BT-Drucksache 18/1343

Jugendarbeitslosigkeit in Europa bekämpfen - Stopp des Programms MobiPro-EU sofort aufheben

Vom 7. Mai 2014


Deutscher Bundestag Drucksache 18/1343
18. Wahlperiode 07.05.2014

Antrag
der Abgeordneten Brigitte Pothmer, Beate Walter-Rosenheimer, Kerstin
Andreae, Markus Kurth, Beate Müller-Gemmeke, Dr. Wolfgang
Strengmann-Kuhn, Corinna Rüffer, Markus Tressel, Annalena Baerbock,
Dr. Thomas Gambke, Kai Gehring, Ekin Deligöz, Katja Dörner, Maria
Klein-Schmeink, Özcan Mutlu, Lisa Paus, Tabea Rößner, Claudia Roth
(Augsburg), Manuel Sarrazin, Elisabeth Scharfenberg, Dr. Gerhard Schick,
Doris Wagner und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN

Jugendarbeitslosigkeit in Europa bekämpfen – Stopp des Programms
MobiPro-EU sofort aufheben

Der Bundestag wolle beschließen:

I. Der Deutsche Bundestag stellt fest:

Die Jugendarbeitslosigkeit in Europa hat infolge der Banken-, Schulden- und Wirt-
schaftskrise erschreckende Ausmaße angenommen. Nahezu jeder vierte junge Er-
wachsene zwischen 15 und 25 Jahren war Ende 2013 ohne Arbeit oder Ausbildung.
Insgesamt sind laut Eurostat 5,5 Millionen junge Menschen in der Europäischen
Union betroffen. Besonders dramatisch ist die Lage in Griechenland, Kroatien und
Spanien: Dort ist über die Hälfte der dem Arbeitsmarkt zur Verfügung stehenden
15- bis 25-Jährigen arbeits- und ausbildungslos. Die Gefahr einer verlorenen Gene-
ration ist real.

Deutschland hat sich im europäischen Ausland stets selbst als Vorbild für andere
Staaten präsentiert und aus seiner guten ökonomischen Lage eine Leitbildfunktion
abgeleitet. Dies gilt auch für die Bekämpfung der Jugendarbeitslosigkeit. Bundes-
kanzlerin Dr. Angela Merkel hat im Rahmen mehrerer Gipfeltreffen die Relevanz
des Themas betont und Deutschlands Politik als wegweisend für andere vorgestellt
(vgl. Süddeutsche Zeitung vom 02.07.13).

Ganz und gar nicht vorbildlich ist jedoch der Umgang der Bundesregierung mit
dem Programm „MobiPro-EU“, das einen Beitrag zur Bekämpfung der europäi-
schen Jugendarbeitslosigkeit und zur Deckung des deutschen Fachkräftebedarfs
leisten soll. Den Start von „MobiPro-EU“ würdigte die damals zuständige Bundes-
arbeitsministerin von der Leyen in einer Erklärung vom 19.12.12 als „gelebte eu-
ropäische Solidarität“. Etwas vollkommen anderes erleben jetzt aber Tausende
junge Europäerinnen und Europäer, die sich von der deutschen Bundesregierung
im Stich gelassen fühlen. Sie wurden von deren plötzlicher Entscheidung über-
rascht, einen Antragsstopp für „MobiPro-EU“ für das Jahr 2014 zu verhängen.

Besonders stark verunsichert sind rund 2 300 junge Menschen, die die Unterstüt-
zung durch „MobiPro-EU“ beantragt, Sprachkurse und Praktika begonnen haben

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und sich dafür teilweise bereits in Deutschland aufhalten. Sie fürchten, mit Schul-
den statt mit neuen Perspektiven wieder in ihre Heimat zurückkehren zu müssen.

Das Aus von „MobiPro-EU“ für 2014 – quasi über Nacht – begründet die Bundes-
regierung mit dem hohen Zuspruch und der Ausschöpfung der bereit gestellten
Mittel. Tatsächlich haben rund 9 000 Personen seit dem Programmstart 2013 eine
Förderung beantragt. Es ist beschämend, dass die „gelebte europäische Solidarität“
mit der Unterstützung von 9 000 jungen Menschen überfordert sein soll.

Zu Recht löste daher der Stopp von „MobiPro-EU“ europaweit Empörung aus. Die
Diskrepanz zwischen Gipfelverlautbarungen und tatsächlichem Handeln der Bun-
desregierung hat bereits jetzt einen erheblichen Imageschaden Deutschlands im
europäischen Ausland verursacht. Nur mit einer sehr schnellen Kurskorrektur kann
dieser Schaden eingedämmt werden.

„MobiPro-EU“ kann angesichts der Dimension der Jugendarbeitslosigkeit nur ein
begrenzter Beitrag zur Lösung des Problems sein. Mindestens das aber muss die
deutsche Bundesregierung gewährleisten, zumal Deutschland erheblich von den
Ausbildungswilligen und Fachkräften aus Europa profitiert.

II. Der Deutsche Bundestag fordert die Bundesregierung daher auf,

den Antragsstopp für 2014 für das Programm „MobiPro-EU“ sofort aufzuheben
und das Programm verlässlich bis 2018 auszufinanzieren und insbesondere den
jungen Menschen, die in der begründeten Hoffnung auf eine Förderung durch das
Programm bereits nach Deutschland gekommen sind, schnelle und unbürokratische
Hilfe zukommen zu lassen.

