BT-Drucksache 18/2918

Reform der sozialen Selbstverwaltung und der Sozialwahlen

Vom 15. Oktober 2014


Deutscher Bundestag Drucksache 18/2918
18. Wahlperiode 15.10.2014
Kleine Anfrage
der Abgeordneten Dr. Wolfgang Strengmann-Kuhn, Maria Klein-Schmeink, Markus
Kurth, Beate Müller-Gemmeke, Brigitte Pothmer, Corinna Rüffer, Sven-Christian
Kindler, Dr. Tobias Lindner, Elisabeth Scharfenberg, Kordula Schulz-Asche,
Dr. Harald Terpe und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN

Reform der sozialen Selbstverwaltung und der Sozialwahlen

Die Bundesregierung hat im Jahr 2006 ein Gutachten zur Modernisierung der
Sozialversicherungswahlen in Auftrag gegeben. Dieses wurde im Jahr 2008 vor-
gelegt (Braun, Nullmeier et al., Gutachten zur Geschichte und Modernisierung
der Sozialversicherungswahlen, Bremen 2008). Darin empfehlen die Gutachte-
rinnen und Gutachter zum Beispiel, verpflichtende Urwahlen der Versicherten-
vertreterinnen und Versichertenvertreter in der sozialen Selbstverwaltung einzu-
führen. Im Schlussbericht des Sozialwahlbeauftragten der Bundesregierung über
die Sozialversicherungswahlen 2011 sind ebenfalls umfangreiche Vorschläge
zur Reform des Sozialwahlrechts und der sozialen Selbstverwaltung enthalten.
Auch die fragestellende Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN hatte sich in
einem Antrag aus dem Jahr 2012 („Soziale Bürgerrechte garantieren – Rechts-
position der Nutzerinnen und Nutzer sozialer Leistungen stärken“, Bundestags-
drucksache 17/7032) für weitgehende Reformen der Sozialwahlen und der
sozialen Selbstverwaltung ausgesprochen.
Die Bundesregierung hat bislang hingegen keine eigenen Vorschläge zur Re-
form der Sozialwahlen vorgelegt. Im Koalitionsvertrag aus dem Jahr 2013 haben
CDU, CSU und SPD lediglich vereinbart, in der sozialen Selbstverwaltung unter
anderem Direktwahlen und Online-Wahlen einzuführen und das „repräsentative
Verhältnis von Frauen und Männern in der Selbstverwaltung“ zu verbessern.
Konkretere Vorstellungen und Haltungen der Bundesregierung wurden bislang
nicht öffentlich bekannt.

Wir fragen die Bundesregierung:
1. Wann wird die Bundesregierung einen Gesetzentwurf zur Modernisierung

der sozialen Selbstverwaltung und der Sozialwahlen vorlegen?
2. Bezüglich welcher Probleme sieht die Bundesregierung Reformbedarf bei

dem bisherigen Verfahren der Sozialwahlen?
3. Stellt die geringe Wahlbeteiligung an den Sozialwahlen nach Auffassung der

Bundesregierung ein Problem dar?
Wenn nein, warum nicht?
Wenn ja, welche Vorschläge hat die Bundesregierung, um die Wahlbeteili-
gung zu erhöhen?

Drucksache 18/2918 – 2 – Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode
4. Welche Erkenntnisse hat die Bundesregierung über die derzeitige Zufrie-
denheit oder Unzufriedenheit der Versicherten mit den Möglichkeiten zur
Mitbestimmung in der sozialen Selbstverwaltung?

5. Ist die Bundesregierung der Auffassung, dass fehlende Wahlen (so genannte
Friedenswahlen) ein wesentlicher Faktor für eine etwaige Unzufriedenheit
bei den Versicherten ist (vgl. die Einschätzung der Gutachterinnen und Gut-
achter des genannten Gutachtens aus dem Jahr 2008)?
Wenn nein, wieso nicht?
Wenn ja, wieso?

