BT-Drucksache 18/2538

Drogentests der Arbeitsagenturen

Vom 12. September 2014


Deutscher Bundestag Drucksache 18/2538
18. Wahlperiode 12.09.2014
Kleine Anfrage
der Abgeordneten Jan Korte, Frank Tempel, Klaus Ernst, Sabine Zimmermann
(Zwickau), Matthias W. Birkwald, Ulla Jelpke, Kerstin Kassner, Katja Kipping,
Katrin Kunert, Martina Renner, Kersten Steinke, Azize Tank, Kathrin Vogler,
Halina Wawzyniak, Harald Weinberg, Jörn Wunderlich, Pia Zimmermann und
der Fraktion DIE LINKE.

Drogentests der Arbeitsagenturen

Nach Informationen der „BILD“ vom 3. September 2014 soll die Bundesagentur
für Arbeit (BA) 88 000 Drogentests anschaffen, um Erwerbslose und Hartz-IV-
Beziehende auf Betäubungsmittelmissbrauch zu überprüfen. Laut dem Bericht
sollen mit den Harntests unter anderem Spuren von Amphetamin, Cannabis,
Kokain, Ecstasy und auch Antidepressiva nachgewiesen werden können. Nach
Angaben eines BA-Sprechers können Arbeitsvermittler und Jobcentermitarbei-
ter bei Verdacht Drogentests veranlassen, wenn der Kunde zustimmt (vgl.
FOCUS Online vom 3. September 2014). Die Tests würden vom ärztlichen
Dienst der Arbeitsagenturen durchgeführt. Da der Konsum von Betäubungsmit-
teln in Deutschland nicht verboten ist und rechtlich als straffreie Selbstschädi-
gung gilt, stellen sich Fragen nach der Rechtsgrundlage, den konkreten Folgen
und der Verhältnismäßigkeit der Aufforderung zum Drogenscreening durch die
Arbeitsagenturen und Jobcenter sowie dem weiteren Umgang mit den dabei an-
fallenden Daten.
So ist beispielsweise gemäß § 62 des Ersten Buches Sozialgesetzbuch (SGB I)
ein Drogenscreening einer Urinprobe und/oder die Untersuchung einer Blut-
probe auf Blutalkohol von Leistungsbeziehern der Grundsicherung für Arbeits-
suchende auf eine Suchtmittelabhängigkeit für die Entscheidung über die Leis-
tung nur dann erforderlich, wenn es aus dem Verhalten der Antragsteller oder
sonst zugänglichen Informationen Hinweise hierauf gibt. Wenn eine solche
Untersuchung ohne genügende konkrete Hinweise auf eine Suchtmittelab-
hängigkeit erfolgt, stellt dies einen rechtswidrigen Eingriff in das allgemeine
Persönlichkeitsrecht gemäß Artikel 1 Absatz 1, Artikel 2 Absatz 1 des Grundge-
setzes (GG) dar (vgl. Landgericht Heidelberg, Urteil vom 22. August 2013, 3 O
403/11).

Wir fragen die Bundesregierung:
1. Stimmen die Medienberichte, wonach die BA 88 000 Drogentests anschafft

oder bereits angeschafft hat, um Erwerbslose und Hartz-IV-Beziehende auf
Betäubungsmittelmissbrauch zu überprüfen?
Wenn ja,
a) zu welchem Zeitpunkt wurden oder werden die Drogentests angeschafft,

Drucksache 18/2538 – 2 – Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode
b) um welchen Drogentest handelt es sich (bitte Hersteller und Produkt an-
geben),

c) welche Kosten entstehen dadurch,
d) fand eine entsprechende Ausschreibung statt,
e) wie hoch ist die Fehlerquote des angeschafften Drogenschnelltests,
f) auf welcher Basis wurde der Bedarf für 88 000 Tests ermittelt?

2. Welche Gründe führten zu der Entscheidung der BA, in den Arbeitsagenturen
und Jobcentern Drogentests durchzuführen, und mit welcher Absicht sollen
die Tests durchgeführt werden?
a) Zu welchem Zweck sollen die Testergebnisse in den Arbeitsagenturen und

Jobcentern verwendet werden?
b) Wie soll sichergestellt werden, dass die Untersuchungsergebnisse nur zu

diesem Zweck verwendet werden?
c) Wird jeweils die komplette Bandbreite des Drogenscreenings, also ein

Nachweis auf alle mit dem Test nachweisbaren Substanzen, durchgeführt,
und wenn ja, warum?

