BT-Drucksache 18/2373

Erhalt des Yasuní Nationalparks in Ecuador

Vom 18. August 2014


Deutscher Bundestag Drucksache 18/2373
18. Wahlperiode 18.08.2014
Kleine Anfrage
der Abgeordneten Uwe Kekeritz, Dr. Anton Hofreiter, Annalena Baerbock,
Peter Meiwald, Bärbel Höhn, Steffi Lemke, Tom Koenigs, Marieluise Beck
(Bremen), Dr. Franziska Brantner, Agnieszka Brugger, Matthias Gastel,
Dr. Tobias Lindner, Omid Nouripour, Cem Özdemir, Claudia Roth (Augsburg),
Manuel Sarrazin, Dr. Frithjof Schmidt, Jürgen Trittin, Dr. Julia Verlinden,
Doris Wagner, Dr. Valerie Wilms und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN

Erhalt des Yasuní Nationalparks in Ecuador

Am 15. August 2013 erklärte Ecuadors Präsident Rafael Correa die internatio-
nale Yasuní-ITT-Initiative, aufgrund von mangelnder internationaler Unterstüt-
zung, für gescheitert. Er gab bekannt, die ITT-Felder des Yasuní Nationalparks,
ein einzigartiges Stück Regenwald im ecuadorianischen Amazonasbecken, nun
doch für die Ölförderung freizugeben. Bis zu diesem Zeitpunkt sollte ein beacht-
licher Teil des UNESCO-Biosphärenreservats (UNESCO – Organisation der
Vereinten Nationen für Bildung, Wissenschaft und Kultur) unberührt bleiben.
Der revolutionäre Vorschlag der Yasuní-ITT-Initiative bestand darin, auf die
Ausbeutung der immensen Ölvorkommen der Ölquellen Ishpingo, Tambococha
und Tiputini (ITT) des Yasuní-Nationalparks dauerhaft zu verzichten. Im Ge-
genzug sollte sich die internationale Gemeinschaft dazu bereit erklären, inner-
halb von 13 Jahren die Hälfte der entgangenen Einnahmen, etwa 3,6 Mrd. US-
Dollar, aus der Ölförderung zu kompensieren.
Nachdem sich die Regierung Correa im Jahr 2007 der Yasuní-ITT-Initiative an-
nahm und der Nationalversammlung der Vereinten Nationen (UNO) präsen-
tierte, signalisierten viele Länder Unterstützungsbereitschaft – darunter vor
allem auch Deutschland. Im Jahr 2008 beschloss der Deutsche Bundestag frak-
tionsübergreifend (Bundestagsdrucksache 16/9758), in den von der UNO ver-
walteten Yasuní-Treuhandfonds einzuzahlen. Nach dem Regierungswechsel im
Jahr 2009 zog der damalige Bundesminister für wirtschaftliche Zusammenarbeit
und Entwicklung, Dirk Niebel, jedoch die Unterstützung für die Initiative zu-
rück. Die Absage stärkte in erster Linie die ecuadorianische Öl-Lobby und hatte
eine verheerende Signalwirkung auf andere potenzielle Geberländer.
Infolge des jahrelangen Drucks durch die deutsche Zivilgesellschaft und den
Deutschen Bundestag startete das Bundesministerium für wirtschaftliche Zu-
sammenarbeit und Entwicklung (BMZ) im Oktober 2012 ein bilaterales Sonder-
programm „zur Erhaltung und nachhaltigen Entwicklung des Biosphärenreser-
vats Yasuní“. Die Yasuní-ITT-Initiative wurde als solche weiterhin abgelehnt.
Nachdem Rafael Correa diese im August 2013 schließlich aufkündigte, führten
Verstimmungen im deutsch-ecuadorianischen Verhältnis zur vorzeitigen Be-
endigung des Sonderprogramms zum Schutz des Yasuní durch den ecuadoriani-
schen Präsidenten. Dieser kündigte an, die 34,5 Mio. Euro, die Deutschland in
das Schutzprogramm investiert hatte, vollständig zurückzuzahlen.

