BT-Drucksache 18/2870

Wohnungsnot, Mietsteigerungen und Mietwucher in Hochschulstädten bekämpfen

Vom 14. Oktober 2014


Deutscher Bundestag Drucksache 18/2870
18. Wahlperiode 14.10.2014
Antrag
der Abgeordneten Nicole Gohlke, Caren Lay, Diana Golze, Matthias W. Birkwald,
Dr. Rosemarie Hein, Sigrid Hupach, Ralph Lenkert, Cornelia Möhring, Harald
Petzold, Katrin Werner, Jörn Wunderlich und der Fraktion DIE LINKE.

Wohnungsnot, Mietsteigerungen und Mietwucher in Hochschulstädten
bekämpfen

Der Bundestag wolle beschließen:

I. Der Deutsche Bundestag stellt fest:

Insbesondere in klassischen Studierendenstädten ist die Lage auf dem Wohnungs-
markt angespannt. Weil der Ausbau von Wohnheimen nicht Schritt hält mit der
wachsenden Zahl an Studierenden, ist laut Deutschem Studentenwerk das Verhältnis
von Wohnheimplätzen zu Studierenden seit 2008 von 12,13 Prozent auf 10,13 Pro-
zent 2013 gesunken. Wer keinen Wohnheimplatz bekommt, ist dem Wohnungs-
markt ausgeliefert, worunter insbesondere einkommensschwache und ausländische
Studierende sowie Studienanfängerinnen und -anfänger leiden. Laut allen aktuellen
Prognosen ist in der näheren Zukunft nicht mit sinkenden Studierendenzahlen, also
auch nicht mit abnehmender Nachfrage nach studentischem Wohnraum zu rechnen.

Die 20. Sozialerhebung des Deutschen Studentenwerkes (DSW) aus dem Jahre 2012
bestätigt, dass die Ausgaben für Miete und Nebenkosten das studentische Budget
weitaus am stärksten belasten. Der monatliche Durchschnittsbeitrag der Mietausga-
ben hat sich zwischen 1991 und 2012 von 162 Euro auf 298 Euro fast verdoppelt.
Zum Vergleich: Der Bedarfssatz nach BAföG ist im selben Zeitraum gerade einmal
um 42 Prozent gestiegen. Studien des DSW haben gezeigt, dass bereits 2012 in na-
hezu allen Hochschulstädten die Studierenden im Durchschnitt mehr als 250 Euro
für Wohnkosten ausgaben – auf diese Höhe wird die Wohnkostenpauschale im BA-
föG ab Herbst 2016 angehoben. Deutlich mehr Miete und Nebenkosten bezahlen
Studierende durchschnittlich in Großstädten wie Köln (395 Euro), München (368
Euro) oder Hamburg (351 Euro). Zwei Drittel aller Studierenden in Deutschland ga-
ben 2012 mehr als 250 Euro für Wohnkosten aus. Besonders für Studierende mit
geringem Einkommen stellen diese Ausgaben eine erhebliche finanzielle Belastung
dar.

Vor diesem Hintergrund ist es kein Wunder, dass insbesondere Studierende mit ge-
ringen Einnahmen kostengünstige Wohnformen nutzen. So kamen 2012 40 Prozent
der Bewohner von Studentenwohnheimen aus dem untersten Einnahmequartil (bis
675 Euro), deren durchschnittliche monatliche Mietausgaben 240 Euro betrugen. Al-
lerdings erhalten aufgrund der das Angebot deutlich übersteigenden Nachfrage
längst nicht alle Studierenden mit geringem Einkommen einen Wohnheimplatz.

Drucksache 18/2870 – 2 – Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode
Der Deutsche Bundestag sieht diese Entwicklung mit großer Sorge. Schulabgänge-
rinnen und -abgänger sehen sich derzeit teilweise finanziell nicht in der Lage, ein
Studium aufzunehmen bzw. beenden zu können. Gesicherte Studienfinanzierung
stellt das wichtigste Entscheidungskriterium für ein Studium dar. Deshalb ist nicht
nur eine Erhöhung der studentischen Einnahmen, z. B. durch ein bedarfsgerechtes
BAföG geboten, sondern insbesondere auch die Bereitstellung günstigen Wohnrau-
mes. Um dieses zu gewährleisten, bedarf es neben Änderungen im Mietrecht und
eines Neustarts des sozialen Wohnungsbaus einer „Wohnheimoffensive für Studie-
rende“.

II. Der Deutsche Bundestag fordert die Bundesregierung auf,

1. ein Konzept für eine „Wohnheimoffensive für Studierende“ mit dem Ziel zu
entwickeln, der angespannten Lage auf dem studentischen Wohnungsmarkt ent-
gegenzuwirken und dauerhaft günstigen Wohnraum für Studierende bereitzu-
stellen. Die Wohnheimoffensive soll insbesondere durch folgende Maßnahmen
realisiert werden:
a) Die Zweckbindung der Kompensationsmittel des Bundes für die Gemein-

schaftsaufgabe Hochschulbau ist wieder einzuführen und um den Bereich
des studentischen Wohnens zu erweitern.

