Thomas Nord, Richard Pitterle, Michael
Schlecht, Alexander Ulrich und der Fraktion DIE LINKE.

zu der dritten Beratung des Gesetzentwurfs der Bundesregierung
– Drucksachen 18/2575, 18/2626, 18/3088 –

Entwurf eines Gesetzes zur Umsetzung der Richtlinie 2014/59/EU des
Europäischen Parlaments und des Rates vom 15. Mai 2014 zur Festlegung
eines Rahmens für die Sanierung und Abwicklung von Kreditinstituten und
Wertpapierfirmen und zur Änderung der Richtlinie 82/891/EWG des Rates,
der Richtlinien 2001/24/EG, 2002/47/EG, 2004/25/EG, 2005/56/EG, 2007/36/EG,
2011/35/EU, 2012/30/EU und 2013/36/EU sowie der Verordnungen (EU)
Nr. 1093/2010 und (EU) Nr. 648/2012 des Europäischen Parlaments und des Rates
(BRRD-Umsetzungsgesetz)

Der Bundestag wolle beschließen:

I. Der Deutsche Bundestag stellt fest:

Das Gesetz und die darin vorgeschlagenen Instrumente zur Abwicklung maroder
Banken sind untauglich, um die von der Bundesregierung selbst gesteckten Ziele
zu erreichen. Mit den Sanierungs- und Abwicklungsregeln ist im Krisenfall
nicht – wie im Gesetzentwurf behauptet wird – „die Abwicklung großer system-
relevanter Institute“ gewährleistet, „ohne die Finanzstabilität zu gefährden“. Das
Erpressungspotenzial systemrelevanter Institute gegenüber dem Staat bleibt
weiter bestehen. Auch das Versprechen der Bundesregierung, künftig keine
öffentlichen Gelder zur Rettung von Banken einsetzen zu müssen, kann nicht
gehalten werden. Statt wirksame Anreize für stabile Geschäftsmodelle zu geben,
drohen diejenigen Banken, die bisher kaum oder gar nicht an den Exzessen an
den Finanzmärkten beteiligt waren, sogar noch schlechter gestellt zu werden.
1. Die Abwicklungsinstrumente, einschließlich des zu errichtenden Banken-

abwicklungsfonds sind zur Bewältigung akuter Bankenschieflagen nicht
realistisch ausgestaltet. Sie werden in der Durchführung nicht funktionie-
ren, ohne dass Mittel der Steuerzahlerinnen und Steuerzahler zur Anwen-
dung kommen. So ist stark zu bezweifeln, dass selbst mittelgroße Institute
nach dem Regelwerk „systemschonend“ abgewickelt werden können, ge-
Drucksache 18/3091 – 2 – Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode

schweige denn international tätige Großbanken mit rechtlich unabhängigen
Tochtergesellschaften, die Geschäfte in unterschiedlichen Jurisdiktionen
betreiben.

2. Das Bail-in (die zwangsweise Abschreibung und Umwandlung von Forde-
rungen in Eigenkapital) von 8 Prozent der Bilanzsumme einer Bank, ge-
meinhin als „obligatorische Mindestbeteiligung“ der Eigentümer und Gläu-
biger kommuniziert, ist nicht glaubwürdig. Dies hat zur Folge, dass es in
einer erneuten systemischen Krise durch Ausnahmen (präventive Rekapita-
lisierung) unterlaufen werden kann.

3. Insgesamt entfaltet das Regelwerk kaum vorbeugende Wirkung zur Ver-
hinderung künftiger Bankenkrisen. Das zentrale Problem des „too big to
fail“ als eine der zentralen Ursachen der Finanzmarktkrise wird nicht ge-
löst. Das Gegenteil ist der Fall: Viele Banken sind größer denn je und ge-
hen ihren Geschäften – gerade auch den volkswirtschaftlich hochriskanten
Spekulationsgeschäften – längst wieder in dem Maße nach wie vor dem
Ausbruch der andauernden Finanzmarktkrise.

