BT-Drucksache 18/2874

Mehr Gerechtigkeit bei der Entschädigung von Einsatzunfällen

Vom 15. Oktober 2014


Deutscher Bundestag Drucksache 18/2874
18. Wahlperiode 15.10.2014
Antrag
der Abgeordneten Agnieszka Brugger, Dr. Tobias Lindner, Doris Wagner, Omid
Nouripour, Dr. Wolfgang Strengmann-Kuhn, Annalena Baerbock, Marieluise Beck
(Bremen), Dr. Franziska Brantner, Uwe Kekeritz, Tom Koenigs, Cem Özdemir,
Claudia Roth (Augsburg), Manuel Sarrazin, Dr. Frithjof Schmidt, Jürgen Trittin,
Kai Gehring und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN

Mehr Gerechtigkeit bei der Entschädigung von Einsatzunfällen

Der Bundestag wolle beschließen:

I. Der Deutsche Bundestag stellt fest:

1. Die Bundesrepublik Deutschland beteiligt sich seit Anfang der 1990er Jahre an
internationalen friedenssichernden und humanitären Missionen. Für die in Kri-
senregionen entsandten Bundeswehrsoldatinnen und -soldaten sind diese soge-
nannten besonderen Auslandsverwendungen mit einer erheblich gesteigerten
Gefahr für Leib und Leben verbunden. Dadurch entsteht für den Dienstherrn
eine neue Versorgungsverantwortung gegenüber Bundeswehrsoldatinnen und
-soldaten und deren Familienangehörigen, wenn diese geschädigt aus dem Ein-
satz zurückkehren oder dort getötet werden. Das gilt auch für die Beamtinnen
und Beamten sowie die sonstigen Angehörigen des öffentlichen Dienstes, die an
Auslandseinsätzen der Bundeswehr beteiligt sind.
Die Versorgungsleistungen für Einsatzgeschädigte wurden mit der Verabschie-
dung des Einsatzversorgungsgesetzes im Jahr 2004, des Einsatzversorgungsver-
besserungsgesetzes im Jahr 2011 und des Bundeswehr-Reformbegleitgesetzes
im Jahr 2012 maßgeblich verbessert. Im Falle einer dauerhaften Beeinträchti-
gung der Erwerbsfähigkeit von mindestens 50 Prozent durch einen Einsatzunfall
während einer Auslandsverwendung besteht unter anderem ein Anspruch auf
eine einmalige Unfallentschädigung nach § 63e Soldatenversorgungsgesetz
(SVG).
Diese einmalige Unfallentschädigung wird jedoch nur für Bundeswehrsoldatin-
nen und -soldaten gewährt, die bei einem Einsatz nach dem
30. November 2002 geschädigt worden sind. Die Festsetzung dieses Stichtages
erfolgte unter dem Eindruck des Sprengstoffattentats in Kabul am 7. Juni 2003,
bei dem ein Autobombenanschlag auf einen ISAF-Bus vier Bundeswehrsolda-
ten tötete und 31 weitere Personen verwundete, und dem Hubschrauberabsturz
in Kabul am 21. Dezember 2002, bei dem sieben Bundeswehrsoldaten sowie
mehrere afghanische Zivilistinnen und Zivilisten zu Tode kamen.
Die Bundeswehr entsandte jedoch bereits vor diesem Stichtag Soldatinnen und
Soldaten in Krisenregionen. Teils gravierende Einsatzunfälle und traumatische
Belastungen, die es auch vor dem Stichtag zum Beispiel während der Einsätze
Drucksache 18/2874 – 2 – Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode

in Kambodscha und dem ehemaligen Jugoslawien gab, bleiben nach der derzei-
tigen Regelung ohne Entschädigung. Dies stellt eine nicht zu rechtfertigende
Ungleichbehandlung von Menschen dar, die bei Einsätzen der Bundeswehr kör-
perlich und/oder psychisch schwer verletzt wurden.

2. Nach § 63f SVG erhalten Soldatinnen und Soldaten, die keinen Anspruch auf
Unfallruhegehalt nach § 63d SVG haben, unter anderem eine Ausgleichszah-
lung, wenn es infolge eines Einsatzunfalles zu einer Dienstunfähigkeit und zum
Zeitpunkt der Beendigung des Dienstverhältnisses infolge des Einsatzunfalles
zu einer Beeinträchtigung der Erwerbsfähigkeit von mindestens 50 Prozent ge-
kommen ist. Eine im SVG vorgesehene Erhöhung der Ausgleichszahlung be-
rechnet sich nach der Anzahl der unmittelbar vor dem Einsatzunfall zurückge-
legten Dienstjahre und Dienstmonate. Die vor einer Wiederaufnahme des
Dienstverhältnisses zurückgelegten Dienstjahre bleiben hierbei jedoch gänzlich
unberücksichtigt. Insbesondere Reservistinnen und Reservisten bemängeln
diese Regelung als eine ungerechte Benachteiligung gegenüber anderen Status-
gruppen.

II. Der Deutsche Bundestag fordert die Bundesregierung auf,

1. zu prüfen, ob unabhängig vom Zeitpunkt der Einsatzschädigung, allen Bundes-
wehrsoldatinnen und -soldaten, Beamtinnen und Beamten sowie den sonstigen
Angehörigen des öffentlichen Dienstes und ihren Hinterbliebenen ein Anspruch
auf eine einmalige Einsatzentschädigung gewährt werden kann, wenn die Be-
troffenen bei einem Auslandseinsatz der Bundeswehr eine Beeinträchtigung der
Erwerbsfähigkeit von 50 Prozent und mehr erlitten haben und das Ergebnis der
Prüfung dem Deutschen Bundestag vorzulegen;

2. zu prüfen, wie sich die Regelung in § 63f Abs. 2 Satz 6 Soldatenversorgungsge-
setz auf die Versorgung von Reservistinnen und Reservisten, die einen Einsat-
zunfall erlitten haben, auswirkt, insbesondere im Vergleich zu Soldatinnen und
Soldaten auf Zeit, und auf die sonstige Versorgung sowie auf Rentenansprüche
von Reservistinnen und Reservisten aufgrund oder infolge von Einsatzunfällen
auch unter dem Gesichtspunkt des Gleichbehandlungsgebotes (Art. 3 Abs. 1
GG), der Fürsorgepflicht des Dienstherrn sowie der Versorgungsgerechtigkeit
und abhängig vom Ergebnis der Prüfung Vorschläge vorzulegen, die mögliche
Benachteiligungen dieser Statusgruppe beheben und den Deutschen Bundestag
über das Ergebnis der Prüfung zu informieren.

Berlin, den 14. Oktober 2014

Katrin Göring-Eckardt, Dr. Anton Hofreiter und Fraktion

Begründung

Es ist kein nachvollziehbarer Grund ersichtlich, warum Menschen, die bei einem Einsatz der Bundeswehr er-
heblich geschädigt wurden oder gar ums Leben gekommen sind, nur deshalb keine Entschädigung erhalten
sollen, weil die Schädigung vor irgendeinem Stichtag erfolgte. Selbst wenn Stichtagsregelungen vielfach im
allgemeinen Sozialleistungsrecht noch mit der verfassungsrechtlichen Gleichbehandlungsgebot in Einklang
stehen, so ist es doch hier zumindest ein Gebot der Gerechtigkeit, dass all diejenigen, die bei Auslandseinsätzen
der Bundeswehr beteiligt waren und dort geschädigt wurden, zumindest einen gewissen materiellen Ausgleich
erhalten.

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