b) Diese Kompensationsmittel sind darüber hinaus aufzustocken und zu ver-
stetigen, um ein gemeinsames Bund-Länder-Programm zum Bau von zu-
sätzlichen Wohnheimplätzen für die im Deutschen Studentenwerk organi-
sierten Studentenwerke zu finanzieren. Damit diese Studentenwerke Wohn-
heimplätze für 15 Prozent der von ihnen betreuten Studierenden bereitstel-
len können, sind nach heutigem Stand rund 100 000 zusätzliche Wohnheim-
plätze notwendig. Bund und Länder sollten die Errichtungskosten, die das
Deutsche Studentenwerk auf rund 60 000 Euro pro Platz beziffert, zu 60
Prozent bezuschussen, wobei der Bund zwei Drittel dieser Förderung trägt.
Bei der Verteilungsstärke sind die unterschiedlichen Platzbedarfe der Län-
der bzw. Hochschulstädte angemessen zu berücksichtigen. Aufgrund des
dringenden Bedarfs sind binnen vier Jahren mindestens 45 000 neue Wohn-
heimplätze zu errichten. Die Kompensationsmittel des Bundes für die Ge-
meinschaftsaufgabe Hochschulbau sind entsprechend um 270 Mio. Euro pro
Jahr aufzustocken.

c) Zur Schaffung preiswerten und zweckmäßigen Wohnraums für Studierende
stellt die Bundesregierung den öffentlichen Wohnheimträgern aus dem Be-
stand eigener Liegenschaften geeignete Immobilien zu Sonderkonditionen
zur Verfügung. Für dem entgegenstehende Vorschriften, etwa in der Bun-
deshaushaltsordnung und im Gesetz über die Bundesanstalt für Immobilien-
aufgaben sind Änderungsvorschläge zu übergeben.

d) Länder und Kommunen sind finanziell und ordnungsrechtlich vollumfäng-
lich zu unterstützen, in allen Hochschulstädten, in denen die durchschnittli-
chen Wohnkosten für Studierende um 33 Prozent oder mehr über der Wohn-
kostenpauschale im BAföG-Satz liegen, kurzfristige Übergangslösungen
(Aufstellen von Wohncontainern, Heranziehung von geeigneten leer stehen-
den Immobilien etc.) zu schaffen.

e) Auf die Länder ist einzuwirken, ein Mietenmoratorium bei den Studenten-
wohnheimen in öffentlicher Trägerschaft ab dem 01.01.2015 einzuführen,
mit dem sichergestellt wird, dass die Wohnheimkosten den jeweiligen im
BAföG-Satz für die Kosten der Unterkunft vorgesehenen Betrag nicht über-
steigen.

f) Im Rahmen des Bund-Länder-Programmes sollen die öffentlichen Wohn-
heimträger bei Sanierung und Modernisierung der bestehenden Wohnheime

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nach den Bedarfsanforderungen der Länder unterstützt werden. Insbeson-
dere ist dabei der Ausstattungsstandard der Wohnheime mit der Maßgabe
zu überprüfen und anzupassen, dass genügend Wohnheimplätze zur Verfü-
gung stehen, die den Ansprüchen von Menschen mit Behinderung und Fa-
milien mit Kindern genügen.

g) Bei der Vergabe der Bundesmittel ist sicherzustellen, dass an der Organisa-
tion, Verwaltung und Gestaltung der geförderten Studierendenwohnheime
die dort wohnenden Studierenden beteiligt sind;

2. im Wege einer BAföG-Novelle sicherzustellen, dass der für Wohnzwecke ver-
anschlagte Teil des Förderungssatzes zum 1.1.2015 auf 298 Euro erhöht wird.
Fortan soll dieser Förderungssatz jährlich dynamisch an die durchschnittlichen
Steigerungswerte der Ausgaben der Studierenden für Wohnkosten angepasst
werden, um zukünftige Mietpreissteigerungen zu kompensieren. In Hochschul-
städten, in denen für den im BAföG-Satz für die Kosten der Unterkunft vorge-
sehenen Betrag kein angemessener Wohnraum zur Verfügung steht, müssen die
entsprechenden Mehrkosten für Miete und Nebenkosten im Rahmen des BAföG
übernommen werden;

3. einen Gesetzesantrag für eine echte Mietpreisbremse vorzulegen mit dem Ziel,
den vorhandenen günstigen Wohnraum zu erhalten und dadurch die Wohnkos-
ten auch für das Segment „Studentisches Wohnen“ zu dämpfen. Eine echte
Mietpreisbremse soll gleichermaßen für alle Bundesländer gelten und dafür sor-
gen, dass Mieterhöhungen ohne Wohnwertverbesserungen bei Bestandsmieten
nur in Höhe des Inflationsausgleiches zulässig sind. Mieterhöhungen allein we-
gen der Wiedervermietung einer Wohnung sind ausgeschlossen. Die von der
Bundesregierung angekündigte Streichung von Neubauten aus dem Wirkungs-
bereich einer Mietpreisbremse ist rückgängig zu machen;

4. einen Neustart des sozialen Wohnungsbaus einzuleiten. In den nächsten Jahren
ist die Errichtung von jährlich mindestens 150 000 neuen Mietwohnungen mit
Sozialbindung zu fördern. Dafür sollen leistungsfähige öffentliche-rechtliche
Wohnungsbaufonds aufgebaut werden.

Berlin, den 14. Oktober 2014

Dr. Gregor Gysi und Fraktion

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