BT-Drucksache 18/1332

Wasserqualität für die Zukunft sichern - Düngerecht novellieren

Vom 6. Mai 2014


Deutscher Bundestag Drucksache 18/1332
18. Wahlperiode 06.05.2014

Antrag
der Abgeordneten Dr. Kirsten Tackmann, Caren Lay, Dr. Dietmar Bartsch,
Herbert Behrens, Karin Binder, Heidrun Bluhm, Eva Bulling-Schröter,
Roland Claus, Kerstin Kassner, Sabine Leidig, Ralph Lenkert, Michael
Leutert, Dr. Gesine Lötzsch, Thomas Lutze, Hubertus Zdebel und der
Fraktion DIE LINKE.

Wasserqualität für die Zukunft sichern – Düngerecht novellieren

Der Bundestag wolle beschließen:

I. Der Deutsche Bundestag stellt fest:

Das Ziel der Nitratrichtlinie der Europäischen Union (EU) (Richtlinie 91/676/EWG
aus dem Jahr 1991) ist die Sicherung der Wasserqualität in der EU, indem
Nitrateinträge aus der Landwirtschaft in das Grund- und Oberflächenwasser ver-
ringert werden. Die EU-Mitgliedstaaten sind verpflichtet, die Nitratkonzentration
in allen Gewässerarten zu überwachen, gefährdete Gebiete auszuweisen und für
diese Gebiete Aktionsprogramme zu entwickeln. Darüber hinaus sind Regeln für
die „gute fachliche Praxis“ in der Landwirtschaft festzulegen.

Die Düngeverordnung (DüV) ist neben dem Düngegesetz ein wesentliches Instru-
ment des deutschen Aktionsplans zur Umsetzung der EU-Nitratrichtlinie. Sie regelt
die „gute fachliche Praxis“ für eine sachgemäße Anwendung von Düngemitteln,
Bodenhilfsstoffen, Kultursubstraten und Pflanzenhilfsmitteln auf den Agrarflächen.
Dennoch hat die Bundesrepublik Deutschland erhebliche Defizite bei der Reduzie-
rung der Nitratbelastung, vor allem im Grundwasser, aufzuweisen. Dabei ist die
Landwirtschaft zwar nicht die einzige, aber die bedeutendste Verursacherin, wo-
rauf die Wissenschaftlichen Beiräte für Agrarpolitik (WBA) und für Düngungsfra-
gen (WBD) und der Sachverständigenrat für Umweltfragen (SRU) in ihrer gemein-
samen Stellungnahme „Novellierung der Düngeverordnung: Nährstoffüberschüsse
wirksam begrenzen“ im August 2013 hinweisen. Danach tragen, trotz beachtlicher
Fortschritte der letzten Jahrzehnte, die Auswaschung von Phosphat und Nitrat wei-
terhin zur Nährstoffanreicherung in Grund- und Oberflächengewässern bei. Insbe-
sondere hohe Konzentrationen von Nutztierbeständen führen lokal und regional oft
zu Ungleichgewichten zwischen Gülleerzeugung und Nährstoffbedarf mit Nähr-
stoffüberschüssen als Folge. Hinzu kommt, dass Überdüngung zu einem Ungleich-
gewicht im Nähstoffhaushalt des Bodens führt mit Beeinträchtigungen des Ökosys-
tems und Verlust an biologischer Vielfalt.

Im Koalitionsvertrag zwischen CDU, CSU und SPD aus dem Jahr 2013 wird auf
den dringenden Bedarf verwiesen, den gesetzlichen Rahmen so anzupassen, dass
zukünftig weniger Nährstoffe in die Gewässer eingetragen werden, um einer weite-
ren Fehlentwicklung entgegenzuwirken.

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Die Stickstoffbelastung in Oberflächengewässern stammt heute hauptsächlich aus
dem Grundwasser. Laut Trinkwasserverordnung liegt der Grenzwert für Nitrat im
Trinkwasser bei 50 Milligramm pro Liter (mg/l) und für Säuglinge schon bei
10 mg/l. Nach Angaben des Umweltbundesamtes (Daten zur Umwelt 2011) wer-
den nur an ca. 36 Prozent aller Wassergüte-Messstellen Werte unterhalb des
Grenzwertes gemessen. Teilweise ist die Nitratbelastung so hoch, dass eine Trink-
wassergewinnung nicht ohne weiteres möglich ist.

