BT-Drucksache 18/2977

Zur sozialen Lage HIV-positiver Menschen in Deutschland

Vom 20. Oktober 2014


Deutscher Bundestag Drucksache 18/2977
18. Wahlperiode 20.10.2014
Kleine Anfrage
der Abgeordneten Harald Petzold (Havelland), Diana Golze, Matthias W. Birkwald,
Katja Kipping, Cornelia Möhring, Niema Movassat, Kathrin Vogler,
Harald Weinberg, Birgit Wöllert, Sabine Zimmermann (Zwickau) und
der Fraktion DIE LINKE.

Zur sozialen Lage HIV-positiver Menschen in Deutschland

Wie zahlreiche internationale und nationale Studien (z. B. www.spiegel.de/
gesundheit/diagnose/hiv-studie-soll-altern-mit-hiv-aids-untersuchen-a-986059.
html, www.aidshilfe.de/sites/default/files/positive_stimmen_ergebnisse_
Wolfsburg_0.pdf) zur Lage von HIV-positiven Menschen belegen, sind diese
mit zahlreichen Diskriminierungen konfrontiert. Die gesundheitliche Situation
hat sich in den letzten 15 Jahren massiv verbessert. Die HIV-Infektion ist gut be-
handelbar und man spricht von einem Wandel von HIV/Aids bzw. vom „neuen
Aids“ (Prof. Dr. Martin Dannecker). HIV-Infizierte sind chronisch Erkrankte,
die zwar mit Einschränkungen leben, deren Situation, soweit sie die lebensnot-
wendigen Medikamente rechtzeitig erhalten, nicht mehr als dramatisch zu be-
zeichnen ist. Zugleich sind Vorurteile manifest. Da die am häufigsten von HIV
betroffenen und bedrohten Gruppen, schwule und bisexuelle Männer, Sexarbei-
terinnen und Sexarbeiter, Drogengebraucherinnen und Drogengebraucher sowie
Personen aus Hochprävalenzgebieten, in Deutschland ehedem mit Diskriminie-
rungen konfrontiert sind, kumulieren Vorurteile und Diskriminierungen. Für die
Betroffenen kann ein offener Umgang mit HIV dann ein doppeltes Coming-Out
bedeuten. Deutschland hat seit nunmehr drei Jahrzehnten – bzw. in den neuen
Bundesländern seit einem Vierteljahrhundert – eine sehr gute Struktur der
Selbsthilfe aufgebaut, die den Betroffenen und ihrem Umfeld unwahrscheinlich
geholfen hat. Die Aidshilfen sind eine feste Größe der deutschen Zivilgesell-
schaft geworden, die Ausgrenzungen nicht nur von Menschen mit HIV und Aids
entgegentreten. Trotz alledem sind Maßnahmen zur Teilhabe und Integration
immer wieder neu zu entwickeln und voranzutreiben.

Wir fragen die Bundesregierung:
1. Welche Studien zur sozialen Lage und zur Diskriminierung HIV-positiver

Menschen sind der Bundesregierung bekannt, welche Schlussfolgerungen
zieht sie daraus, und zu welchen Ergebnissen kommt sie?

2. Welche diesbezüglichen Studien hat die Bundesregierung unterstützt bezie-
hungsweise in Auftrag gegeben?

3. Wie beurteilt die Bundesregierung die bisherigen Maßnahmen zur Integra-
tion und Teilhabe HIV-positiver Menschen in Deutschland?

Drucksache 18/2977 – 2 – Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode
4. Welche Beratungsangebote und Maßnahmen zur Integration und Teilhabe
stehen jugendlichen bzw. jungen erwachsenen HIV-Positiven zur Verfü-
gung, und inwieweit hält die Bundesregierung diese für ausreichend?

5. Welche Beratungsangebote und Maßnahmen zur Integration und Teilhabe
stehen transsexuellen HIV-positiven Menschen zur Verfügung, und inwie-
weit hält die Bundesregierung diese für ausreichend?

6. Was versteht die Bundesregierung unter dem Begriff der strukturellen Prä-
vention, wie beurteilt sie dieses Konzept, und inwiefern soll dieses Konzept
weiterentwickelt und ausgebaut werden?

