BT-Drucksache 18/258

Verhandlungen zum EU-USA-Freihandelsabkommen

Vom 20. Dezember 2013


Deutscher Bundestag Drucksache 18/258
18. Wahlperiode 20.12.2013
Kleine Anfrage
der Abgeordneten Klaus Ernst, Dr. Diether Dehm, Alexander Ulrich, Thomas Nord,
Michael Schlecht, Wolfgang Gehrcke, Eva Bulling-Schröter, Sevim Dağdelen,
Nicole Gohlke, Annette Groth, Heike Hänsel, Andrej Hunko, Ralph Lenkert,
Niema Movassat, Dr. Kirsten Tackmann, Kathrin Vogler, Halina Wawzyniak,
Harald Weinberg und der Fraktion DIE LINKE.

Verhandlungen zum EU-USA-Freihandelsabkommen

Vom 16. bis 20. Dezember 2013 fand in Washington D. C. die dritte Verhand-
lungsrunde zum geplanten Freihandelsabkommen zwischen der Europäischen
Union und den USA (Transatlantic Trade and Investment Partnership; TTIP)
statt. Bereits bei der Formulierung des umfangreichen Verhandlungsmandats hat
sich gezeigt, dass keine breite Debatte über Sinn, Zweck und Folgen des TTIP
gewünscht ist. So war etwa das EU-Verhandlungsmandat lange Zeit öffentlich
unbekannt, eine valide Folgenabschätzung über die Wirkungen des TTIP gibt es
nicht und die enge Einbindung in die Verhandlungen ist Unternehmensvertretern
und -verbänden, entsprechenden Lobbygruppen und speziellen Anwaltskanzleien
vorbehalten. Einen gleichwertigen Zugang und die Möglichkeit der Einfluss-
nahme hat die Zivilgesellschaft nicht. Schließlich fallen auch die Informationen
der Bundesregierung gegenüber dem Parlament über den Verhandlungsverlauf,
das Agieren und die Positionierung der Regierungsvertreter in den zuständigen
Gremien sehr allgemein aus.
Diese Informationspolitik erklärt sich nicht allein durch die Zuständigkeit der
Europäischen Kommission für die TTIP-Verhandlung, sondern scheint bewusste
Strategie zu sein. Wie in einem bis vor kurzem noch geheimen Strategiepapier
der Europäischen Kommission nachgelesen werden kann, soll die Richtung
der Debatte primär mittels positiver Kommunikation vorgegeben werden. All-
gemeine, unverbindliche Aussagen sowie der Verweis auf Geheimhaltung und
mangelnde Zuständigkeit ergänzen trefflich diese Kommunikationsstrategie.
Eine transparente parlamentarische Debatte wird so schlicht unmöglich. Eine
rationale Entscheidungsfindung und Beeinflussung der Verhandlungen durch
den Deutschen Bundestag wird stark begrenzt, was angesichts der Tragweite
und möglichen Folgen des Freihandelsabkommens zwischen der EU und den
USA politisch inakzeptabel ist.

Drucksache 18/258 – 2 – Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode
Wir fragen die Bundesregierung:
1. Wie wird die Bundesregierung ihrer Informations- und Auskunftsverpflich-

tung gegenüber dem Parlament im Hinblick auf die Verhandlungen zum TTIP
vor dem Hintergrund nachkommen, dass die „Beratungsgegenstände […] im
Rahmen der Gemeinsamen Handelspolitik“ nach § 2 Absatz 1 Nummer 5 als
Vorhaben im Sinne des Gesetzes über die Zusammenarbeit von Bundesregie-
rung und Deutschen Bundestag in Angelegenheiten der Europäischen Union
(EUZBBG) definiert sind und die Bundesregierung nach § 4 Absatz 1 und 2
verpflichtet ist, „den Deutschen Bundestag […] umfassend, zum frühest-
möglichen Zeitpunkt, fortlaufend und in der Regel schriftlich“ über alle ent-
sprechenden Vorhaben sowie zu den „wirtschaftlichen, finanziellen und öko-
logischen Folgen des Vorhabens“ zu unterrichten?

2. Geht die Bundesregierung davon aus, dass sie den Deutschen Bundestag ent-
sprechend diesen Verpflichtungen bisher hinreichend informiert hat?
Durch welche parlamentarischen Vorlagen und anderen schriftlichen Stellung-
nahmen und durch welche mündlichen Unterrichtungen welcher Gremien ist
das geschehen?