3. Auf welcher Rechtsgrundlage sollen die Drogentests durchgeführt werden?
4. Gab es bereits in der Vergangenheit Fälle, in denen die Arbeitsagenturen oder

die Jobcenter Drogentests von Arbeitssuchenden veranlasst haben (bitte nach
Jahr, Anzahl, Bundesland, Grund, positives oder negatives Ergebnis, Kosten
der Untersuchungen aufschlüsseln)?

5. In welchen Fällen sollen Arbeitsvermittler und Jobcentermitarbeiter bei Ver-
dacht Drogentests veranlassen können, und mit wie vielen Fällen rechnet
nach Informationen der Bundesregierung die BA jährlich?

6. Welche psychologische und medizinische Qualifikation befähigt Mitarbeite-
rinnen und Mitarbeiter der BA, „konkrete Hinweise auf eine Suchtmittelab-
hängigkeit“ zu erkennen und diese von somatischen und psychosomatischen
Beschwerden abzugrenzen?
a) Welche tatsächlichen Umstände gelten den Jobcentern als Anhaltspunkte

dafür, die ein Drogenscreening (zur Leistungsbestimmung) erforderlich
erscheinen lassen?

b) Gibt es für die Bestimmung von „Verdachtsmomenten“ interne Anweisun-
gen an die Sachbearbeiterinnen und Sachbearbeiter, Verwaltungsricht-
linien oder Ähnliches?

c) Werden die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter speziell geschult?
Wenn ja, in welchem Umfang?
Wenn nein, warum nicht?

d) Hält die Bundesregierung die Qualifizierungsmaßnahmen für angemessen
bzw. ausreichend?

7. Stimmen die Medienberichte, wonach die Drogentests jeweils vom ärztlichen
Dienst der Arbeitsagenturen durchgeführt werden sollen, und wenn ja, exis-
tieren in allen Arbeitsagenturen ärztliche Dienste, die in der Lage sind, die
Tests durchzuführen?
Wenn nein, wer soll dann die Tests durchführen?

8. Wird von den betroffenen Arbeitssuchenden jeweils vor dem Drogentest eine
ärztliche Schweigepflichtentbindung verlangt?

Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 3 – Drucksache 18/2538
9. Welche Folgen hätte ein positives Ergebnis eines solchen Drogentests für
den betroffenen Arbeitssuchenden?

10. Welche Qualifikation befähigt Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der BA,
Gesundheitsfragebögen auszuwerten?
a) Wie soll die Freiwilligkeit des Tests sichergestellt und negative Folgen

für den Betroffenen verhindert werden?
Welche Folgen hätte eine Weigerung des Arbeitssuchenden, an dem Dro-
gentest teilzunehmen, und sollen oder werden solche Weigerungen in
den Unterlagen registriert?

b) Wird der Drogentest bei bestimmten Leistungen bzw. Vermittlungen des
Jobcenters zur Voraussetzung gemacht?

c) Wie werden Betroffene über die Freiwilligkeit der Teilnahme an dem
Test aufgeklärt?

11. Wie ist der Datenschutz bei den Drogentests geregelt?
a) Wer wird über die Testergebnisse in welcher Form informiert?
b) Wie, wie lange und wo werden die Testergebnisse gespeichert, und wer

hat unter jeweils welchen Voraussetzungen Zugang zu den Daten?
c) Wie sollen die Daten gegen unberechtigten Zugriff gesichert werden?

12. Unter welchen Voraussetzungen soll eine Weitergabe der Testergebnisse an
andere Behörden möglich sein, um welche Behörden handelt es sich dabei,
und auf welcher Rechtsgrundlage fände eine solche Weitergabe jeweils
statt?

Berlin, den 11. September 2014

Dr. Gregor Gysi und Fraktion

x

Schnellsuche

Suchen Sie z.B.: "13 BGB" oder "I ZR 228/19". Die Suche ist auf schnelles Navigieren optimiert. Erstes Ergebnis mit Enter aufrufen.
Für die Volltextsuche in Urteilen klicken Sie bitte hier.