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In der Folgezeit entwickelte sich eine zivilgesellschaftliche Bewegung in
Ecuador, die weiterhin für den Erhalt des Yasuní Nationalparks kämpft und die
Entscheidung für die Ölbohrungen im Yasuní-ITT mittels eines nationalen Re-
ferendums rückgängig machen will. Landesweiten Meinungsumfragen zufolge
sprachen sich auch nach dem Ende der Yasuní-ITT Initiative noch über 66 Pro-
zent der Bürgerinnen und Bürger gegen die Ölförderung im Yasuní-ITT aus.
Mehr als 72 Prozent wollen darüber hinaus zu dieser Angelegenheit konsultiert
werden (http://otra-educacion.blogspot.de/2014/04/ecuador-el-proceso-de-los-
yasunidos.html). Das Umweltbündnis YASunidos sammelte innerhalb der
gesetzlich festgeschriebenen Frist von 180 Tagen (Artikel 23 Reglamento de
Consultas Populares) rund 760 000 Unterschriften, um ein Referendum gesetz-
lich zu erzwingen. Die Verfassung sieht 0,5 Prozent der Unterschriften der
Wahlbevölkerung als gültiges Quorum vor (Artikel 104 der Constitucion Poli-
tica del Ecuador von 2008). Allerdings erklärte der zuständige Nationale Wahl-
rat in einem umstrittenen Prüfungsverfahren über die Hälfte dieser Unterschrif-
ten für ungültig. Auf diese Weise gelang es der ecuadorianischen Regierung bis-
her, die Einberufung des Referendums zu umgehen. Sie verwehrt der Bevölke-
rung somit verfassungsrechtlich verbriefte Bürgerrechte. Am 22. Mai 2014
bescheinigte das ecuadorianische Umweltministerium dem staatlichen Erdöl-
konzern Petroamazonas schließlich eine sogenannte Umweltlizenz und erteilte
die offizielle Erlaubnis für die Ölbohrungen im Yasuní-ITT. Seitdem können
Infrastrukturarbeiten zum Aufbau von Ölförderanlagen legal stattfinden. Das
erste Öl aus den ITT-Feldern soll ab dem Jahr 2016 gefördert werden.

Wir fragen die Bundesregierung:
1. Welche Kenntnisse hat die Bundesregierung über das Ausmaß der geplanten

Ölförderung sowie deren unmittelbaren als auch mittel- bis langfristigen öko-
logischen und ökonomischen Folgewirkungen (bitte nach betroffener Fläche,
Ölfördervolumen und erwarteten Einflüssen auf die Umwelt auflisten)?

2. Welche Kenntnisse hat die Bundesregierung über den derzeitigen Stand der
bereits stattfindenden Ölförderung im Yasuní-Gebiet?

3. Welche Kenntnisse hat die Bundesregierung über bereits eingetretene nega-
tive Auswirkungen auf Flora und Fauna durch die bereits getätigten Ölboh-
rungen?

4. Welche Maßnahmen sind der Bundesregierung bekannt, die negativen Aus-
wirkungen zu bekämpfen?

5. Wie informiert sich die Bundesregierung über den Stand der aktuellen staat-
lichen Infrastrukturarbeiten zur Ölförderung im Yasuní-ITT?
Mit welchen staatlichen und zivilgesellschaftlichen Akteuren ist die Bundes-
regierung in Kontakt?

6. Wie informiert sich die Bundesregierung, ob und welche Maßnahmen in
Ecuador ergriffen werden, um die in freiwilliger Isolation lebenden indigenen
Völker und das sensible Ökosystem des Yasuní-Nationalparks vor den nega-
tiven Auswirkungen der geplanten Ölbohrungen zu schützen?