4. Der aufzubauende Bankenabwicklungsfonds, der von der Branche über
eine Bankenabgabe finanziert werden und bis 2024 ein Volumen von ca. 55
Mrd. Euro erreichen soll, wird im Fall einer systemischen Krise, bei der ei-
ne Vielzahl von Banken betroffen sind, nicht reichen. Kleineren und mittle-
ren Instituten und insbesondere deutschen Sparkassen und Genossen-
schaftsbanken wird in Hinsicht ihrer Risikoneigung und im Vergleich zu
den großen Universalbanken eine unangemessene Beitragslast aufgebürdet.
Denn Sparkassen und Genossenschaftsbanken aus Deutschland waren kei-
ne Krisenverursacher. Sie verfolgen ein konservatives, jeweils regional be-
grenztes Geschäftsmodell mit geringer Ausfallwahrscheinlichkeit. Noch
dazu verfügen sie über eigene bewährte Sicherungssysteme, müssen aber
dennoch in den Fonds einzahlen, obwohl sie davon als nicht-
systemrelevante Institute nie profitieren werden.

II. Der Deutsche Bundestag fordert die Bundesregierung auf,

1. den vorgelegten Gesetzentwurf zur Umsetzung der genannten Richtlinien
und Verordnungen zur Bankenabwicklung und -sanierung zurückzunehmen
und dem Bundestag einen grundlegend überarbeiteten Entwurf vorzulegen,
der den aufgeführten Kritikpunkten Rechnung trägt;

2. sich hierzulande und auf Ebene der Europäischen Union nachdrücklich für
eine grundlegende Regulierung des europäischen Bankensektors mit dem
Ziel einzusetzen, Großbanken zu verkleinern, zu vergesellschaften und auf
eine Zubringerfunktion für die Gesellschaft und die Realwirtschaft zurück-
zuführen;

3. sich hierzulande und auf Ebene der Europäischen Union konsequent dafür
einzusetzen, dass der Finanzsektor insgesamt streng reguliert, entflochten
und auf ein kontrollierbares Maß zurückgeschrumpft wird;

4. sich auf Ebene der Europäischen Union unverzüglich und nachdrücklich
für eine Revision der Abwicklungsregelungen einzusetzen, mit dem Ziel,
eine effektive und konsequente Eigentümer- und Gläubigerhaftung zu ge-
währleisten und das haftende Eigenkapital signifikant zu erhöhen. Die Ein-
lagen der Kleinsparerinnen und Kleinsparer sind öffentlich abzusichern;

5. auf Ebene der Europäischen Union entschieden darauf hinzuwirken, dass
das Volumen des europäischen Abwicklungsfonds sehr viel höher ange-
setzt und die Bankenabgabe für große Banken gemäß ihrer Größe und ins-
besondere ihrer Risikoneigung progressiv erhöht wird. Die geringen syste-

Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 3 – Drucksache 18/3091

mischen Risiken von Sparkassen und Genossenschaftsbanken einschließ-
lich der stabilisierenden Systeme der Institutssicherung sind bei der Bemes-
sung der Beiträge stärker zu berücksichtigen. Deshalb ist der delegierte
Rechtsakt der Kommission zur Ausgestaltung der Bankenabgabe zurück-
zuweisen.