Berlin, den 6. Mai 2014

Katrin Göring-Eckardt, Dr. Anton Hofreiter und Fraktion

Begründung

„MobiPro-EU“ wurde im Januar 2013 von der schwarz-gelben Bundesregierung gestartet. Es wendet sich an
junge europäische Ausbildungswillige bzw. Fachkräfte bis 35 Jahre und bietet ihnen Unterstützung bei der
Suche nach einer beruflichen Perspektive in Deutschland an. Die durch „MobiPro-EU“ gewährte Starthilfe
für die jungen Menschen umfasst die Finanzierung von Sprachkursen, Reise- und Unterhaltskosten, unter-
stützt bei Praktika, der Ausbildungsplatzsuche und bei der Vermittlung auf einen Arbeitsplatz.

Vor dem Hintergrund der enorm hohen Jugendarbeitslosigkeit in Europa ist „MobiPro-EU“ auf Interesse
gestoßen. Seit 2013 haben sich rund 9 000 junge Menschen für eine Starthilfe durch „MobiPro-EU“ bewor-
ben. Diese erfreuliche Entwicklung wurde auch durch zahlreiche Informations- und Auswahlveranstaltungen
im europäischen Ausland unterstützt. Mit dem Slogan „the job of my life“ warb und wirbt die das Programm
administrierende Zentrale Auslands- und Fachvermittlung (ZAV) der Bundesagentur für Arbeit für das Pro-
gramm.

Noch am 27. Januar 2014 antwortete das Bundesministerium für Arbeit und Soziales schriftlich auf eine An-
frage über die Auslastung und die geplante Weiterführung des Programms. Dabei wurde von der hohen
Nachfrage und dem hohen Zuspruch der Jugendlichen aus dem Ausland berichtet und darüber, dass man

Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 3 – Drucksache 18/1343

„zeitnah über die finanzielle Ausstattung diskutieren“ müsse. Von einem Antragsstopp war jedoch keine
Rede.

Daher kam der im Februar 2014 von einem Tag auf den anderen verkündete Förderstopp vollkommen über-
raschend. Er wurde zwar kurzfristig wieder aufgehoben, Anfang April wurde jedoch ein weiterer, dieses Mal
kompletter Antragsstopp für 2014 verhängt. Erst 2015 sollen Ausbildungswillige und Fachkräfte wieder neue
Anträge stellen können.

Die Entscheidung der Bundesregierung hat bei vielen jungen Menschen Enttäuschung, Unmut und Verunsi-
cherung hervorgerufen. Schließlich warb die ZAV bis zu diesem Zeitpunkt sehr offensiv für das Programm
im Internet und vor Ort im europäischen Ausland. Zudem ist die Situation von vielen jungen Menschen un-
geklärt, die sich bereits in Deutschland aufhalten, Sprachkurse absolviert und Praktika begonnen haben. Sie
haben Kosten auf sich genommen, ihre Heimat verlassen und wissen nun nicht, ob und wann sie mit einer
Förderung rechnen können.

Auch Träger und Bildungseinrichtungen sind in Vorleistung für „MobiPro-EU“ gegangen und müssen diese
Investitionen nun möglicherweise abschreiben. Unverständnis und Ärger löst bei ihnen vor allem der Um-
stand aus, dass bis zuletzt im In- und Ausland sehr offensiv für das Programm geworben, entsprechende
Auswahlverfahren durchgeführt und auf einen schnellen Maßnahmenbeginn gedrängt wurde. Insbesondere
die Träger weisen auf den erforderlichen Vorlauf für eine seriöse Programmplanung und -durchführung hin.
Mit einem „On-Off-Programm“, durch das Mittel nach dem Windhundprinizp verteilt werden, sind die sorg-
fältige Betreuung und Vermittlung der jungen Menschen nicht gewährleistet, da die erforderliche Infrastruk-
tur unter solchen Bedingungen nicht vorgehalten werden kann. Wenn die jungen Menschen im Ausbildungs-
jahr 2015/2016 planmäßig in Deutschland ihre Ausbildung beginnen sollen, dann muss im September 2014
bereits mit den Vorbereitungen im Herkunftsland begonnen werden. Für einen reibungslosen Ablauf des
Programms muss deshalb die Finanzierung für das komplette Jahr sichergestellt werden. Ein Stop-and-go
würde den Erfolg von MobiPro gefährden.

Der unprofessionelle Umgang der Bundesregierung mit „MobiPro-EU“ findet seinen Niederschlag zuneh-
mend auch in kritischen Berichten in ausländischen Medien. Der Imageschaden Deutschlands ist gewaltig. So
berichtete die spanische Zeitung „El Pais“ über in Deutschland gestrandete junge Menschen, die nicht wissen,
ob sie trotz eines absolvierten Sprachkurses und eines begonnenen Praktikums in Deutschland gefördert wer-
den. („Ich dachte, Deutschland sei ein pflichtbewusstes Land“ http://sociedad.elpais.com.) Die französische
„Le Monde“ spottet: „Sie sind jung und träumen davon, in Deutschland zu arbeiten? Ein Rat: Üben Sie sich
in Geduld!“ (www.lemonde.fr). Berichterstattungen über das Aus von MobiPro für 2014 sind auch in Rumä-
nien (www.zf.ro), Portugal (http://dinheirodigital.sapo.pt) und Italien (http://www.ilsole24ore.com) zu fin-
den. Inzwischen wird auch in den USA berichtet (http://bigstory.ap.org).

„Für viele Länder in Europa sind wir Vorbild – und so sollten wir uns auch verhalten“, heißt es im TV-
Werbespot der CDU Deutschlands zur Europawahl 2014. Diese hehren Worte sollten auch in der Arbeit der
schwarz-roten Bundesregierung ihren Niederschlag finden.

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