Die EU-Kommission lehnte Mitte 2013 das Konzept des Bundeslandwirtschafts-
ministeriums (damaliges BMELV), das unter Federführung des Thünen-Institus in
einer Bund-Länder-Arbeitsgruppe zur Novelle der Düngeverordnung erstellt wur-
de, als nicht ausreichend ab.

Bis Ende 2013 erlaubte eine Ausnahmegenehmigung etwa 700 deutschen Betrie-
ben auf intensiv genutztem Grünland und Feldgras das Ausbringen von bis zu 230
Kilogramm (kg) Stickstoff tierischer Herkunft pro Hektar und Jahr statt der nach
Düngeverordnung zugelassenen Höchstmenge von 170 kg. Diese Ausnahmerege-
lung gilt ab 2014 nicht mehr. Die Bundesregierung war im Gegenteil dazu ver-
pflichtet, der EU-Kommission einen neuen Vorschlag für die Weiterführung der
Düngeverordnung ab 2014 vorzulegen, denn die Ist-Situation gefährdet nationale
und europäische Ziele.

Wie aus der Antwort auf die Kleine Anfrage der Fraktion DIE LINKE. „Novellie-
rung des Düngerechts zur Reduzierung von Nährstoffüberschüssen“ vom Januar
2014 (Bundestagsdrucksache 18/227) hervorgeht, plant die Bundesregierung eine
Novellierung der Düngeverordnung bis Ende des Jahres 2014. Ein Arbeitsentwurf
befinde sich derzeit in der inhaltlichen Abstimmung.

II. Der Deutsche Bundestag fordert die Bundesregierung auf,

1. einen Entwurf zur Änderung der Düngeverordnung vorzulegen,
der so ausgestaltet ist, dass künftig der Nährstoffeintrag in Grund- und
Oberflächengewässer konsequent verringert wird und die Ziele der EU-
Wasserrahmenrichtlinie, der EU-Meeresstrategie-Rahmenrichtlinie, der
Nationalen Nachhaltigkeitsstrategie und der Nationalen Strategie zum Er-
halt der Biologischen Vielfalt nicht weiterhin gefährdet werden. Dabei sol-
len die Maßnahmen dem Verursacherprinzip folgen;
der mögliche Stickstoffüberschüsse von den standörtlichen Nährstoff- und
Flächenbedingungen inklusive Vorbelastungen abhängig macht und nur
jährlich in begründeten Ausnahmefällen zulässt;

2. einen Gesetzentwurf zur Änderung des Düngegesetzes vorzulegen,
der eine Erweiterung der Definition der Düngung nach guter fachlicher
Praxis vorsieht, damit, gemessen am Bedarf der Pflanze, des Bodens und
dem Erhalt oder der Verbesserung der Bodenfruchtbarkeit, die Düngung in
Art, Menge und Zeitpunkt so eingesetzt wird, dass Beeinträchtigungen des
Naturhaushaltes weitestgehend vermieden werden;
der eine Festlegung der Obergrenze für die Aufbringung von Wirtschafts-
dünger auf alle organischen Dünger, einschließlich auf Gärreste, in der
Düngeverordnung ermöglicht;

3. einen Reglungsentwurf für die Einführung einer verpflichtenden Nährstoff-
Hoftorbilanz zur vollständigen Erfassung der Nährstoffflüsse in den Betrieben
vorzulegen, in welche die Ausbringung von Gärresten einbezogen wird und die
ebenso für Betriebe mit flächenloser Viehhaltung und Biogasanlagenbetriebe
verbindlich ist;

Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 3 – Drucksache 18/1332

4. rechtliche Voraussetzungen für die notwendigen administrativen und techni-
schen Grundlagen einer öffentlich finanzierten bundesweit einheitlichen und
webbasierten Datenbank zur Hoftorbilanzierung zu entwickeln, die unter-
schiedliche betriebliche Voraussetzungen berücksichtigt, einfach handhabbar
ist und den Betrieben zur flächendeckenden Anwendung verbindlich zur Ver-
fügung gestellt wird;

