BT-Drucksache 18/204

Verdacht der Falschidentifizierung von Geflüchteten aus Afrika durch nigerianische Botschaftsvertreter

Vom 17. Dezember 2013


Deutscher Bundestag Drucksache 18/204
18. Wahlperiode 17.12.2013

Kleine Anfrage
der Abgeordneten Ulla Jelpke, Wolfgang Gehrcke, Sevim Dağdelen, Annette
Groth, Inge Höger, Andrej Hunko, Niema Movassat, Harald Petzold (Havelland),
Kathrin Vogler, Halina Wawzyniak, Katrin Werner und der Fraktion DIE LINKE.

Verdacht der Falschidentifizierung von Geflüchteten aus Afrika durch

Im Rahmen der Proteste von Flüchtlingen gegen ihre Lebensbedingungen in
Deutschland, gegen Abschiebungen und für ein umfassendes Bleiberecht kam es
am 15. Oktober 2012 in Berlin zu einer Kundgebung in und vor der nigeriani
schen Botschaft. Die Demonstranten warfen der nigerianischen Botschaft vor,
mit der Durchführung von Anhörungen zur Identitätsfeststellung und der Aus
stellung von Passersatzpapieren Abschiebungen geflüchteter Menschen erst
möglich zu machen. Der Botschaft wird außerdem vorgeworfen, angereizt durch
die Einnahmen aus diesen Botschaftsanhörungen (250 Euro für die Anhörung
und 250 Euro für die Ausstellung eines emergency travel certificate) Men
schen aus dem westlichen Afrika falsch identifiziert und ihnen nigerianische
Papiere ausgestellt zu haben, obwohl sie tatsächlich aus Togo, Liberia, Uganda,
Sudan oder Sierra Leone stammen (www.cross-point.tv/2013/08/dies-ist-keine
verteidigung-es-ist-die-verurteilung-eines-gerichts/). Sie würden dann von
Nigeria aus in diese Staaten abgeschoben. Nach Angaben der Bundesregierung
erhält die nigerianische Botschaft lediglich eine Gebühr von 50 Euro, allerdings
gibt es in den Botschaften anderer Staaten durchaus Gebühren in der genannten
Höhe (vgl. Antwort der Bundesregierung auf die Kleine Anfrage der Fraktion
DIE LINKE. auf Bundestagsdrucksache 17/8042, S. 13).

Wir fragen die Bundesregierung:

1. Wie viele Personen mit ungeklärter Staatsangehörigkeit wurden im Jahr 2012
nach Kenntnis der Bundesregierung im Rahmen von Verfahren zur Identitäts
feststellung zur (zwangsweisen) Vorsprache vor Vertretern oder ermächtigten
Bediensteten ihres mutmaßlichen Herkunftsstaates nach § 82 Absatz 4 des
Aufenthaltsgesetzes (AufenthG) verpflichtet (bitte nach Jahren, beteiligten
Bundesländern und mutmaßlichen Herkunftsstaaten auflisten)?

2. Welche Anhörungen im Rahmen von Verfahren zur Identitätsfeststellung
sind im Jahr 2012 in Deutschland durchgeführt worden (bitte nach beteiligten
Staaten, beteiligten Bundesländern, Ort der Anhörung und Anzahl der gela
denen Personen auflisten)?

3. Wie viele Personen nahmen an diesen Anhörungen teil, und wie viele Perso
nen konnten im Rahmen dieser Anhörungen identifiziert werden (bitte den
Daten wie in Frage 2 zuordnen)?

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nigerianische Botschaftsvertreter

http://www.cross-point.tv/2013/08/dies-ist-keine-verteidigung-es-ist-die-verurteilung-eines-gerichts/)
4. In welcher Höhe verlangten bei den oben genannten Anhörungen die aus
stellenden Staaten bzw. ihre Vertreter Gebühren für die Anhörung der vor
geladenen Personen vor Delegationen bzw. in der Botschaft, die Ausstel
lung von Heimreisedokumenten und ggf. weitere Dienste?

5. Wie viel Tagegeld wurde von der Bundespolizei oder anderen Behörden für
die Angehörigen von ausländischen Delegationen oder Vertretern im Jahr
2012 aufgewendet (bitte einzeln auflisten)?

6. In welcher Höhe sind weitere Kosten von der Bundespolizei oder anderen
Behörden im Rahmen solcher Anhörungen aufgewendet worden (bitte nach
Kostenpunkten auflisten)?

7. Welche deutschen Behörden sind an diesen Sammelanhörungen vor Vertre
tern ausländischer Staaten beteiligt, und für welche einzelnen Verfahrens
schritte bei der Beschaffung von Heimreisedokumenten sind sie jeweils zu
ständig?

