BT-Drucksache 18/2566

Deutsche Beteiligung an von den Vereinten Nationen geführten Friedensmissionen

Vom 18. September 2014


Deutscher Bundestag Drucksache 18/2566
18. Wahlperiode 18.09.2014
Kleine Anfrage
der Abgeordneten Agnieszka Brugger, Tom Koenigs, Dr. Franziska Brantner,
Dr. Tobias Lindner, Doris Wagner, Omid Nouripour, Annalena Baerbock,
Marieluise Beck (Bremen), Uwe Kekeritz, Cem Özdemir, Claudia Roth (Augsburg),
Manuel Sarrazin, Dr. Frithjof Schmidt, Jürgen Trittin und der Fraktion
BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN

Deutsche Beteiligung an von den Vereinten Nationen geführten
Friedensmissionen

Vertreterinnen und Vertreter der Bundesregierung haben sich in den zurücklie-
genden Wochen für ein verstärktes Engagement Deutschlands im Rahmen der
Vereinten Nationen (VN) ausgesprochen. Der Bundesminister des Auswärtigen,
Dr. Frank-Walter Steinmeier, sagte Ende Januar 2014 vor Vertreterinnen und
Vertretern der VN anlässlich der konstituierenden Sitzung des Scientific Ad-
visory Board des Generalsekretärs der VN: „Unser Engagement in und für die
Vereinten Nationen ist und bleibt Kernbestand deutscher Außenpolitik. […] Ich
bin der Überzeugung: Deutschland muss sich auch in Zukunft nicht nur finan-
ziell, sondern auch vor Ort und personell engagieren.“
Die Bundesministerin der Verteidigung, Dr. Ursula von der Leyen, hat während
ihres Antrittsbesuches in den USA im Juni 2014 den VN ein stärkeres Engage-
ment der Bundeswehr bei Friedensmissionen in Aussicht gestellt. Dem stellver-
tretenden VN-Generalsekretär Jan Eliasson signalisierte sie, dass dies vor allem
für technologische Fähigkeiten und Führungspositionen gelte (vgl. Süddeutsche
Zeitung vom 17. Juni 2014).
Im Koalitionsvertrag zwischen CDU, CSU und SPD heißt es mit Blick auf die
Vereinten Nationen u. a.:
„Zur Erfüllung ihrer friedenswahrenden Aufgaben benötigen die Vereinten
Nationen eine angemessene Ausstattung für ihre Friedensmissionen (Peace-
keeping) und der politischen Missionen der Weltorganisation, damit effektive
multilaterale Friedenspolitik betrieben werden kann.“
Deutschland verpflichtete sich im Jahr 1998 verbindlich, an VN-Einsätzen mit-
zuwirken und im Bedarfsfall benötigte deutsche Soldatinnen und Soldaten im
Rahmen des Stand-By Arrangement Systems der Vereinten Nationen (UNSAS)
zur Verfügung zu stellen. Aktuell befinden sich 3 618 Soldatinnen und Solda-
ten der Bundeswehr in Auslandseinsätzen (Stand: 4. September 2014 – Bericht
34/14 des Bundesministeriums der Verteidigung über die Lage in den Einsatz-
gebieten der Bundeswehr), davon allerdings nur mit 168 Soldatinnen und Sol-
daten und sieben Militärexpertinnen und Militärexperten, sowie 19 Polizistin-
nen und Polizisten in VN-geführten Friedensmissionen (Stand: 30. Juni 2014 –
www.un.org/en/peacekeeping/resources/statistics/contributors.shtml).

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Wir fragen die Bundesregierung:
1. Welchen Beitrag plant die Bundesregierung zu leisten, um die im Koalitions-

antrag angekündigte „angemessene Ausstattung“ der VN „zur Erfüllung ihrer
friedenswahrenden Aufgaben“ zu gewährleisten (bitte detailliert nach der-
zeitigen und zusätzlich geplanten Beiträgen jeweils mit Planungsstand auf-
schlüsseln)?

