BT-Drucksache 18/3050

Bundeseinheitliche Netzentgelte für Strom

Vom 5. November 2014


Deutscher Bundestag Drucksache 18/3050
18. Wahlperiode 05.11.2014
Antrag
der Abgeordneten Ralph Lenkert, Eva Bulling-Schröter, Caren Lay, Dr. Dietmar
Bartsch, Herbert Behrens, Karin Binder, Heidrun Bluhm, Roland Claus, Kerstin
Kassner, Sabine Leidig, Michael Leutert, Dr. Gesine Lötzsch, Thomas Lutze,
Kersten Steinke, Dr. Kirsten Tackmann, Hubertus Zdebel und
der Fraktion DIE LINKE.

Bundeseinheitliche Netzentgelte für Strom

Der Bundestag wolle beschließen:

I. Der Deutsche Bundestag stellt fest:

Die gegenwärtige Umlagestruktur der Stromnetzentgelte sorgt zunehmend für regi-
onale Unterschiede bei der Kostenbelastung der Stromverbraucherinnen und -ver-
braucher. Im Vergleich der Länderdurchschnitte zeichnen sich aktuell Kostendiffe-
renzen von fast 100 Prozent ab. So mussten laut Erhebungen von Verivox im Jahr
2013 von Privat- und Gewerbekunden in Mecklenburg-Vorpommern im Mittel 9,29
Cent (ct) Stromnetzentgelt pro Kilowattstunde (kWh) gezahlt werden, während Kun-
den in Bremen mit 4,71 Cent pro Kilowattstunde (ct/kWh) nur etwa die Hälfte zu
zahlen hatten. Die Spanne der kommunalscharfen Unterschiede ist dabei noch größer
und reicht von 4,03 ct/kWh in Düsseldorf bis 9,52 ct/kWh im Havelland in Branden-
burg. Für einen Drei-Personen-Haushalt mit einem Verbrauch von 3 500 kWh im
Jahr ergibt sich im Vergleich dieser Regionen eine Preisdifferenz von 192 Euro pro
Jahr, die in der Brandenburger Kommune mehr gezahlt werden müssen als in der
Nordrhein-Westfälischen.
Die Ursachen dieses Preisgefälles liegen in der regionalen Wälzung der Investitions-
und Betriebskosten der Stromnetze.
Überdurchschnittlich hohe Netzentgelte werden schwerpunktmäßig in struktur-
schwachen Regionen mit überdurchschnittlichen Pro-Kopf-Netzinvestitionskosten
gezahlt. Durch fortschreitenden demographischen Wandel verteilen sich in ländlich
geprägten Regionen Netzkosten auf immer weniger Verbraucherinnen und Verbrau-
cher. Die Pro-Kopf-Infrastrukturkosten driften im Verhältnis zu Ballungsgebieten
weiter auseinander. Stromnetzentgelte sind u. a. auch dort besonders angestiegen,
wo der Ausbau der erneuerbaren Energien besonders zügig voranschritt. Wo mehr
Strom erzeugt als verbraucht werden kann, muss er abtransportiert werden, was Kos-
ten verursacht. Zudem haben Stromkunden insbesondere in den neuen Bundeslän-
dern aufgrund des dortigen besonders starken Ausbaus erneuerbarer Energien höhere
Netzentgelten zu zahlen, um jene Kosten auszugleichen, die für damit verbundene
Redispatch-Maßnahmen, für die Abregelungen im Rahmen des Einspeisemanage-
ments sowie zur Finanzierung vermiedener Netznutzungsentgelte für dezentrale Ein-
speiser anfallen. Das betrifft besonders auch andere ländlich geprägte Regionen mit
viel Einspeisung fluktuierenden Windkraftstroms. Der Ausbau der bundesweiten
Drucksache 18/3050 – 2 – Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode
Vernetzung Nord- und Süddeutschlands führt insbesondere in den Stromtransitregi-
onen weiterhin zu Mehrkosten, ohne dass dort ein unmittelbarer Nutzen durch neue
Stromtrassen entsteht.
Der Schwerpunkt überdurchschnittlich hoher Netzentgelte liegt in den ostdeutschen
Bundesländern.
Das Prinzip der regionalen Wälzung der Netzinvestitionen wird im Zuge des fort-
schreitenden und noch bevorstehenden Netzausbaus das Problem besonders in länd-
lichen Regionen und Gebieten mit Bevölkerungsschwund weiter verschärfen.
Eine Abschätzung der Entwicklung der Netzentgelte durch die Technische Univer-
sität Dresden im Auftrag der sächsischen Staatskanzlei kommt zu dem Ergebnis,
dass unter Beibehaltung der gegenwärtigen Kostenwälzungsstruktur hiervon nicht
nur die bereits besonders belasteten Regionen Ostdeutschlands verstärkt betroffen
sein werden, sondern auch Regionen wie der Nordosten Bayerns, das Saarland oder
das Ruhrgebiet.
Eine Angleichung der regionalen teils signifikant unterschiedlichen Netzentgelte bei
Strom würde die bei weiterem Ausbau und Betrieb der Stromnetze anfallenden Kos-
ten auf alle Nutzer gleich verteilen. Während sich eine Vereinheitlichung der Netz-
entgelte in einem Großteil der Bundesrepublik Deutschland gar nicht oder nur mar-
ginal bis moderat steigernd auf den Endkundenpreis bei Strom auswirken würde,
führte sie bei Privaten und Gewerbekunden in den stark kostenbelasteten Gebieten
zu spürbaren Entlastungen.
Angesichts der stetigen Verteuerung von Strom und in Betracht des demographi-
schen Wandels und der zu erwartenden Verschärfung der Preisunterschiede zuun-
gunsten strukturschwacher Regionen, ist es gemäß des verfassungsrechtlichen
Grundsatzes zur Herstellung und Aufrechterhaltung gleichwertiger Lebensverhält-
nisse im gesellschaftlichen Interesse, den weiteren Ausbau und den Erhalt der Strom-
netze als Rückgrat der Energiewende auf eine gleichmäßige Basis zu stellen. Ähn-
lich wie es bereits bei den Mehrkosten der umstrittenen – und schwerpunktmäßig
west- und süddeutschen Unternehmen nutzenden – Befreiungstatbeständen für die
energieintensiven Industrien sowie bei der Umlage der Förderung der Kraft-Wärme-
Kopplung, der Wind-Offshore-Umlage und den Kosten für abschaltbare Lasten ge-
tan wird, sollen auch alle anderen Kosten der Stromnetze von allen Verbraucherin-
nen und Verbrauchern in der Bundesrepublik Deutschland gleichmäßig getragen
werden.

II. Der Deutsche Bundestag fordert die Bundesregierung auf,

einen Gesetzentwurf vorzulegen, der eine bundeseinheitliche Wälzung der Strom-
netzentgelte für Privat- und Gewerbekunden vorsieht.

Berlin, den 5. November 2014

Dr. Gregor Gysi und Fraktion

x

Schnellsuche

Suchen Sie z.B.: "13 BGB" oder "I ZR 228/19". Die Suche ist auf schnelles Navigieren optimiert. Erstes Ergebnis mit Enter aufrufen.
Für die Volltextsuche in Urteilen klicken Sie bitte hier.