Berlin, den 4. November 2014

Dr. Gregor Gysi und Fraktion

Begründung

Zu Nummer 1
Bei grenzüberschreitenden Geschäften bestehen nicht nur Schwierigkeiten in der rechtssicheren Übertragung
oder Umwandlung von Vermögenstiteln. Unternehmensabläufe von Banken mit rechtlich unabhängigen Toch-
tergesellschaften sind häufig integriert, d. h. die verschiedenen Gesellschaften wirken zusammen, z. B. beim
integrierten Cash Management oder der konzernweiten Integration von IT-Systemen. Eine Störung von inte-
grierten Unternehmensabläufen kann einen Zusammenbruch von systemrelevanten Funktionen nach sich zie-
hen. Eine Koordinierung der Aufsichtsbehörden oder Colleges ohne rechtliche Verbindlichkeit stößt dann an
ihre Grenzen, wenn eine Entscheidung Einfluss auf die Verluste eines Konzerns im jeweils anderen Land hat
und es um die etwaige Verteilung von Verlusten geht.
Statt zusammen zu stehen und sich schlagkräftig gegenüber Tochter- und Muttergesellschaft zu behaupten,
agierten die Aufsichtsbehörden in der Krise nach 2008 voneinander unabhängig und wie „Europameister im
Einzäunen“ (Martin Hellwig zit. n. Frankfurter Allgemeine Zeitung vom 24.10.2014). Es wurde wenig Rück-
sicht darauf genommen, ob sich durch eine Entscheidung der Aufsichtsbehörde A hinsichtlich der Tochterge-
sellschaft einer Großbank die Risiken und Verluste in Land B erhöhten. Dies wird sich auch in Zukunft nicht
ändern. Zwar werden sich die Aufsichtsbehörden zukünftig international besser koordinieren. Doch selbst in
der EU ist nicht gelungen, mit der BRRD EU-weite verbindliche Verfahren zu vereinbaren, mit denen Dissense
aufgelöst werden können. Dies ist lediglich in der SRM-Verordnung für die Staaten der Bankenunion der Fall,
die jedoch den wichtigen Finanzplatz London nicht einschließt und daher viel zu kurz greift.
Zu Nummer 2
Die Richtlinie zur Abwicklung und Sanierung von Finanzinstituten (BRRD) formuliert in Artikel 32 Absatz 4d
eine Ausnahme von Bail-in, wenn eine Notwendigkeit zur „Wahrung der Finanzstabilität“ angenommen wird.
Damit können (solvente) Banken im Vorfeld, bei einer absehbaren Schieflage mittels einer präventiven Finanz-
sektorhilfe vorsorglich Notkredite beim Staat beantragen. Im Fall einer systemischen Krise ist davon auszuge-
hen, dass die dafür vorgesehenen Einschränkungen großzügig interpretiert bzw. übergangen werden (müssen).
Zu Nummer 3
Allen Reformen zum Trotz hat sich der Bankensektor in den letzten Jahren noch weiter konzentriert. Die EU
zählt inzwischen 10 Megabanken mit einer Bilanzsumme von mehr als 1,5 Billionen Euro. Es ist kaum vor-
stellbar, dass einer dieser Giganten ungefährdet für die Finanzstabilität abgewickelt werden kann. Dafür sind
sie nicht nur zu groß, sondern auch zu komplex und zu stark miteinander vernetzt. Hinzu kommen Kreditver-
bindungen der Banken zum wachsenden Markt der Schattenbanken, beispielsweise zu weitgehend nicht regu-
lierten Hedge- und Geldmarktfonds. Ein wachsender Anteil der Geschäfte hat mit der Realwirtschaft schon
längst nichts mehr zu tun. Auch deshalb gehört ein signifikanter Anteil des Bankgeschäfts grundsätzlich auf
den Prüfstand.
Zu Nummer 4
Die Vermögenswerte der Eurozonen-Banken betragen laut „Finance Watch“ mehr als das 500-fache des ange-
strebten Zielaufkommens des Bankenabwicklungsfonds in Höhe von 55 Mrd. Euro (vgl. Finance Watch 2014,
„Finance Watch comments on the agreement for a Single Resolution Mechanism“). Diese Zielmarke, die ledig-

Drucksache 18/3091 – 4 – Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode
lich 1 Prozent der besicherten Einlagen in der Bankenunion entspricht, ist damit viel zu gering angesetzt, um
wahrscheinlich selbst mit der Pleite einer Großbank in einer Krisensituation wirksam fertig werden zu können.
Mit dem Bankenabwicklungsfonds dürfen kriselnde Banken nur dann gestützt werden, wenn wegen systemge-
fährdender Effekte eine reguläre Insolvenz nicht in Frage kommt. Obwohl somit nur mittlere oder große sys-
temrelevante Banken von dem Bankenrettungsfonds Gebrauch machen können, sollen auch kleinere Banken
die Bankenabgabe leisten, aus deren Gesamtaufkommen der Fonds gefüllt wird. Die Höhe der Bankenabgabe
bemisst sich an der Bilanzsumme abzüglich Eigenkapital und gedeckter Einlagen („beitragsrelevante Passiva“)
und wird zusätzlich risikoadjustiert. Die Risikoadjustierung soll mithilfe eines Faktors aus dem Wertebereich
von 0,8 bis 1,5 erfolgen, was eine insgesamt nur geringe Risikospreizung verspricht. So kämen nach größter
Risikospreizung nach oben hin höchstens 50 Prozent hinzu, nach unten wäre gerade mal eine Entlastung von 20
Prozent möglich.
Für sehr kleine Banken, sog. Kleinstbanken (mit einer Bilanzgröße von bis zu 1 Mrd. Euro) sind daneben Pau-
schalbeträge von bis zu 50.000 Euro jährlich vorgesehen. Von den 417 Sparkassen hierzulande, deren durch-
schnittliche Bilanzsumme bei 2,5 Mrd. Euro liegt, können von dieser Erleichterung aber nur weniger als rund
20 Prozent, etwa 70–80 Sparkassen profitieren (vgl. Antwort der Bundesregierung auf die Schriftliche Frage 27
des Abgeordneten Dr. Axel Troost auf Bundestagsdrucksache 18/2930). Für Banken mit einer Bilanzsumme
von bis zu 3 Mrd. Euro wurde bei letzten Verhandlungen noch eine Übergangsregelung ausverhandelt, die je-
doch keine wirkliche Erleichterung bedeutet. Eine typische Sparkasse wird dadurch lediglich um ca. 10 Prozent
entlastet.

