BT-Drucksache 18/2609

zu der vereinbarten Debatte Deutschlands Beitrag zur Eindämmung der Ebola-Epidemie

Vom 24. September 2014


Deutscher Bundestag Drucksache 18/2609
18. Wahlperiode 24.09.2014
Entschließungsantrag
der Abgeordneten Kordula Schulz-Asche, Uwe Kekeritz, Maria Klein-Schmeink,
Elisabeth Scharfenberg, Dr. Harald Terpe, Katja D rner, Kai Gehring,
Dr. Franziska Brantner, Tabea R ner, Ulle Schauws, Doris Wagner, Beate
Walter-Rosenheimer, Luise Amtsberg, Agnieszka Brugger, Ekin Delig z,
Matthias Gastel, Anja Hajduk, Tom Koenigs, Renate K nast, Peter Meiwald,
Beate M ller-Gemmeke, Dr. Konstantin von Notz, Omid Nouripour, Cem

zdemir, Brigitte Pothmer, Claudia Roth (Augsburg), Corinna R ffer,
Dr. Frithjof Schmidt, Dr. Wolfgang Strengemann-Kuhn, Dr. Julia Verlinden,
Dr. Valerie Wilms und der Fraktion der BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN

zu der vereinbarten Debatte

Deutschlands Beitrag zur Eindämmung der Ebola-Epidemie

Der Bundestag wolle beschließen:

I. Der Deutsche Bundestag stellt fest:

Derzeit müssen wir in Westafrika die bisher größte, noch immer unkontrollierte Ver-
breitung von Infektionen mit dem Ebola-Virus erleben. Die seit Beginn des Aus-
bruchs deutlich unterschätzte Epidemie ist mittlerweile eine der schlimmsten Ge-
sundheitskrisen in der Geschichte der Vereinten Nationen. Die Epidemie ist eine
Zerreißprobe für die am meisten betroffenen Länder – bislang Liberia, Guinea und
Sierra Leone – und auch eine enorme Herausforderung für das Krisenmanagement
der internationalen Gemeinschaft. Ebola ist längst nicht mehr nur ein afrikanisches
Problem. Benötigt wird eine sofortige, über die WHO koordinierte humanitäre Of-
fensive mit einem stärkeren, verlässlicheren und nachhaltigerem Engagement
Deutschlands.
Deutschland verfügt über einen gut ausgebauten Katastrophenschutz. Dieser sollte
bei der Erarbeitung und Umsetzung des Aktionsprogramms „Soforthilfe Ebola“ ge-
nutzt werden. Ziel des Aktionsprogramms ist es, die Umsetzung der Response Road
Map der WHO zu unterstützen. Das Aktionsprogramm muss aus dem Dreiklang
„weitergehender Katastrophenschutz, umfassende Logistik und medizinisches Fach-
personal“ bestehen und vorrangig von Nichtregierungsorganisationen in enger Ab-
sprache mit der WHO vor Ort umgesetzt werden. Das Aktionsprogramm soll dazu
beitragen, dass beispielsweise die kurzfristigen Bedarfe wie zusätzliche Isolierzen-
tren, mehr ausgebildetes Personal, mobile Labors für eine bessere Diagnostik sowie
Flugzeuge und Schiffe, damit Personal und Material befördert werden können, ge-
deckt werden.

Drucksache 18/2609 – 2 – Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode
Angesichts der sich immer weiter zuspitzenden Lage ist ein entschlossenes und ko-
ordiniertes Vorgehen überfällig. Seit Beginn der Krise gab es seitens der WHO meh-
rere Bitten um stärkere materielle, logistische sowie personelle Unterstützung. Die
Bekämpfung der Ebola-Epidemie wird nach WHO-Schätzungen im kommenden
halben Jahr mehr als 370 Millionen Euro kosten.
Deutschland hat mit seinen Hilfszusagen viel zu lange gezögert und die prekäre Si-
tuation in den betroffenen Ländern verkannt. Die jetzigen neuerlichen Zusagen sind
zwar zu begrüßen, können aber nur ein erster Schritt sein.