2. Teilt die Bundesregierung die Auffassung, dass alle VN-Mitglieder mit Un-
terzeichnung der VN-Charta grundsätzlich zur Unterstützung von VN-Mis-
sionen verpflichtet sind, wie dies u. a. in Artikel 2 der Charta der Vereinten
Nationen festgelegt ist?
a) Wie bewerten nach Kenntnis der Bundesregierung die Hauptpersonalstel-

ler von VN-Missionen die vergleichsweise geringen personellen Beiträge
Deutschlands (und anderer europäischer Staaten) zu VN-Missionen?

b) Wird der erhebliche deutsche Finanzbeitrag (derzeit 7,1 Prozent des jähr-
lichen Budgets der VN für friedenserhaltende Missionen) als ausreichen-
des Äquivalent angesehen?

c) Welche Vorteile hätten ein stärkeres deutsches Engagement bei der VN-
Friedenssicherung für die globale kollektive Sicherheit für deutsche und
europäische Sicherheitsinteressen?

d) Was sind die Gründe für die vergleichsweise geringen personellen deut-
schen Beiträge zur VN-Friedenssicherung?

3. Welches Personal in welchem Umfang hat Deutschland aktuell im Rahmen
des UNSAS für etwaige Anfragen durch die VN gemeldet (bitte nach gemel-
deter Fähigkeit, Dienstgrad, möglichem Einsatzbereich, möglicher Einsatz-
dauer aufschlüsseln)?
Wie hoch ist hinsichtlich des gemeldeten Personals jeweils der Anteil an
Frauen?

4. Plant die Bundesregierung die Bereitstellung von zivilem und polizeilichem
Personal für VN-Friedensmissionen zu erhöhen, und wenn ja, in welchem
Umfang (bitte jeweils einzeln nach gemeldeter Fähigkeit, möglichem Ein-
satzbereich und möglicher Einsatzdauer aufschlüsseln)?
Wenn nein, wie lässt sich dies mit der im Koalitionsvertrag geäußerten Ab-
sicht, die „rechtlichen, organisatorischen und finanziellen Voraussetzungen
für den Einsatz von Polizistinnen und Polizisten in Friedensmissionen [zu]
verbessern“, vereinbaren?

5. Welche Ausrüstung und welches Material hat Deutschland in welchem Um-
fang und für welchen Einsatzzeitraum im Rahmen von UNSAS für Anfragen
seitens der VN gemeldet (bitte detailliert aufzeigen)?

6. Wie lauten die genauen Bestimmungen des am 24. Juli 1998 geschlossenen
Memorandum of Understanding (MoU) zwischen der Bundesrepublik
Deutschland und den VN zur Meldung von Truppenkontingenten, Material
und Ausrüstung im Rahmen von UNSAS, und ist es seitdem zu einer Anpas-
sung des MoU gekommen?
Wenn ja, wann, mit welchem Inhalt, und warum?
Wie lauten die genauen Bestimmungen der getroffenen Zusatzvereinbarung
zum UNSAS vom 1. November 2000, und welche militärischen Beiträge in
welchem Umfang wurden hier im Einzelnen festgehalten?

Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 3 – Drucksache 18/2566
7. Inwiefern hält die Bundesregierung die im Rahmen von UNSAS gemelde-
ten Einsatzkräfte sowohl quantitativ als auch mit Blick auf die gemeldeten
Fähigkeiten für ausreichend, und plant die Bundesregierung, diesen Kräf-
teansatz anzuheben?
a) Wenn nein, warum nicht?
b) Wenn nein, wie lässt sich dieses mit den Ankündigungen vereinbaren,

VN-Friedensmissionen stärker unterstützen zu wollen?
8. Inwiefern hält es die Bundesregierung für problematisch, dass mit Blick auf

die Entsendung von Truppenkontingenten für geplante VN-Missionen nach
wie vor das Prinzip der Freiwilligkeit der Mitgliedstaaten gilt, auch wenn
diese über UNSAS Personal sowie Ausrüstung und Material für die VN als
verfügbar gemeldet haben, und inwiefern setzt sich die Bundesregierung in
diesem Zusammenhang für eine Reform des UNSAS ein?

9. Welche konkreten Vorschläge zur größeren Handlungsfähigkeit der VN bei
der Planung, Ausgestaltung und Durchführung von VN-Friedensmissionen
hat die Bundesregierung seit dem Jahr 2006 innerhalb des Special Com-
mittee on Peacekeeping Operations (C34) der VN-Generalversammlung ge-
macht?

10. Wie schnell sind über UNSAS gemeldetes Personal sowie Ausrüstung und
Material für eine potentielle VN-geführte Mission verlegbar und de facto
verfügbar, und inwiefern hält die Bundesregierung diese Zeiten für ange-
messen?
Welche Probleme hat es hier in der Vergangenheit gegeben (bitte für jede
Mission einzeln aufschlüsseln)?