6. Ist die Bundesregierung der Auffassung, dass es ein Problem für die Legi-
timation der Sozialwahlen wie der sozialen Selbstverwaltung insgesamt ist,
wenn laut dem Gutachten bei zahlreichen Sozialversicherungsträgern an-
stelle einer echten Wahl lediglich Friedenswahlen stattfinden?
Wenn nein, warum nicht?

7. Welche Argumente sprechen aus Sicht der Bundesregierung für und welche
gegen die im genannten Gutachten aus dem Jahr 2008 sowie durch den Be-
auftragten der Bundesregierung für die Sozialwahlen 2012 empfohlenen
Einführung verpflichtender Urwahlen der Versichertenvertreterinnen und
Versichertenvertreter in der Selbstverwaltung der gesetzlichen Krankenver-
sicherung (GKV), der gesetzlichen Rentenversicherung und der sozialen
Pflegeversicherung (SPV), und wie ist die Position der Bundesregierung zu
diesem Vorschlag?

8. Welche Argumente sprechen aus Sicht der Bundesregierung für und welche
gegen den Vorschlag im genannten Gutachten aus dem Jahr 2008, bei der
Zusammensetzung der Selbstverwaltungsgremien der Sozialversicherungs-
träger die Anteile der Versichertenvertreterinnen und Versichertenvertreter
auf zwei Drittel zu erhöhen, und wie ist die Position der Bundesregierung
zu diesem Vorschlag?

9. Welche Argumente sprechen aus Sicht der Bundesregierung für und welche
gegen eine Ausweitung der aktiven und passiven Wahlberechtigung auf alle
Versicherten (also auch auf die Familienversicherten in der Kranken- und
Pflegeversicherung sowie die Hinterbliebenenrentnerinnen und Hinterblie-
benenrentner in der Rentenversicherung), und wie ist die Position der Bun-
desregierung zu diesem Vorschlag?

10. Ist die Bundesregierung der Auffassung, dass der laut dem Gutachten ge-
ringe Frauenanteil in den Selbstverwaltungsgremien ein Problem ist?
Wenn nein, warum nicht?
Wenn ja, was gedenkt sie zu unternehmen, um den Frauenanteil zu erhöhen?

11. Welche Argumente sprechen aus Sicht der Bundesregierung für und welche
gegen eine Vorschrift, nach der das Geschlechterverhältnis auf den Vor-
schlagslisten für die Wahl von Selbstverwaltungsgremien dem Geschlech-
terverhältnis der jeweiligen Versichertenschaft des Sozialversicherungs-
trägers entsprechen muss, und wie ist die Position der Bundesregierung zu
diesem Vorschlag?

12. Wie ist die Position der Bundesregierung zu einer Einführung einer Frauen-
quote, wie es der Sozialwahlbeauftragte der Bundesregierung über die So-
zialversicherungswahlen 2011 vorschlägt?

13. Welche sonstigen Vorschläge hat die Bundesregierung, um den Frauenanteil
in den Selbstverwaltungsgremien der Sozialversicherungen zu erhöhen?

Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 3 – Drucksache 18/2918
14. Welche Argumente sprechen aus Sicht der Bundesregierung für und welche
gegen eine Regelung, die den Ausschluss der Wählbarkeit von Personen bei
Sozialwahlen vorsieht, die bei einem anderen Versicherungsträger haupt-
amtlich bzw. hauptberuflich tätig sind, und wie ist die Position der Bundes-
regierung dazu?

15. Welche Argumente sprechen aus Sicht der Bundesregierung für und welche
gegen eine Begrenzung der Wiederwahlmöglichkeit von Gremienmitglie-
dern bei Sozialwahlen, und wie ist die Position der Bundesregierung dazu?

16. Welche Argumente sprechen aus Sicht der Bundesregierung für und welche
gegen die durch den Beauftragten der Bundesregierung für die Sozialwah-
len 2012 empfohlene Ausweitung der Kompetenzen der sozialen Selbstver-
waltung (bitte die Reformempfehlungen zur GKV und die zur gesetzlichen
Rentenversicherung getrennt bewerten), und wie ist die Position der Bun-
desregierung dazu?