8. Wie weit sind die Bemühungen mit denjenigen Staaten gediehen, für die die
Bundespolizei den zuständigen Ausländerbehörden Amtshilfe bei der Be
schaffung von Heimreisedokumenten leistet, Rückübernahmeabkommen
abzuschließen (bitte einzeln mit derzeitigem Stand auflisten)?

9. Welche Ausgaben wurden im Einzelnen (Ausgaben für Begleitung durch
die Bundespolizei, Dolmetscher, Tagegelder, vertrauensbildende Maßnah
men, Unterkunft von ausländischen Delegationsteilnehmern bzw. Bevoll
mächtigten und sonstigen Sachkosten) im Rahmen des Projekts „Intensivie
rung und Verbesserung der Zusammenarbeit mit ausgewählten westafrika
nischen Staaten auf dem Gebiet der Beschaffung von Heimreisedokumen
ten sowie der Durchführung von Rückführungsmaßnahmen“ im Jahr 2010
getätigt?

10. Welche Ausgaben wurden im Einzelnen (Ausgaben für Begleitung durch die
Bundespolizei, Dolmetscher, Tagegelder, vertrauensbildende Maßnahmen,
Unterkunft von ausländischen Delegationsteilnehmern bzw. Bevollmächtig
ten und sonstigen Sachkosten) im Rahmen des Projekts „Intensivierung und
Verbesserung der Zusammenarbeit mit ausgewählten westafrikanischen
Staaten auf dem Gebiet der Beschaffung von Heimreisedokumenten sowie
der Durchführung von Rückführungsmaßnahmen“ im Jahr 2011 getätigt?

11. Welche Erkenntnisse hat die Bundesregierung zu den erhobenen Vorwür
fen, von der nigerianischen Botschaft würden Staatsangehörige fremder
Staaten als eigene Staatsangehörige ausgewiesen und mit einem emergency
travel certificate ausgestattet?

12. Welche Erkenntnisse hat die Bundesregierung, inwieweit die ggf. von sol
chen Falschidentifizierungen Betroffenen dann von Nigeria aus in andere
Staaten abgeschoben werden oder in Nigeria verbleiben?

13. Was unternimmt die Bundesregierung, um zu gewährleisten, dass Abschie
bungen von ausreisepflichtigen Ausländern ausschließlich mit emergency
travel certificates ihrer tatsächlichen Herkunftsländer vollzogen werden?

14. Gab es von deutscher Seite Bitten an die nigerianische Botschaft in Berlin
oder andere nigerianische Behörden, biometrische Daten nigerianischer
Staatsangehöriger zu erhalten?

Wenn ja, inwieweit wurde diesen Bitten entsprochen?

15. Wer begleitete die Bundeskanzlerin, Dr. Angela Merkel, während ihres
Staatsbesuches im Juli 2011 nach Nigeria, insbesondere welche Vertreter
von Bundesministerien und Bundesbehörden, Mitglieder des Deutschen
Bundestages, Vertreter der Privatwirtschaft und der Zivilgesellschaft?

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18. Wahlperiode–Deutscher Bundestag –2–20418/Drucksache

16. Mit welchen nigerianischen Gesprächspartnern trafen sich die Bundeskanz
lerin, Dr. Angela Merkel, und Vertreter von Bundesministerien und Bundes
behörden?

Welche Themen wurden in den jeweiligen Gesprächen diskutiert, und zu
welchen Ergebnissen ist man gekommen (bitte im Einzelnen auflisten)?

17. Welche Vertreter der Bundesregierung, von Bundesministerien und Bundes
behörden trafen sich während des Besuches des nigerianischen Staatspräsi
denten, Goodluck Jonathan, im April 2012 in Berlin mit dem Präsidenten
und/oder Mitgliedern seiner Delegation?

Welche Themen wurden in den jeweiligen Gesprächen diskutiert, und zu
welchen Ergebnissen ist man gekommen (bitte im Einzelnen auflisten)?

Wer begleitete den damaligen Bundesminister des Auswärtigen, Dr. Guido
Westerwelle, während seines Staatsbesuches im November 2012 in Nigeria,
insbesondere welche Vertreter von Bundesministerien und Bundesbehör
den, Mitglieder des Deutschen Bundestages, Vertreter der Privatwirtschaft
und der Zivilgesellschaft?

18. Mit welchen nigerianischen Gesprächspartnern trafen sich der damalige
Bundesaußenminister, Dr. Guido Westerwelle, und Vertreter deutscher
Bundesministerien und Bundesbehörden?

