BT-Drucksache 18/1996

zu der dritten Beratung des Gesetzentwurfs der Bundesregierung - Drucksachen 18/1530, 18/1770, 18/1985 - Entwurf eines Gesetzes zur Stabilisierung des Künstlersozialabgabesatzes (Künstlersozialabgabestabilisierungsgesetz - KSAStabG)

Vom 2. Juli 2014


Deutscher Bundestag Drucksache 18/1996
18. Wahlperiode 02.07.2014

Entschließungsantrag
der Abgeordneten Matthias W. Birkwald, Sigrid Hupach, Sabine Zimmermann
(Zwickau), Nicole Gohlke, Diana Golze, Dr. Rosemarie Hein, Katja Kipping,
Ralph Lenkert, Cornelia Möhring, Harald Petzold (Havelland), Azize Tank,
Kathrin Vogler, Harald Weinberg, Birgit Wöllert, Jörn Wunderlich, Pia
Zimmermann und der Fraktion DIE LINKE.

zu der dritten Beratung des Gesetzentwurfs der Bundesregierung
– Drucksachen 18/1530, 18/1770, 18/1985 –

Entwurf eines Gesetzes zur Stabilisierung des Künstlersozialabgabesatzes
(Künstlersozialabgabestabilisierungsgesetz – KSAStabG)

Der Bundestag wolle beschließen:

I. Der Deutsche Bundestag stellt fest:

Die Künstlersozialversicherung ist eine zentrale sozialpolitische Errungenschaft.
Sie hat sich im Grundsatz bewährt und ist auch längerfristig aufrechtzuerhalten.
Der zentrale Grund für ihre Einrichtung – die prekäre Situation von selbstständigen
Künstlerinnen und Künstlern sowie Publizistinnen und Publizisten – besteht unver-
ändert. Der Deutsche Bundestag begrüßt daher das vorliegende Gesetz, da es Maß-
nahmen beinhaltet, die die Künstlersozialkasse stabilisieren.
Mit dem Gesetz zur Stabilisierung des Künstlersozialabgabesatzes wird ein regel-
mäßiger Prüfrhythmus durch die Rentenversicherungsträger festgelegt. Alle Ar-
beitgeber mit mehr als 19 Beschäftigten werden nunmehr alle vier Jahre geprüft
und alle anderen alle zehn Jahre. Zudem wird eine Geringfügigkeitsgrenze für
sogenannte Eigenwerber in Höhe von 450 Euro eingeführt. Für die Künstlersozial-
kasse wird ein eigenes Prüfrecht bei den Unternehmen und Institutionen eingeführt.
Diese Maßnahmen sollen Beitragsgerechtigkeit herstellen. Die stärkere Kontrolle
soll verhindern, dass sich Einzelne ihrer gesetzlichen Verpflichtung entziehen. Die
finanziellen Lasten werden zugleich besser verteilt. Der Deutsche Bundestag be-
grüßt diese Maßnahme.
Das Gesetz suggeriert allerdings, dass die Stabilisierung des Abgabesatzes mit der
erhöhten Kontrolle und Prüfung der Betriebe dauerhaft gewährleistet sei und dass
die Stabilisierung des Abgabesatzes entscheidend für die gesellschaftliche Akzep-
tanz der Künstlersozialversicherung wäre. Diese Zusammenhänge sind zurückzu-
weisen. Der Abgabesatz lag 2005 mit 5,8 Prozent bereits einmal spürbar über dem