3. Hält es die Bundesregierung über die bisherige Unterrichtung des Parlaments
hinaus für nach dem EUZBBG geboten, nach jedem Verhandlungsabschnitt
über die Fortschritte des TTIP eine umfassende schriftliche Informationsvor-
lage zum Verhandlungsstand zu übermitteln sowie diese im Rahmen einer
Regierungserklärung zu erläutern und zu debattieren?

4. Welche anderen zusätzlichen schriftlichen Informationen des Deutschen
Bundestages und seiner Gremien hält die Bundesregierung im Hinblick auf
ihre Informationspflichten nach dem EUZBBG für geboten?

5. Hat die Bundesregierung bisher alle von ihr in die TTIP-Verhandlungen ein-
gebrachten Dokumente, sonstigen schriftlichen und mündlichen Verhand-
lungsvorschläge zur Kenntnis gebracht?
Gilt das auch für Verhandlungsdokumente und -vorschläge der anderen Mit-
gliedstaaten und solche der Europäischen Kommission?
Sind alle Verhandlungsdokumente, die in einer anderen Sprache verfasst
wurden, inzwischen ins Deutsche übersetzt worden?
Wann werden die entsprechenden Übersetzungen – etwa von „DS“-Doku-
menten – vorliegen?

6. Hält die Bundesregierung des Weiteren ihre Antwort zu Frage 1 auf die Kleine
Anfrage der Fraktion DIE LINKE. auf Bundestagsdrucksache 17/14755
(Zusammensetzung der „Hochrangigen Arbeitsgruppe“) für ausreichend, in
der sie mitteilt: „Genauere Informationen zur Zusammensetzung liegen der
Bundesregierung nicht vor.“?
In welcher Hinsicht handelt die Bundesregierung angemessen, wenn sie ent-
sprechende Informationen vor dem Hintergrund eines so weit reichenden Ab-
kommens wie dem TTIP nicht beschafft?

7. Ist die Bundesregierung jetzt bereit, die Mitglieder der „Hochrangigen
Arbeitsgruppe“ dem Deutschen Bundestag unter Angabe von Namen und
Dienststellung zu nennen und sich hierfür die entsprechenden Informationen
zu beschaffen?

8. Welche Positionspapiere von Unternehmensverbänden, Anwaltskanzleien,
unternehmensnahen Lobbygruppen und Einzelunternehmen sind in die Er-
arbeitung der deutschen Position an welcher Stelle zum TTIP eingeflossen
(bitte auflisten)?
Welche inhaltlichen Positionen sind im Zuge der Ressortabstimmung über-
nommen worden, und wie wird dies begründet?

Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 3 – Drucksache 18/258
9. In welcher Relation dazu stehen Positionspapiere aus den Gewerkschaften,
von Umwelt- und Verbraucherschutzverbänden, der Kirchen und anderer
Nichtregierungsorganisationen ohne Unternehmensbezug, und wie sind
diese konkret in die Positionsfindung der Bundesregierung eingeflossen
(bitte auflisten)?

10. Welchen ständigen Zugang haben deutsche Unternehmensverbände, An-
waltskanzleien, Lobbygruppen und Einzelunternehmen zu den laufenden
TTIP-Verhandlungsrunden, und welcher kontinuierliche Informationsaus-
tausch wird ihnen durch die Bundesregierung bzw. die einzelnen Ressorts
gewährt?
Welche Konsultationen und Gespräche zum Thema gab es seit Beginn der
TTIP-Verhandlungen in den Bundesministerien und dem Bundeskanzleramt
(bitte auflisten)?

11. Welche deutschen Akteure haben u. a. durch ihre Mitgliedschaft im Verband
BusinessEurope kontinuierlichen Zugriff auf die Ergebnisse der Verhand-
lungsrunden und Informationen, die über die allgemeinen Informationen der
Generaldirektion Handel hinausgehen?