Beispielrechnung (auf Grundlage der Antwort der Bundesregierung auf die Schriftliche Frage 15 des
Abgeordneten Dr. Axel Troost auf Bundestagsdrucksache 18/3104):
Laut Information der Bundesregierung im Finanzausschuss vom 15.10.2014 liegt der Abgabesatz für
eine Bank ohne Risikoadjustierung bei ca. 3 Basispunkten. Dann würde auf 300 Mio. Euro Bemes-
sungsgrundlage 90.000 Euro Bankenabgabe erhoben. Geht man von einer Risikoadjustierung um
den Faktor 0,9 aus, landet man bei 81.000 Euro. Mit der Übergangsregelung wird auf die ersten 300
Mio. Euro Bemessungsgrundlage statt der regulären Abgabe „nur“ ein Betrag von 50.000 Euro er-
hoben. Dies deckt sich mit der Antwort der Bundesregierung (Entlastung zwischen 30.000 – 40.000
Euro).
Insgesamt ist die entlastende Wirkung allerdings bescheiden, wie eine Beispielrechnung verdeut-
licht: Bei einer Sparkasse mit 2 Milliarden Euro Bilanzsumme und 1 Milliarde Euro Bemessungs-
grundlage und einer Risikoadjustierung von 0,9 würde mit der Übergangsregelung ein Betrag von
239.000 Euro erhoben (50.000 Euro auf die ersten 300 Mio. Euro plus 189.000 Euro auf den Rest).
Ohne Übergangsregelung wären es 270.000 Euro. Die Übergangsregelung bringt der Sparkasse da-
mit eine Entlastung von kaum mehr als 10 Prozent.
Das Rechenbeispiel ist fair gewählt, weil die Bilanzsumme von 2 Mrd. Euro genau in der Mitte des
Bereichs zwischen 1 Mrd. Euro und 3 Mrd. Euro Bilanzsumme liegt, für den die Übergangsregelung
relevant ist. Der Bilanzteil an gedeckten Einlagen liegt bei den Sparkassen bei etwa 45 Prozent.

Zum Nachteil von deutschen Sparkassen und Genossenschaftsbanken wurde ferner bei der Überarbeitung des
Rechtsaktes darauf verzichtetet, die risikomindernde Wirkung der Institutssicherung beim Risikoanpassungs-
faktor ausreichend zu gewichten. In das undurchsichtige Verfahren zur Berechnung der Beiträge fließt die Insti-
tutssicherung mit einem Beitragsnachlass von maximal 9 Prozent ein.
Die Berücksichtigung geringerer systemischer Risiken bei Sparkassen und Genossenschaftsbanken fällt bei der
Bankenabwicklung somit höchst unzureichend aus. Infolge werden die deutschen Sparkassen und Genossen-
schaftsbanken in den nächsten Jahren einen hohen dreistelligen Millionenbetrag zahlen müssen, um damit die
Pleite großer Banken zu subventionieren. Geschäftsmodellen mit großem Bestand an Derivaten im Handels-
buch und hohem Anteil an außerbilanziellen Positionen wurde weit entgegengekommen, insofern sie nunmehr
bei der Berechnung ihrer Größe Derivatepositionen bis zu 25 Prozent gegeneinander aufrechnen können (durch
sog. „Netting“). Auch ist der Risikoaufschlag für systemrelevante Banken – anders als bislang geplant – ent-
sprechend des delegierten Rechtsaktes der Europäischen Kommission nunmehr nicht mehr vorgesehen (DIE
WELT, 21.10.2014).

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