7. Welche Studien und Statistiken zur Berufstätigkeit bzw. Arbeitslosigkeit
von HIV-positiven Menschen sind der Bundesregierung bekannt, welche
Schlussfolgerungen zieht sie daraus, und welche Handlungsoptionen leitet
sie daraus ab?

8. Mit welchen Problemen sind aus Sicht der Bundesregierung HIV-positive
Menschen im Berufsleben konfrontiert?

9. Inwiefern sind Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der Agentur für Arbeit ge-
schult, um HIV-positive Menschen speziell zu unterstützen und zu fördern,
und inwieweit hält die Bundesregierung diese Schulungen für ausreichend?

10. Welche speziellen Programme zur Integration von HIV-positiven Menschen
in den Arbeitsmarkt sind der Bundesregierung bekannt, und inwieweit hält
sie diese für ausreichend?

11. Inwiefern sind die Privatwirtschaft und der öffentliche Dienst auf die Inte-
gration von HIV-positiven Menschen vorbereitet, und inwieweit hält die
Bundesregierung die öffentliche und private Unternehmenskultur im offe-
nen Umgang mit HIV-positiven Menschen für ausreichend?

12. Wie beurteilt die Bundesregierung die Situation HIV-erkrankter Menschen
im System der Erwerbsminderungsrente, die aufgrund der deutlich verbes-
serten Therapie und damit eines besseren Gesundheitszustands wieder (be-
dingt) arbeitsfähig sind?

13. Inwieweit hält die Bundesregierung den Umfang und die Qualität medizini-
scher und beruflicher Rehabilitationsmaßnahmen für HIV-positive Men-
schen für ausreichend?

14. Gibt es aus Sicht der Bundesregierung Berufe, die HIV-positive Menschen
nicht ausüben sollten?

15. Wie beurteilt die Bundesregierung „freiwillige“ HIV-Tests im Rahmen einer
Einstellungsuntersuchung, und sollte es, wenn diese aus Sicht der Bundes-
regierung nicht notwendig sind, hier nicht eine gesetzgeberische Klarstel-
lung geben?

16. Welche Kenntnisse über die Diskriminierung von HIV-positiven Menschen
durch Ärztinnen und Ärzte liegen der Bundesregierung vor, und welche
Schlussfolgerungen zieht sie daraus?

17. Welche besonderen Kenntnisse über die Diskriminierung von HIV-positiven
Menschen durch Zahnärztinnen und Zahnärzte liegen der Bundesregierung
vor, welche Restriktionen oder besonderen Regelungen durch zahnärztliche
Vereinigungen sind der Bundesregierung bekannt, und welche Schlussfolge-
rungen zieht sie daraus?

18. Wie beurteilt die Bundesregierung den allgemeinen Kenntnisstand in
Deutschland über die Nichtinfektiosität HIV-positiver Menschen unter The-
rapie, und welche Schlussfolgerungen zieht sie daraus?

Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 3 – Drucksache 18/2977
19. Inwiefern wird in Deutschland sichergestellt, dass auch Menschen ohne
Aufenthaltsstatus, die HIV-positiv sind, Zugang zu lebensnotwendigen
HIV-Präparaten erhalten?

20. Welche Kenntnisse hat die Bundesregierung zur HIV-Testung im Rahmen
von Einstellungs- und betriebsärztlichen Untersuchungen im öffentlichen
Dienst (Beamte, Bundeswehr, Polizei und andere Angestellte im öffentli-
chen Dienst), und welche Schlussfolgerungen und Konsequenzen zieht sie
daraus?

21. Inwiefern wird die Bundesregierung die Aufnahme des Merkmals „chroni-
scher Erkrankungen“ als eigenständiges Diskriminierungsmerkmal ins All-
gemeine Gleichbehandlungsgesetz umsetzen?

22. Inwiefern wird die Bundesregierung dafür Sorge tragen, dass HIV-positive
Menschen wegen einer HIV-Exposition oder einer HIV-Transmission nicht
strafrechtlich verfolgt werden?

Berlin, den 17. Oktober 2014

Dr. Gregor Gysi und Fraktion

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