12. Wie wird die weitgehende, von der Gewerkschaft verdi, vom Bund für Um-
welt und Naturschutz Deutschland e. V. (BUND), von der Arbeitsgemein-
schaft bäuerliche Landwirtschaft e. V. und von kommunalen Spitzenverbän-
den, wie dem Bayerischen Städtetag (siehe Stellungnahme des Vorsitzenden
Dr. Ulrich Maly vom 20. November 2013) kritisierte Intransparenz im Hin-
blick auf die Ziele, Schritte und Folgen des TTIP gerechtfertigt, insbeson-
dere wo Unternehmensverbände, Anwaltskanzleien, Lobbygruppen und
Einzelunternehmen einen privilegierten Zugang (siehe Frankfurter Rund-
schau von 20. November 2013) bei der Mandatserstellung als auch beim
Zugang zu den jeweiligen Verhandlungen haben?

13. Welche Konsequenzen zieht die Bundesregierung aus der massiven Kritik
(siehe Süddeutsche Zeitung vom 11. November 2013 und GEO vom
20. Dezember 2013) an der Asymmetrie der Beteiligung und an der Ein-
flussnahme auf den TTIP-Prozess, die einerseits Akteure der Zivilgesell-
schaft fernhält und andererseits Unternehmensverbände, Anwaltskanzleien,
unternehmensnahe Lobbygruppen und Einzelunternehmen privilegiert?

14. Ist die Bundesregierung der Ansicht, dass die EU-Verhandlungsstrategie ge-
heim sein muss, um den Verhandlungserfolg nicht zu gefährden?
Wenn ja, wie begründet sie diese Position?

15. Waren angesichts der bereits heute vorliegenden Informationen zum Aus-
maß des „NSA-Überwachungsskandals“ und der geheimdienstlichen Infor-
mationsbeschaffung aller am TTIP beteiligten Akteure die Verhandlungs-
strategie und die Abstimmung der EU-Mitgliedstaaten jemals geheim?

16. Welche konkreten Ergebnisse hatte die dritte Verhandlungsrunde zum TTIP
vom 16. bis 20. Dezember 2013 in Washington D. C.?

17. In welchen konkreten Bereichen gab es über die drei bisherigen Verhand-
lungsrunden eine Einigung, und wie lauten diese konkret?

18. Welche strittigen Punkte sind bisher aufgetreten, und wie sollen diese aus-
geräumt werden?

19. Welche unterschiedlichen Positionen haben sich in welchen Bereichen in
der EU-Verhandlungsdelegation und zwischen den Vertretern der EU-Mit-
gliedstaaten herausgebildet (bitte auflisten)?

20. Wie sieht der weitere „Fahrplan“ für die Verhandlungen im Jahr 2014 aus?

Drucksache 18/258 – 4 – Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode
21. Welche konkreten Inhalte werden bei den nächsten Verhandlungsterminen
wann und wie aufgerufen (bitte im Detail auflisten)?

22. Welchen Zusammenhang sieht die Bundesregierung zwischen dem EU-
USA-Freihandelsabkommen und dem Abkommen der EU mit Kanada
(CETA)?

23. Dient das CETA als „Blaupause“ für das TTIP?
24. Wird im Rahmen der CETA-Verhandlungen mit Kanada ebenfalls über ein

Investor-Streit-Schlichtungsverfahren (Investor-state dispute settlement;
ISDS) gesprochen?
Wenn ja, an welchen Stellen gibt es im Hinblick auf die konkrete Ausgestal-
tung unterschiedliche Vorstellungen?
Welche Position vertritt die Bundesregierung in den Verhandlungen?

25. Wäre es US-amerikanischen Konzernen nach Einschätzung der Bundes-
regierung im Falle eines ISDS im CETA möglich, eine Zweigniederlassung
in Kanada zu gründen und über diese Schadensersatz gegen EU-Staaten zu
fordern, auch wenn im TTIP kein entsprechendes Investitionsschutzkapitel
enthalten sein wird?
Wenn nein, warum nicht?

26. Wird es sich nach Einschätzung der Bundesregierung sowohl bei CETA als
auch bei TTIP um gemischte Abkommen handeln, die sowohl vom Europä-
ischen Parlament als auch vom Deutschen Bundestag ratifiziert werden
müssen?
Für wann sind diese Ratifizierungsprozesse nach aktuellem Planungsstand
vorgesehen?

27. Welche weiteren Mitspracherechte haben das Europäische Parlament und
der Deutsche Bundestag im Verhandlungsprozess, insbesondere bei der
konkreten Ausgestaltung des Vertragstextes?

Berlin, den 19. Dezember 2013

Dr. Gregor Gysi und Fraktion

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