11. Wie viele Anfragen haben die VN seit dem Jahr 2006 an die Bundesrepublik
Deutschland gerichtet, in denen es um die Unterstützung mit Personal (zivil,
polizeilich und militärisch), Material oder Ausrüstung für VN-geführte Mis-
sionen ging (bitte nach Jahr, Mission, Gegenstand und Umfang der Anfrage
aufschlüsseln)?
a) In welchen Fällen hat die Bundesregierung einer Anfrage der VN auf Un-

terstützung nicht oder nicht in vollem Umfang entsprochen, und warum
(bitte jeweils einzeln aufschlüsseln)?

b) Wurden sämtliche Anfragen an die Bundesregierung im Rahmen von
UNSAS gestellt, oder wurde und wird zusätzlich auf andere Möglichkei-
ten zurückgegriffen, um Personal, Material und sonstige Ressourcen sei-
tens der VN bei der Bundesrepublik Deutschland anzufragen?
Wenn ja, welche sind das?

12. Inwiefern setzt sich die Bundesregierung auf der Ebene der Europäischen
Union für den Aufbau einer Standby-Truppe ein, die im Bedarfsfall für
Friedensmissionen der VN militärische Kräfte sowie Ausrüstung und Mate-
rial zur Verfügung stellen könnte?
a) Hat es hierzu bereits Gespräche zwischen der Europäischen Union (EU),

ihren Mitgliedstaaten und den VN gegeben, und wenn ja, wann, und mit
welchen Ergebnissen?

b) Wäre es aus Sicht der Bundesregierung vertretbar, militärisches Personal
im Rahmen einer EU-Standby-Truppe dem Kommando einer VN-Frie-
densmission zu unterstellen, und wenn ja, unter welchen Bedingungen?
Wenn nein, warum nicht?

Drucksache 18/2566 – 4 – Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode
c) Gibt es ähnliche Überlegungen für die zivile und polizeiliche Personal-
bereitstellung?
aa) Wenn ja, welche?
bb)Wenn nein, warum nicht?

13. Welche Stellen der Bundesregierung sind im Falle einer Anfrage seitens der
VN bei der Entscheidung über die Bereitstellung von Personal, Material
oder Ausrüstung beteiligt, und wie viel Zeit benötigt die Bundesregierung
für die Beantwortung einer Anfrage der VN?

14. Stellt das Gesetz über die parlamentarische Beteiligung bei der Entschei-
dung über den Einsatz bewaffneter Streitkräfte im Ausland (Parlaments-
beteiligungsgesetz) nach Auffassung der Bundesregierung eine Beeinträch-
tigung für die effektive deutsche Beteiligung an VN-geführten Friedensmis-
sionen dar?
a) Wenn ja, inwiefern (bitte detailliert darstellen)?
b) Wenn ja, wurden vergangene oder laufende Missionen bereits durch die

Mechanismen der Parlamentsbeteiligung beeinträchtigt, und wenn ja, in-
wiefern (bitte konkret nach Mission und jeweilig aufgetretenen Proble-
men aufschlüsseln)?

15. Welche Maßnahmen plant die Bundesregierung, um – unter uneinge-
schränkter Wahrung der Parlamentsbeteiligung – die effektive deutsche
Beteiligung an VN-geführten Friedensmissionen zu gewährleisten?

16. Welche militärischen und zivilen Fähigkeiten sowie welches Material und
welche Ausrüstung werden nach Kenntnis der Bundesregierung seitens der
VN derzeit besonders benötigt und angefragt?
a) Inwieweit ist das notwendige Personal der Bundeswehr hinreichend für

VN-Einsätze ausgebildet?
b) Welche spezifischen Fähigkeiten benötigen Bundeswehrangehörige, Po-

lizistinnen bzw. Polizisten und Zivilexpertinnen bzw. Zivilexperten für
VN-Missionen?

c) Inwiefern verfügt die Bundeswehr über Material und Ausrüstung, die für
laufende und etwaige geplante VN-Missionen von besonderem Interesse
sind?

17. Welche Kapazitäten in welchem Umfang und mit welcher Durchhaltefähig-
keit könnte die Bundeswehr derzeit jeweils in den Bereichen Land- und
Lufttransport, sanitätsdienstliche Unterstützung, Fernmelde- und anteilige
Sicherungselemente, Pionierfähigkeiten, Marinekomponenten zur Aufklä-
rung, Überwachung und Minenabwehr, Militärbeobachter, Feldjäger sowie
Personal zur Unterstützung von Stabsarbeit auf Anfrage der VN zur Ver-
fügung stellen, und inwiefern wäre hier jeweils ausreichend einsatzbereites
Material und einsatzbereite Ausrüstung verfügbar (bitte aufschlüsseln)?

