BT-Drucksache 18/1438

Reaktion des Bundesministeriums der Finanzen und der Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht zur Schließung der Gesetzeslücken bei Cum-Ex-Geschäften

Vom 7. Mai 2014


Deutscher Bundestag Drucksache 18/1438
18. Wahlperiode 07.05.2014
Kleine Anfrage
der Abgeordneten Dr. Gerhard Schick, Lisa Paus, Kerstin Andreae, Dr. Thomas
Gambke, Sven-Christian Kindler und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN

Reaktion des Bundesministeriums der Finanzen und der Bundesanstalt
für Finanzdienstleistungsaufsicht zur Schließung der Gesetzeslücken
bei Cum-Ex-Geschäften

Die Entscheidung des Bundesfinanzhofs vom 17. April 2014, das Verfahren an
das Finanzgericht Hamburg zurückzugeben, verzögert die juristische Ent-
scheidung über die Zulässigkeit der sogenannten Cum-Ex-Geschäfte. Davon un-
berührt bleibt die Frage der politischen Reaktion auf die Problematik in den ver-
gangenen Jahren.
Laut Antwort der Bundesregierung auf die Kleine Anfrage der Fraktion
DIE LINKE. vom 27. Mai 2013 (Bundestagsdrucksache 17/13638) wird diese
Form des missbräuchlichen Dividendenstrippings bereits seit dem Jahr 2007 in
der Fachliteratur diskutiert. Das Bundesministerium der Finanzen (BMF) hat
erst zwei Jahre später von den Gestaltungsmöglichkeiten erfahren. Bis zur
Schließung der Missbrauchsmöglichkeit sind mehr als zwei weitere Jahre ver-
gangen, obwohl es sich anscheinend um eine weit verbreitete Steuergestaltung
handelte, durch die der Staat möglicherweise um mehrere Milliarden Euro ge-
schädigt wurde.
Laut Antwort der Bundesregierung habe die Bundesanstalt für Finanzdienst-
leistungsaufsicht (BaFin) keinen Handlungsspielraum bei der Identifikation und
Verfolgung steuerrechtlicher Verstöße. Allerdings könne die BaFin bei Identifi-
kation operationeller Risiken und insbesondere bei strafbaren Handlungen Maß-
nahmen gegen die Geschäftsleitung ergreifen.

Wir fragen die Bundesregierung:
1. Was ist nach Ansicht der Bundesregierung die Ursache dafür, dass im Jahres-

steuergesetz 2007 der Wille des Gesetzgebers, die Möglichkeit die doppelte
Erstattung von Kapitalertragsteuer bei Cum-Ex-Geschäften zu beseitigen,
nicht zum Erfolg führte?
War die Expertise oder die Kenntnis zu diesem Zeitpunkt nicht ausreichend?

2. Wurde die Gestaltung mit Cum-Ex-Geschäften in Sitzungen oder Fachar-
beitsgruppen von Bund und Ländern beraten, und wenn ja, wann?

3. Gab es vor dem Jahressteuergesetz 2007 oder im Zusammenhang mit dem Ge-
setzgebungsprozess andere Vorschläge als den damals eingeschlagenen Weg,
um das Problem zu lösen?
Wenn ja, welche waren dies?

Drucksache 18/1438 – 2 – Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode
4. Haben die Länder bzw. einzelne Länder zum damaligen Zeitpunkt andere
Ansätze zur Lösung des Problems vertreten, oder war die Haltung der Län-
der zu dieser Frage einheitlich?

5. Wurde der Referentenentwurf zum Gesetz mit anderen Ressorts abgestimmt,
und welche Veränderungen erfuhr dieser spezielle Punkt durch die Ressort-
abstimmung?

6. Wurde der Referentenentwurf vorab an die Verbände übersandt, und an
welche?
Gab es Stellungsnahmen der Verbände zum Punkt Cum-Ex-Gestaltungen,
und wenn ja, welche?

7. Nachdem von Seiten des Bundesverbandes deutscher Banken e. V. dar-
gelegt wird, man habe das Bundesfinanzministerium schon im Jahr 2002
gewarnt (www.welt.de vom 3. Januar 2014 „Cum-Ex-Investor klagt gegen
Finanzbeamte“),
wie ist der Wortlaut dieser Warnung?
War sie geeignet, die Geschäfte zu stoppen?
Hat der Bundesverband deutscher Banken e. V. in dieser Warnung auch auf
Lösungsmöglichkeiten hingewiesen?