7. Welche Maßnahmen plant die Bundesregierung, um angesichts der bevorste-
henden Bohrungen im ITT-Gebiet,
a) möglichen Menschenrechtsverletzungen an den indigenen, in freiwilliger

Isolation lebenden Bevölkerungsgruppen vorzubeugen,
b) die Zerstörung der Artenvielfalt und des Regenwalds zu verhindern?

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8. Welche Kenntnis hat die Bundesregierung über das Scheitern der Unter-
schrifteninitiative für ein Referendum über die geplanten Ölbohrungen im
Yasuní-Nationalpark und die für ungültig erklärten Unterschriften durch die
ecuadorianische Wahlbehörde CNE (Consejo Nacional Electoral) und sind
nach ihrer Kenntnis die von der Wahlbehörde angeführten Gründe, 60 Pro-
zent der rund 750 000 Unterschriften für ungültig zu erklären, stichhaltig
und durch die geltenden gesetzlichen Regelungen hinreichend gedeckt?

9. Welche Kenntnisse hat die Bundesregierung über die Schließung der Nicht-
regierungsorganisation Pachamama, die sich für die Rechte indigener Völ-
ker im Amazonas-Gebiet eingesetzt hat?
Auf welcher rechtlichen Grundlage erfolgte die Schließung nach Kenntnis
der Bundesregierung, und erwartet sie weitere vergleichbare Sanktionen für
regierungskritische Organisationen?

10. Welche Kenntnisse hat die Bundesregierung über das Dekret 016, dass es
Nichtregierungsorganisationen erschwert, sich in politische Themen – wie
zum Beispiel den Schutz des Yasuní Nationalparks – einzumischen?
Wie steht die Bundesregierung dazu, dass mit diesem Dekret Nichtregie-
rungsorganisationen leicht aufgelöst werden können, wenn sie zu Themen
arbeiten, die für die ecuadorianische Regierung unangenehm sind, wie zum
Beispiel zur Überwachung der Rechte indigener Völker?

11. Welche Kenntnisse hat die Bundesregierung über die Anwendung des Ter-
rorismusgesetztes gegen Umweltaktivistinnen und Umweltaktivisten und
allgemein über die Kriminalisierung von Umweltschützerinnen und Um-
weltschützer in Ecuador?

12. Welche Informationen hat die Bundesregierung über die Auseinanderset-
zungen um die geplante Ölförderung im Yasuní-ITT vor Ort, und welche
Schlussfolgerungen zieht sie hinsichtlich
a) der Wahrung demokratischer Grund- und verfassungsmäßiger Partizipa-

tionsrechte,
b) der Wahrung von Menschenrechten,
c) der Rechte der indigenen Bevölkerung Ecuadors,
d) der Gefährdung der Biodiversität und des Yasuní-Regenwaldes,
e) des internationalen Klimaschutzes?
Welche Schlüsse und Konsequenzen zieht die Bundesregierung aus den
möglichen Einschränkungen der Bürgerrechte durch die Ablehnung eines
Referendums durch die ecuadorianische Regierung, und wird dies in den
diplomatischen und wirtschaftlichen Beziehungen Deutschlands zu Ecuador
Auswirkungen zeitigen?
Falls ja, welche?

13. In welchem Umfang und für welche Schwerpunkte stellt die Bundesregie-
rung derzeit Mittel für die entwicklungspolitische Zusammenarbeit mit
Ecuador zur Verfügung (bitte nach Jahr, Schwerpunkten, finanziellem Um-
fang und Projekten auflisten)?

