BT-Drucksache 18/1668

Zur Entwicklung der Bürgerrechte in China

Vom 4. Juni 2014


Deutscher Bundestag Drucksache 18/1668
18. Wahlperiode 04.06.2014
Kleine Anfrage
der Abgeordneten Cem Özdemir, Tom Koenigs, Omid Nouripour, Annalena
Baerbock, Marieluise Beck (Bremen), Dr. Franziska Brantner, Agnieszka Brugger,
Uwe Kekeritz, Dr. Tobias Lindner, Claudia Roth (Augsburg), Manuel Sarrazin,
Dr. Frithjof Schmidt, Jürgen Trittin, Doris Wagner und der Fraktion
BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN

Zur Entwicklung der Bürgerrechte in China

Im Vorfeld des 25. Jahrestags der Protestbewegung am 4. Juni 1989 haben Poli-
zeibehörden am 6. Mai 2014 mindestens vier Bürgerrechtlerinnen und Bürger-
rechtler wegen der „Auslösung von Streitigkeiten und der Erregung öffentlichen
Ärgernisses“ festgenommen (vgl. dazu etwa www.merics.org, China Update,
Nummer 23, 30. April bis 8. Mai 2014 und www.livewire.amnesty.org vom
20. Mai 2014 „China’s Tiananmen anniversary blackout“). Neben dem promi-
nenten Menschenrechtsanwalt Pu Zhiqiang stellte die Beijinger Polizei auch
entsprechende Haftbefehle gegen den liberalen Wissenschaftler Xu Youyu, die
Bloggerin Liu Di und den Schriftsteller Hu Shigen aus. Darüber hinaus wurde
auch der Beijinger Filmprofessor Hao Jian festgenommen und viele weitere Ak-
tivistinnen und Aktivisten und Bürgerinnen und Bürger, wie zum Beispiel die
Umwelt-Aktivistin und Historikerin Liang Xiaoyan, vernommen.
Hintergrund der Verhaftung war ein am 3. Mai 2014 abgehaltenes, privates „Ge-
denksymposium anlässlich des 4. Juni“ in Beijing. Nach der Konferenz hatten
die Beteiligten ein Foto und ein Statement von der Veranstaltung im Internet ver-
öffentlicht. Darin hatten die Teilnehmerinnen und Teilnehmer u. a. gefordert, die
Proteste nicht länger offiziell als „politische Tumulte“ zu bezeichnen. Die Un-
terdrückung der Proteste hätten gegenwärtige Probleme, wie den moralischen
Verfall, die weit verbreitete Korruption und soziale Ungerechtigkeiten, beför-
dert.
In den folgenden Tagen gab es weitere Verhaftungen aus dem beruflichen Um-
kreis der oben genannten Teilnehmerinnen und Teilnehmer, u. a. die Kollegin
von Anwalt Pu Zhiqiang in der Huayi Anwaltskanzlei, die ihn auch anwaltlich
vertritt. Qu Zhenhong wurde wegen „illegalen Zusammentragens persönlicher
Informationen“ angeklagt, eine Maßnahme, die für weitere große Besorgnis in
der chinesischen Anwaltschaft sorgt, da sie die Arbeit von Strafverteidigern kri-
minalisiert. Am 7./8. Mai 2014 wurde auch die bereits im April 2014 festgenom-
mene Journalistin Gao Yu angeklagt, die wie Pu Zhiqiang zur Studentengenera-
tion von 1989 gehört. Ihr wirft man den „Verrat von Staatsgeheimnissen“ vor.
Bei einer Verurteilung drohen allen Beschuldigten lange Gefängnisstrafen.

Drucksache 18/1668 – 2 – Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode
Wir fragen die Bundesregierung:
1. Welchen Erkenntnisstand hat die Bundesregierung über den derzeitigen

Verbleib und die strafrechtlichen Beschuldigungen gegen die in der Vorbe-
merkung der Fragesteller genannte Bürgerrechtlerinnen und Bürgerrechtler?

2. Wie schätzt die Bundesregierung die Fälle, insbesondere der nach Arti-
kel 293 des chinesischen Strafgesetzes angeklagten Anwälte Pu Zhiqiang
und seiner Kollegin, ein
a) in Bezug auf die Rechtmäßigkeit der Verhaftung nach chinesischem

Recht und bzw. im Kontext internationaler Menschenrechtsstandards,
b) in Bezug auf einen möglichen Prozessausgang?

3. Welche konkreten Schritte hat die Bundesregierung bislang unternommen,
um in Bezug auf die genannten Fälle bei der chinesischen Regierung zu
intervenieren?
Welche konkreten Reaktionen hat es darauf gegeben?

4. Beabsichtigt die Bundesregierung, diese Fälle künftig mit ihrem Gegenüber
in China zu thematisieren
a) z. B. im Rahmen der Reise der Bundeskanzlerin, Dr. Angela Merkel,

nach China im Juli 2014,
b) im Rahmen des Symposiums zum deutsch-chinesischen Rechtsstaats-

dialog am 1./2. September 2014 in Leipzig?
5. Welche weiteren geeigneten Foren und/oder Kanäle sieht die Bundesregie-

rung gegenwärtig, um über die Gewährung von Bürgerrechten in China
einen Dialog zu führen?

6. Welche konkreten Maßnahmen hat die Bundesregierung im Anschluss an
den deutsch-chinesischen Rechtsstaatsdialogs im Juli 2012 in München
unternommen, um der Rechtsverletzung und Rechtsdurchsetzung im Inter-
net gegenüber Bürger- und Menschenrechtlern in China entgegenzutreten?
Liegen Auswertungen/Evaluierungen des Rechtsstaatsdialogs „Bürgerechte
im digitalen Zeitalter“ vor, die Aufschluss über die Wirksamkeit geben?

7. Welche Foren nutzt die Bundesregierung im europäischen Kontext, um für
die Einhaltung von Menschenrechten in China zu werben, insbesondere um
für den Schutz von sogenannten Menschenrechtsverteidigern oder „human
rights defenders“ einzutreten?

8. Inwieweit nutzt die Bundesregierung die im Jahr 2010 vereinbarte deutsch-
chinesische strategische Partnerschaft für entwicklungspolitische Zusam-
menarbeit, um insbesondere die Einhaltung von Menschenrechten in China
zu thematisieren?

9. Welche globalen Foren nutzt die Bunderegierung, wie zum Beispiel den
Menschenrechtsrat der Vereinten Nationen, um die Verfolgung von Men-
schenrechtsverteidigern in China zu thematisieren?

10. Welche sonstigen Initiativen wird die Bundesregierung ergreifen, um den
Schutz von Menschenrechtsverteidigern in China zu verbessern?

Berlin, den 4. Juni 2014

Katrin Göring-Eckardt, Dr. Anton Hofreiter und Fraktion

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