8. Hat das BMF untersucht, warum dieser Betrug zu Lasten des Fiskus so
lange unentdeckt blieb und nach seiner Entdeckung so lange nicht geschlos-
sen wurde?
Wenn ja, wann, und mit welchem Ergebnis?

9. Haben nach Kenntnis der Bundesregierung Landesfinanzministerien bzw.
die Landesfinanzverwaltungen intern untersucht, warum dieser Betrug zu
Lasten des Fiskus so lange unentdeckt blieb und nach seiner Entdeckung so
lange nicht geschlossen wurde?
Wenn ja, welche, wann, und mit welchem Ergebnis?

10. Hat die Bundesregierung Vorkehrungen getroffen, damit in Zukunft das
BMF schneller Kenntnis von in Fachpublikationen besprochenen miss-
bräuchlichen Steuergestaltungen erhalten kann?
Wenn ja, welche Vorkehrungen wurden getroffen?
Wenn nein, warum nicht?

11. Hat die Bundesregierung in ihrem Verantwortungsbereich Vorkehrungen
getroffen, damit in Zukunft das Gesetzgebungsverfahren zur Schließung
wesentlicher Steuerschlupflöcher beschleunigt werden kann?
Wenn ja, welche Vorkehrungen wurden getroffen?
Wenn nein, warum nicht?

12. Warum ist aus Sicht der Bundesregierung die Missbrauchsregel des Gestal-
tungsmissbrauchs nicht auf diese und ähnliche Gestaltungen anwendbar,
und welche Schlussfolgerungen zieht die Bundesregierung hieraus?

13. Besteht seitens der BaFin keine Möglichkeit, Finanzinstitute an offensicht-
lich missbräuchlichen Steuergestaltungen zu hindern?
Wenn nein, warum wird diese Möglichkeit nicht geschaffen?

14. Kann die BaFin nur gegen die Geschäftsleitung vorgehen, wenn nachweis-
lich persönliche Straftaten begangen wurden?

15. Welche Maßnahmen plant die Bundesregierung, um die Verantwortung und
Haftung der Geschäftsleitung bei Fehlverhalten der Organisation zu stär-
ken?

Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 3 – Drucksache 18/1438
16. Hat die Bundesregierung den Finanzausschuss des Deutschen Bundestages
anläßlich der Gesetzgebung im Jahr 2007 auf die der Steuerrechtsänderung
zugrunde liegende Steuergestaltungsproblematik hingewiesen?
Wenn ja, in welcher Form?
Wenn nein, warum nicht?

17. Gab es neben dem reinen Gesetzestext nebst Begründung weitere Doku-
mente zu dieser Problematik, die die Bundesregierung dem Deutschen
Bundestag zugänglich machte, und wenn ja, welche?

18. Welche öffentlich-rechtlichen Banken beteiligten sich an den Cum-Ex-
Geschäften?
a) In welchem Umfang beteiligten sich die jeweiligen öffentlich-recht-

lichen Banken (bitte soweit möglich nach Banken differenzieren)?
b) Welche Vorkehrungen hat das BMF getroffen bzw. plant das BMF, um zu

verhindern, dass öffentlich-rechtliche Banken bei ähnlich gelagerten Fäl-
len in Zukunft solche Geschäfte ablehnen?

19. Wird die Bundesregierung darauf drängen, dass alle öffentlichen Banken
ihre Beteiligungen an Cum-Ex-Geschäften aufklären, wie es die HSH Nord-
bank AG und die Landesbank Baden-Württemberg getan haben (www.
handelsblatt.com vom 9. Mai 2004 „Noch mehr Landesbanken in dubiose
Deals verstrickt“)?
Wenn nein, warum nicht?

20. Wie hoch ist nach Informationen des BMF das Gesamtvolumen der Cum-
Ex-Geschäfte (bitte soweit möglich nach einzelnen, sowohl öffentlichen
wie privaten Banken aufschlüsseln)?

21. In welchem Umfang haben öffentliche und private Banken die Cum-Ex-Ge-
schäfte ausschließlich für ihre Kunden gemacht, und in welchem Umfang
haben sie auf eigene Rechnung gewirtschaftet (bitte soweit möglich nach
einzelnen, sowohl öffentlichen wie privaten Banken aufschlüsseln)?

Berlin, den 7. Mai 2014

Katrin Göring-Eckardt, Dr. Anton Hofreiter und Fraktion

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