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14. Wann finden die nächsten Regierungsverhandlungen über die weitere Ent-
wicklungszusammenarbeit zwischen der Bundesrepublik Deutschland und
Ecuador statt?
a) Wird die derzeitige Situation Auswirkungen auf diese Verhandlungen

haben?
b) In welchen Bereichen plant die Bundesregierung eine Intensivierung der

Zusammenarbeit?
c) In welchen Bereichen ist eine Beendigung der Zusammenarbeit mög-

lich?
d) Werden bei den Verhandlungen Menschen- und Partizipationsrechte the-

matisiert?
15. Wie kommt nach Kenntnis der Bundesregierung die Umsetzung des Son-

derprogramms „zur Erhaltung und nachhaltigen Entwicklung des Biosphä-
renreservats Yasuní“ bislang voran, nachdem dieses nach Auseinanderset-
zung im Februar 2014 wieder aufgenommen wurde?
a) In welcher Höhe stellt die Bundesregierung Mittel für das Sonderpro-

gramm zur Verfügung (bitte nach Einzelplänen, Titeln und Jahren von
2012 bis 2015 auflisten. Für das Jahr 2014: nach derzeitigem Planungs-
stand, 2015: nach den dem Kabinettsentwurf für den Bundeshaushalt
2015 zugrunde liegenden Planungen)?

b) Wie verläuft die Zusammenarbeit mit den ecuadorianischen Stellen bis-
lang?

c) Wie kommt die Bundesregierung darüber hinaus dem Auftrag des Deut-
schen Bundestages nach, sich explizit für den Erhalt des Yasuní-Bio-
sphärenreservats einzusetzen (vgl. Bundestagsdrucksache 16/9758) bzw.
welche konkreten Maßnahmen zum Erhalt des Biosphärenreservats un-
terstützt die Bundesregierung?

d) In welchen Bereichen ist die deutsche Entwicklungszusammenarbeit
über das Sonderprogramm hinaus in Ecuador aktiv?

16. Wie arbeitet die Bundesregierung mit anderen Nationalregierungen und der
Europäischen Union zusammen, um die friedlichen zivilgesellschaftlichen
Bestrebungen zum Erhalt des Yasuní-Nationalparks zu stärken?

17. Wie steht die Bundesregierung aus heutiger Sicht zum Scheitern der Yasuní-
ITT-Initiative?
a) Wie schätzt die Bundesregierung heute die damalige Entscheidung des

Bundesministers für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung,
Dirk Niebel, ein, keine konkreten Mittel für die Yasuní-Initiative bereit
zu stellen?

b) Ist die Bundesregierung heute weiterhin der Auffassung, dass ein Schei-
tern der Yasuní-Initiative zu begrüßen ist, um „ganz bewusst keinen Prä-
zedenzfall [zu schaffen], der in immer neue Forderungen mündet, finan-
zielle Mittel zum Unterlassen von Umweltschädigungen bereitzustellen“
(Bundesminister Dirk Niebel, am 23. September 2011 in der taz.die
tageszeitung www.taz.de/1/archiv/print-archiv/printressorts/digi-artikel/
?ressort=me&dig=2011%2F09%2F23%2Fa0103&cHash=9c29e7055c)?

c) Inwiefern sieht die Bundesregierung vor diesem Hintergrund eine beson-
dere Verantwortung der Bundesrepublik Deutschland für die nun bereits
eingetretenen oder befürchteten ökologischen, demokratischen und
menschenrechtlichen Auswirkungen der Ölförderung im Yasuni-ITT?
Und falls sie dies bejaht, wie möchte die Bundesregierung dieser gerecht
werden?

Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 5 – Drucksache 18/2373
18. Wie steht die Bundesregierung zur Förderung weiterer Projekte zum Schutz
der Artenvielfalt durch den Verzicht auf Rohstoffförderung, wie es bei-
spielsweise im Virunga-Nationalpark in der Demokratischen Republik
Kongo geplant ist?
a) Welche Maßnahmen wird die Bundesregierung ergreifen, um die Aus-

beutung fossiler Ressourcen in sensiblen und besonders schützenswerten
Ökosystemen erfolgreich zu verhindern?

b) Inwiefern trägt das Engagement der Bundesregierung dem wichtigen
Klimaschutzbeitrag durch den Verzicht von Rohstoffförderungen an
Orten hoher Biodiversität Rechnung?

Berlin, den 18. August 2014

Katrin Göring-Eckardt, Dr. Anton Hofreiter und Fraktion

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