Drucksache 18/1996 – 2 – Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode

heutigen Niveau (5,2 Prozent). Sofern zur Aufgabenerfüllung der Künstlersozial-
versicherung ein höherer Abgabesatz erforderlich ist, kann dieser nicht kategorisch
ausgeschlossen werden. Gleichzeitig ist aber auch die Angemessenheit und Höhe
des Bundeszuschusses zu überprüfen. Zudem entscheidet sich die Legitimität der
Künstlersozialversicherung nicht an den Belastungen für die Nutznießerinnen und
Nutznießer der künstlerischen und publizistischen Arbeit, sondern an dem Nutzen
für die betroffenen Personen und die Gesellschaft. Die vordringliche Aufgabe der
Künstlersozialversicherung ist die Herstellung von sozialer Sicherheit für Künstle-
rinnen und Künstler sowie Publizistinnen und Publizisten. Aus der Erfüllung dieser
Aufgabe erwächst die gesellschaftliche Akzeptanz der Künstlersozialversicherung.
Die Anzahl der in der Künstlersozialkasse Versicherten ist in den letzten Jahren
kontinuierlich angestiegen. Ein Grund dafür liegt im wachsenden Anteil von
selbstständig und freiberuflich Tätigen im Kultur- und Medienbereich und steht in
engem Zusammenhang mit dem Personalabbau in den öffentlichen Einrichtungen.
Gleichzeitig nimmt insgesamt die Zahl der in kurzzeitig, unständig und in wech-
selnden Erwerbsformen Tätigen in Berufsfeldern, die keinen Zugang zur Künstler-
sozialversicherung haben, zu. Gleiches gilt für auch für die Gruppe der Selbständi-
gen und Freiberuflerinnen und Freiberufler. Der Zugang zur Künstlersozialversi-
cherung wird für einzelne Berufsgruppen schwierig.
Jenseits der Künstlerversicherung mangelt es für diese Berufsgruppen ebenso wie
für zahlreiche andere Selbstständige an einem Zugang zu soldarischen, bezahlbaren
und öffentlich organisierten sozialen Sicherungssystemen. Sie sind daher entweder
auf teure private Sicherungssysteme angewiesen oder sie bleiben vielfach nicht
oder unzureichend abgesichert. Insbesondere droht zahlreichen Selbstständigen
Altersarmut. Viele Selbstständige drängen angesichts dieser Lage in die Künstler-
sozialkasse, weil es an Alternativen fehlt. Die Bundesregierung ignoriert allerdings
die sozialen Probleme der nicht obligatorisch in soziale Sicherungssysteme einge-
bundenen Selbstständigen. Es gibt kein erkennbares Problembewusstsein und keine
Handlungsaufträge. Der Koalitionsvertrag zwischen CDU,, CSU und SPD lässt
dieses generelle Problem unerwähnt. Die Bundesregierung ist mit dieser Arbeits-
verweigerung auch mitverantwortlich für den Andrang von Selbstständigen in die
Künstlersozialversicherung.

II. Der Deutsche Bundestag fordert die Bundesregierung auf,

1. sicherzustellen, dass die gesetzlichen Auflagen zur Prüfung der Künstlersozi-
alabgabepflicht von Unternehmen und Institutionen sowohl durch die Deut-
sche Rentenversicherung als auch die Künstlersozialkasse vollumfänglich
umgesetzt werden, damit das Prinzip der Beitragsgerechtigkeit verwirklicht
wirkt und die abgabepflichtigen Unternehmen und Institutionen ihren gesetz-
lich vorgeschriebenen Beitrag zur Finanzierung der Künstlersozialversiche-
rung abführen;

2. mit der Deutschen Rentenversicherung die Finanzierung des zusätzlichen
Verwaltungsaufwands und Personals für die Durchführung der regelmäßigen
Prüfungen einvernehmlich zu klären sowie die Grundlagen für die Einführung
eines elektronischen Meldeverfahrens zu schaffen, um den Bürokratieaufwand
gering zu halten;

3. den Evaluierungsauftrag für das Jahr 2019 um die Erörterung des angemesse-
nen Finanzbedarfs der Künstlersozialversicherung und eines sachlich ange-
messenen Bundeszuschusses zu erweitern. Die Evaluierung wird durch eine
unabhängige wissenschaftliche Studie vorbereitet. In dieser Studie wird auch
der Selbst- und Fremdvermarktungsanteil der nach dem Künstlersozialgesetz
Versicherungspflichtigen untersucht;

Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 3 – Drucksache 18/1996

4. den Zugang zu der Künstlersozialversicherung nicht durch restriktive Maß-
nahmen einzuschränken. Es ist am offenen Rechtsbegriff für Künstlerinnen
und Künstler sowie Publizistinnen und Publizisten festzuhalten, denn der Kul-
turbereich unterliegt einem stetigen Wandel. Der Spielraum zur Aufnahme
von Versicherten aus dem künstlerischen und publizistischen Bereich, auch in
neu entstandenen Tätigkeitsfeldern, muss ausgeschöpft und darf nicht aus fi-
nanziellen Gründen eingeschränkt werden;

5. jenseits der Künstlersozialversicherung zeitnah ein Konzept für ein öffentli-
ches soziales Sicherungssystem mit den zentralen Merkmalen obligatorisch,
bezahlbar und solidarisch für bislang nicht versicherte Selbstständige und
Freiberuflerinnen und Freiberufler zu erarbeiten und dem Bundestag vorzule-
gen.

Berlin, den 1. Juli 2014

Dr. Gregor Gysi und Fraktion

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