II. Der Deutsche Bundestag fordert die Bundesregierung auf,

1. gemeinsam mit den in Deutschland ansässigen und vor Ort tätigen Hilfs-, Ent-
wicklungs-, Katastrophenschutz- und zivilgesellschaftlichen Organisationen
sowie mit den verschiedenen beteiligten Ministerien ein Aktionsprogramm
„Soforthilfe Ebola“ aufzulegen. Dabei ist eine enge Abstimmung insbesondere
mit dem VN-Koordinator für Ebola bei der WHO, die im Rahmen einer erwei-
terten Response Road Map der Vereinten Nationen bereits mit den betroffenen
Ländern die genauen Bedarfe erhebt, nötig. Des Weiteren sollen die multilate-
ralen und bilateralen Aktivitäten in der europäischen Union und anderen Orga-
nisationen der Vereinten Nationen berücksichtigt werden. Das Aktionspro-
gramm muss mindestens im Wert von 50 Millionen Euro aufgesetzt werden;

2. als Grundlage des Aktionsprogramms gemeinsam mit den Nichtregierungsor-
ganisationen zu identifizieren, welche technischen, personellen und logisti-
schen Kapazitäten von staatlichen und zivilen Organisationen in Deutschland
sofort verfügbar sind, um diese in den Krisengebieten nutzbar zu machen;

3. sich dafür einzusetzen, dass jetzt gemeinsam mit den Nachbarländern die für
die Prävention notwendigen Bedarfe in diesen Ländern erhoben und das Akti-
onsprogramm ggf. entsprechend erweitert wird;

4. zusammen mit der internationalen Gemeinschaft vorbeugende Maßnahmen ge-
gen die drohende Ernährungskrise in den von Ebola betroffenen Ländern zu
treffen sowie dem sich abzeichnenden Rückgang des Wirtschaftswachstums
mit einer Wiederaufbaustrategie zu begegnen;

5. im Rahmen der Entwicklungszusammenarbeit, insbesondere in den ärmsten
Ländern der Welt, den Aufbau nachhaltiger Sicherungssysteme, einschließlich
der Gesundheitspolitik, stärker in den Fokus zu stellen. Dies muss kohärent und
ressortübergreifend geschehen. Dazu gehört auch die stärkere Forschung in Be-
zug auf Krankheiten, von denen Menschen in diesen Ländern besonders betrof-
fen sind.

Berlin, den 23. September 2014

Katrin Göring-Eckardt, Dr. Anton Hofreiter und Fraktion

Begründung

In der Demokratischen Republik Kongo, im Sudan und in Uganda existieren bereits Erfahrungen im Umgang
mit dem Ebola-Erreger. Durch die dünn besiedelten, abgelegenen Regionen gelang es bisher immer, die Aus-
breitung der Krankheit in relativ kurzer Zeit zu stoppen. Anders gestaltet sich die Situation in Guinea, Sierra
Leone und Liberia: Zum ersten Mal in der Geschichte hat das tödliche Virus dicht besiedelte Küstenregionen
Afrikas erreicht. In diesen ohnehin krisengeschüttelten Ländern sind die nationalen Gesundheitssysteme nur

Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 3 – Drucksache 18/2609
rudimentär entwickelt. Des Weiteren fehlt es an staatlicher Autorität zur Umsetzung von Maßnahmen zum
Schutz der Bevölkerung. Zusätzlich existiert aber auch ein massives Misstrauen gegenüber dem Staat. Auf-
grund mangelnder Aufklärung und Präventionsmaßnahmen bestehen in der Bevölkerung, aber auch bei dem
medizinischen Personal, Unwissenheit und Ängste. Diese Gemengelage verhindert bisher die Eindämmung des
Ausbruchs und mindert zudem die Überlebenschancen der infizierten Menschen. Daher ist nicht davon auszu-
gehen, dass dieser Ausbruch ohne massive Unterstützung von außen zum Erliegen kommt. Für deutsche Hilfs-
organisationen kommt erschwerend hinzu, dass die schwer betroffenen Länder Guinea, Sierra Leone und Libe-
ria keine Partnerländer der deutschen Entwicklungszusammenarbeit sind. Daher existiert auch keine staatliche
bilaterale Zusammenarbeit, sodass vorrangig Nichtregierungsorganisationen (NGOs) mit der Bewältigung der
Krise in den Ländern befasst sind. Die Ebola-Epidemie unterstreicht einmal mehr, dass es jenen Staaten, die
von Gewalt, Konflikten und unsicheren politischen, wirtschaftlichen und sozialen Verhältnissen geprägt sind,
an Widerstandskraft gegen eine Krise derartigen Ausmaßes fehlt.
Doch es sind nicht nur die unzureichenden Bedingungen sowie Handlungsmöglichkeiten der Institutionen vor
Ort, die die Eindämmung der Epidemie so schwierig machen. Auch die Trägheit und der Egoismus der inter-
nationalen Gemeinschaft tragen zu der schweren Krise bei. Die WHO sowie „Ärzte ohne Grenzen“ werfen in
einem dramatischen Appell der internationalen Gemeinschaft insgesamt Versagen im Kampf um die Eindäm-
mung der Ebola-Epidemie vor. Die internationale Präsidentin von „Ärzte ohne Grenzen“, Joanne Liu, resü-
mierte bei einer Anhörung der Vereinten Nationen in New York Anfang September 2014, dass die Erklärung
der WHO vom 8. August 2014, wonach die Epidemie eine internationale gesundheitliche Notlage von interna-
tionaler Tragweite darstellt, keine entschiedenen Maßnahmen zur Folge hatte. Stattdessen hätten sich die Staa-
ten zu einer internationalen Koalition der Untätigkeit zusammengetan. Die Weltgemeinschaft außerhalb des
Krisengebietes sei bisher hauptsächlich mit Selbstschutz beschäftigt gewesen: Nachbarländer hätten ihre Gren-
zen geschlossen, Linienflüge sowie Schiffslinien wurden eingestellt. Die Industrienationen beschränkten ihre
bisherigen Hilfeleistungen zum Teil nur auf die Sicherung einer möglichen Ankunft von Ebola-Infizierten in
ihrem eigenen Land.
Währenddessen sind die Kliniken der Organisation „Ärzte ohne Grenzen“ in Liberia und Sierra Leone mit
Patientinnen und Patienten, bei denen Verdacht auf Ebola besteht, völlig überfüllt und der Andrang auf Hilfe
wartender Patientinnen und Patienten nimmt unaufhaltsam zu. Berichten zufolge sterben nach wie vor zahlrei-
che Menschen in ihren Dörfern und Gemeinden, ohne dass deren Kontakte verfolgt würden, was zu einer wei-
teren Ausbreitung und unaufhörlich steigenden Fallzahl beiträgt. In Sierra Leone liegen infektiöse Verstorbene
auf den Straßen und verwesen. Die Ebola-Epidemie wirft die gesamte Lebensweise und Traditionen durchei-
nander, führt zu Panik, Verunsicherung, Gerüchten und Aberglauben. Die bereits maroden Gesundheitssysteme
der betroffenen Länder stehen am Rande des Zusammenbruchs, wodurch auch ein dramatischer Anstieg der
Mortalität bei anderen, eigentlich behandelbaren Krankheiten wie Malaria und Geburtskomplikationen festzu-