17. Welche konkreten Vorschläge hat die Bundesregierung zur Vermeidung von
Interessenkonflikten bei Mitgliedern der Selbstverwaltung (insbesondere
im Hinblick auf Leistungsanbieter und Personen mit regelmäßigen Ge-
schäftsbeziehungen zum Versicherungsträger)?

18. Wie ist nach Kenntnis der Bundesregierung die Entwicklung der Zusammen-
setzung der Wahlberechtigten für die Sozialwahlen im Hinblick auf ihren
Status als Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer, Arbeitgeberinnen und
Arbeitgeber und freiwillig Versicherte (bitte getrennt nach Kranken- und
Pflegekassenarten, Unfallversicherung sowie Rentenversicherung darstel-
len)?

19. Wie groß ist nach Kenntnis der Bundesregierung der Altersdurchschnitt des
derzeit in den Selbstverwaltungsgremien der Sozialversicherung tätigen
Personenkreises (bitte getrennt nach Kranken- und Pflegekassenarten, Un-
fallversicherung sowie Rentenversicherung darstellen)?

20. Welche Kenntnisse hat die Bundesregierung über die derzeitige Geschlechts-
verteilung in den Selbstverwaltungsgremien der Sozialversicherung (bitte
getrennt nach Kranken- und Pflegekassenarten, Unfallversicherung sowie
Rentenversicherung darstellen)?

21. Welche Erkenntnisse hat die Bundesregierung darüber, wie viele Mitglieder
in den Selbstverwaltungsgremien der Sozialversicherung zugleich mehrere
Wahlmandate in Selbstverwaltungsgremien innehaben (bitte getrennt nach
Kranken- und Pflegekassenarten, Unfallversicherung sowie Rentenversiche-
rung darstellen)?

22. Welche Erkenntnisse hat die Bundesregierung darüber, wie viele Mitglieder
in den Selbstverwaltungsgremien der Sozialversicherung zugleich auch
hauptberuflich bzw. hauptamtlich bei anderen Sozialversicherungsträgern
tätig sind (bitte getrennt nach Kranken- und Pflegekassenarten, Unfallver-
sicherung sowie Rentenversicherung darstellen)?

23. Wie groß ist nach Kenntnis der Bundesregierung im Durchschnitt der Anteil
derjenigen Mitglieder in Selbstverwaltungsgremien der Sozialversicherung,
die seit mehr als zwei Wahlperioden Mitglied desselben Gremiums sind
(bitte getrennt nach Kranken- und Pflegekassenarten, Unfallversicherung
sowie Rentenversicherung darstellen)?

24. Welchen prozentualen Anteil hatten nach Kenntnis der Bundesregierung
Wahlen mit Wahlhandlungen auf der Versichertenseite seit dem Jahr 1993
an den gesamten Wahlen zur Selbstverwaltung der Sozialversicherung (bitte
jeweils nach Wahljahren und getrennt nach Kranken- und Pflegekassen-
arten, Unfallversicherung sowie Rentenversicherung darstellen)?

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25. Wie groß ist nach Kenntnis der Bundesregierung die Anzahl der Listen, die
im Falle von Wahlhandlungen an den Sozialwahlen teilnehmen (bitte je-
weils nach Wahljahren und getrennt nach Kranken- und Pflegekassenarten,
Unfallversicherung sowie Rentenversicherung darstellen)?

26. Wie hat sich die Beteiligung an den Sozialwahlen seit dem Jahr 1993 nach
Kenntnis der Bundesregierung entwickelt (bitte jeweils nach Wahljahren
und getrennt nach Kranken- und Pflegekassenarten, Unfallversicherung so-
wie Rentenversicherung darstellen), und welche Schlussfolgerungen und
Konsequenzen zieht die Bundesregierung aus dieser Entwicklung?

Berlin, den 14. Oktober 2014

Katrin Göring-Eckardt, Dr. Anton Hofreiter und Fraktion

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