18. Wie viele Soldatinnen und Soldaten der Bundeswehr, deutsche Polizistin-
nen und Polizisten sowie sonstiges deutsches ziviles Personal wurden seit
dem Jahr 2006 im VN-Ausbildungszentrum der Bundeswehr in Hammel-
burg auf einen Einsatz im Rahmen von VN-geführten Missionen vorbereitet
(bitte nach Jahr, Zugehörigkeit zu Streitkräften, Polizei oder sonstiger zivi-
ler Einrichtung aufschlüsseln)?
a) Welche Lehrgänge, Schulungen und sonstigen Vorbereitungen werden

jeweils für militärisches, polizeiliches und sonstiges ziviles Personal in
welchem zeitlichen Umfang durchgeführt?

b) Wie häufig erfolgt eine Auffrischung der Ausbildungsinhalte?

Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 5 – Drucksache 18/2566
c) Wann, und in welchem Umfang erfolgt ggf. eine Einsatznachbereitung
durch das VN-Ausbildungszentrum oder sonstige Stellen der Bundes-
wehr?

19. Welche Kriterien sind seit dem Jahr 2006 für die Entscheidung der Entsen-
dung von Soldatinnen und Soldaten sowie Polizistinnen und Polizisten und
sonstigem zivilen Personal in VN-geführte Missionen ausschlaggebend?

20. Bei welchen VN-geführten Missionen erwägt die Bundesregierung, ent-
weder zusätzlich personelle und materielle Kapazitäten einzubringen oder
überhaupt eine Beteiligung zu realisieren, und wie wird dies im Einzelnen
begründet?
a) So die Bundesregierung ihr bisheriges Engagement im Rahmen lau-

fender VN-geführter Missionen für ausreichend hält, wie stimmt dies
dann mit den Äußerungen u. a. der Bundesministerin der Verteidigung,
Dr. Ursula von der Leyen, überein, die in einem Interview mit der Deut-
schen Welle sagte: „Und ja, wir würden gerne der Bitte der Vereinten Na-
tionen nachkommen und stärker in Führungspositionen reingehen, also
eine Friedensmission in Afrika leiten.“ (Vgl. Deutsche Welle, Interview
vom 20. Juni 2014)?

b) Aus welchen Gründen sprach sich die Bundesministerin der Verteidi-
gung für ein stärkeres deutsches Engagement im Rahmen von VN-ge-
führten Missionen in Afrika aus, welche sicherheitspolitischen Begrün-
dungen liegen dieser Aussage zugrunde, und welche Relevanz hat dies
für ein etwaiges Engagement für VN-Missionen jenseits des afrikani-
schen Kontinents?

c) Welche konkreten Maßnahmen wurden unternommen oder werden ge-
plant, um diese Ankündigungen umzusetzen (bitte einzeln aufschlüs-
seln)?

d) Auf welche konkrete Mission oder Region in Afrika bezog sich die Bun-
desministerin der Verteidigung mit dieser Ankündigung?

21. Welchen Stand hat nach Kenntnis der Bundesregierung das Vorhaben der
VN, ein schnell verlegbares Missionshauptquartier (RDMHQ) aufzubauen?
a) Wie gestaltet sich nach Kenntnis der Bundesregierung aktuell die ge-

forderte Zielgröße mit Blick auf ein ziviles und militärisches Personal?
b) In welcher Form beteiligt sich die Bundesrepublik Deutschland an der

finanziellen und personellen Ausstattung des RDMHQ?
c) Welche Pläne verfolgen die VN nach Kenntnis der Bundesregierung mit

Blick auf die Einsatzbereitschaft des RDMHQ, welche Position vertritt
die Bundesregierung diesbezüglich, und welche Anstrengungen unter-
nimmt sie entsprechend?

d) Wie steht die Bundesregierung zu der Idee, den VN unter Beachtung der
Parlamentsbeteiligung eine eigene ständige Truppe zu unterstellen?

e) Welche Möglichkeiten sieht die Bundesregierung, den VN unter Beach-
tung der Parlamentsbeteiligung eine eigene ständige Truppe zu unterstel-
len (bitte begründen)?

Berlin, den 17. September 2014

Katrin Göring-Eckardt, Dr. Anton Hofreiter und Fraktion

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