stellen ist. Hinzu kommt, dass viele Helferinnen und Helfer aufgrund von Übermüdung, Überarbeitung, Hitze
sowie Ressourcen- und Zeitknappheit unabsichtlich Schutzmaßnahmen und Verhaltensregeln missachten, so-
dass es auch zu vermehrten Infektionen des Gesundheitspersonals kommt. Mindestens 150 Mitarbeiter aus dem
Gesundheitssektor sind an Ebola bereits gestorben, viele haben zu große Angst vor Ansteckung und gehen ihrer
Arbeit nicht mehr nach.
Es rächt sich nun, dass die Verantwortung im Kampf gegen Ebola lange ausschließlich überforderten Gesund-
heitsbehörden und privaten Hilfsorganisationen überlassen wurde. Die Zahlen sind alarmierend: Laut WHO
sind bereits rund 4 780 Menschen an der gefährlichen Seuche erkrankt und mehr als 2 400 gestorben. Die
Geschwindigkeit der Ausbreitung erhöht sich tagtäglich und nach WHO-Schätzungen haben sich allein in den
vergangenen drei Monaten ca. 20 000 Menschen mit dem tödlichen Virus angesteckt. Abwarten und zusehen,
wie sich die Epidemie von selbst ausbrennt, war und ist keine Option.
Seit Wochen appellieren die in den betroffenen Ländern arbeitenden Nichtregierungsorganisationen und die
WHO an die Weltgemeinschaft, dass nicht nur Geld, sondern vor allem Personal, Material und deren Transport
dringend notwendig sind. Deutschland überhörte die Hilferufe wochenlang und trägt zum Ausmaß der Kata-
strophe mit bei. Es bedurfte u. a. eines eindringlichen Appells der liberischen Präsidentin Ellen Johnson-Sirleaf
an die Bundesregierung, damit diese sich ihrer Verantwortung gegenüber den Ebola-Gebieten stellt.
Der Bundestag begrüßt es, dass die Bundesregierung ihre internationalen Hilfezusagen nun auf mehr als 17
Millionen Euro erhöht hat. Dennoch entspricht diese Summe bei weitem nicht dem internationalen Finanzie-
rungsschüssel der WHO für Deutschland, der in etwa 10 Prozent des Finanzierungsbedarfs entsprechen sollte.
Drucksache 18/2609 – 4 – Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode
Die jetzigen Zusagen der Bundesregierung zur Unterstützung der Krisengebiete sind natürlich begrüßenswert,
sie werden aber dem Ausmaß der Krise bisher nicht gerecht. Denn neben angekündigtem Transport und Aufbau
von Behandlungszentren bleibt die humanitäre Hilfe ohne zugehöriges ausgebildetes Personal wirkungslos.
Notwendig ist daher ein Aktionsprogramm „Soforthilfe Ebola“, welches sowohl die logistischen und techni-
schen als auch die personellen Kapazitäten von staatlichen und zivilen Organisationen in Deutschland bündelt
und in den Krisengebieten nutzbar macht. Das Aktionsprogramm inklusive Kostenaufstellung ist zeitnah zu
erstellen. Über die Umsetzung des Programms soll dem Auswärtigen Ausschuss, dem Ausschuss für wirtschaft-
liche Zusammenarbeit und Entwicklung, dem Haushaltausschuss, dem Ausschuss für Menschenrechte und hu-
manitäre Hilfe, dem Verteidigungsausschuss sowie dem Ausschuss für Gesundheit berichtet werden.
Darüber hinaus ist längst absehbar, dass die Folgen der Ebola-Epidemie weitreichend sein werden. Die UN-
Organisation für Ernährung und Landwirtschaft warnt vor einer kommenden Lebensmittelkrise. Wegen der
Epidemie sind die Felder in vielen betroffenen Gebieten nicht geerntet worden, abgeriegelte Grenzen und ge-
strichene Flüge erschweren die Versorgung von außen und die jüngste Entwicklung macht viele Grundnah-
rungsmittel endgültig unerschwinglich. Auch sind weitreichende wirtschaftliche Folgen absehbar.

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