5. in der Düngeverordnung die Düngemittelbedarfsermittlung ziel- und standort-
genau nach fachlich anerkannten Methoden mit Mindeststandards für die Do-
kumentation sowie der daraus resultierenden Düngeplanung und -ausführung,
festzulegen;

6. in der Düngeverordnung Kontroll- und Sanktionsmechanismen für eine ver-
besserte Durchsetzung düngerechtlicher Vorschriften unabhängig vom Cross-
Compliance-Mechanismus festzulegen;

7. Beratungs- und Schulungsangebote zur Optimierung des betrieblichen Nähr-
stoffmanagements und zur Begrenzung von Düngeverluste zu verstärken und
die rechtlichen Grundlagen zu schaffen, um bei Überschreitung der maximal
zulässigen Salden für Phosphor und Stickstoff die Beratung kostenpflichtig an-
zuordnen;

8. Fördermöglichkeiten für emissionsmindernde Technik und die Kapazitätser-
weiterung zur Wirtschaftsdüngerlagerung bei Altanlagen zu prüfen;

9. sich auf EU-Ebene für eine verbesserte Ökolandbau-Förderung einzusetzen
und diese, den Naturhaushalt besonders schonende Wirtschaftsweise, mit ei-
nem „Wasserbonus“ fördert.

Berlin, den 6. Mai 2014

Dr. Gregor Gysi und Fraktion
Drucksache 18/1332 – 4 – Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode

Begründung

In einigen Regionen der Bundesrepublik Deutschland werden derzeit die Werte für die maximal erlaubten
Stickstoff-Salden deutlich überschritten. Durch die hohen Immissionen von reaktiven Stickstoff-
Verbindungen sind nicht nur die europäischen Ziele der EU-Nitratrichtlinie, der EU-Wasserrahmenrichtlinie
(2000/60/EG) und der EU-Meeresstrategie-Rahmenrichtlinie (2008/56/EG) gefährdet, sondern auch nationale
Ziele, wie die Strategie zur biologischen Vielfalt und die Nachhaltigkeitsstrategie Deutschlands.

Die Realisierung dieser Ziele setzt eine konsequente Umsetzung der Nitratrichtlinie in nationales Recht vo-
raus. Laut EU-Nitrat-Bericht wird das mit der zurzeit rechtskräftigen Düngeverordnung nicht erreicht. Im
Gegenteil, die Einträge von Phosphat und Nitrat tragen zur weiteren Eutrophierung der Gewässer bei. Der
EU-Nitratbericht 2012 belegt eine weitere Verschlechterung des Umweltzustandes der Ostsee und der Küs-
tengewässer. Das Grundwasser in Deutschland weist neben Malta die höchsten Nitratkonzentrationen auf. Im
Umweltgutachten des Sachverständigenrates für Umweltfragen (SRU) wird darauf hingewiesen, dass von den
nach der Wasserrahmenrichtlinie 2008 bewerteten 44 deutschen Küstenwasserkörpern der Ostsee nur ein
einziger den angestrebten guten ökologischen Zustand erreicht.

Der Ist-Zustand gefährdet nicht nur nationale politische Ziele, er gefährdet Wasser als Lebensmittel und be-
trifft damit die Daseinsvorsorge. Deshalb soll die Bundesregierung den Empfehlungen der Wissenschaftli-
chen Beiräte für Agrarpolitik (WBA) und Düngungsfragen (WBD), dem Sachverständigenrat für Umweltfra-
gen (SRU) und der EU-Kommission folgen. Der Anpassungsbedarf der Landwirtschaft wird dabei sehr unter-
schiedlich sein. Er sollte neben der Produktionsstruktur, der vorhandenen Ausbringungstechnik für Wirt-
schaftsdünger vor allem von den natürlichen Standortbedingungen und den regionalen Werten für die Was-
sergüte abhängen. Besonders hoch wird der Anpassungsbedarf in vieh- und biogasanlagenstarken Regionen
sein, daher sollte hier für betroffene Betriebe zusätzliche Unterstützung durch die Bundesregierung geschaf-
fen werden.

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