Welche Themen wurden in den jeweiligen Gesprächen diskutiert, und zu
welchen Ergebnissen ist man gekommen (bitte im Einzelnen auflisten)?

19. Aus welchen Arbeitsgruppen setzt sich die im Jahr 2011 gegründete Bi-
nationale Kommission der Bundesrepublik Deutschland und Nigerias zu
sammen?

20. Wann und wo kam es seit ihrer Gründung zu Treffen der Binationalen Kom
mission?

21. Welche Vertreter welcher nigerianischen Ministerien und Bundesministerien
und Bundesbehörden nahmen in den jeweiligen Arbeitsgruppen an den
Treffen teil (bitte namentlich auflisten)?

Welche Themen wurden in den jeweiligen Arbeitsgruppen diskutiert, und
zu welchen Ergebnissen ist man gekommen (bitte im Einzelnen auflisten)?

22. Welche Fragen zur Migrationskontrolle und zu Rückführungen nach Nigeria
wurden während der Staatsbesuche von der Bundeskanzlerin, Dr. Angela
Merkel, in Nigeria bzw. vom nigerianischen Staatspräsidenten, Goodluck
Jonathan, in Deutschland und wann in der zuständigen Arbeitsgruppe der
Binationalen Kommission der Bundesrepublik Deutschland und Nigerias
von den Beteiligten angesprochen, und zu welchen dieser Themen sind im
Zusammenhang der Binationalen Kommission weitere Gespräche geplant?

23. Gab oder gibt es Bestrebungen seitens der Bundesregierung in den vergan
genen Jahren seit dem Jahr 2006, mit der nigerianischen Regierung Rück
übernahmeabkommen oder andere Formen der Vereinbarung in Zusam
menhang mit Migrationskontrolle zu verhandeln bzw. abzuschließen, und
wie weit sind solche Bestrebungen zuletzt gediehen?

Wenn ja, welche Vertreter welcher Bundesministerien und Bundesbehörden
führten auf beiden Seiten wann die Verhandlungen über diese Vereinbarun
gen?

24. Inwieweit waren Vertreter der Bundesregierung an der Aushandlung des im
Januar 2012 unterzeichneten Working Arrangements zwischen dem NIS und
der europäischen Grenzschutzagentur FRONTEX beteiligt?

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20418/Drucksache–3 –18. Wahlperiode–Deutscher Bundestag

25. Inwieweit beeinflusst das Working Arrangement zwischen dem NIS und
FRONTEX die Zusammenarbeit zwischen Deutschland und Nigeria in
Migrationsfragen?

26. Wer nahm von deutscher bzw. europäischer Seite an einer Reise vom 11. bis
14. September 2007 nach Nigeria (Abuja) teil, deren Gegenstand die Er
örterung von Problemen im Bereich der Identifizierung und Rückführung
nigerianischer Staatsangehöriger gewesen sein soll (Zeitschrift der Bundes
polizei, Oktober 2007)?

Wer nahm von nigerianischer Seite an den Treffen teil, welche Themen
wurden dabei erörtert, und welche Ergebnisse erzielt?

27. Kam es zuvor oder anschließend zu vergleichbaren Besuchen in Nigeria
oder zu Gegenbesuchen in Deutschland?

Wenn ja, wann fanden diese statt?

Welche Vertreter welcher nigerianischer Ministerien und Bundesministerien
und Bundesbehörden nahmen an diesen Treffen teil (bitte, so weit möglich,
namentlich auflisten)?

Welche Themen wurden in den jeweiligen Gesprächen diskutiert, und zu
welchen Ergebnissen ist man gekommen (bitte im Einzelnen auflisten)?

28. Inwieweit wurden in den Jahren seit dem Jahr 2006 an die Bundesregierung
Bitten nach Ausbildungs- und Ausstattungshilfen für Innen- und Migra
tionsbehörden Nigerias herangetragen, und in welchem Umfang ist die
Bundesregierung diesen Bitten nachgekommen?

29. Hat die Bundesregierung von sich aus Ausbildungs- und Ausstattungshilfen
im Bereich Grenz- und Migrationsmanagement Nigeria und anderen Staa
ten des westlichen Afrikas angeboten, inwieweit wurden diese Angebote
angenommen, und welche konkreten Maßnahmen folgten daraus?

Berlin, den 17. Dezember 2013

Dr. Gregor Gysi und Fraktion

esellschaft mbH, Postfach 10 05 34, 50445 Köln, Telefon (02 21) 97 66 83 40, Fax (02 21) 97 66 83 44, www.betrifft-

gesetze.de

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18. Wahlperiode–Deutscher Bundestag –4–20418/Drucksache

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