BT-Drucksache 18/12852

zu der dritten Beratung des Gesetzentwurfs der Bundesregierung - Drucksachen 18/11939, 18/12845 - Entwurf eines Gesetzes zur Änderung des Bundesnaturschutzgesetzes

Vom 21. Juni 2017


Deutscher Bundestag Drucksache 18/12852

18. Wahlperiode 21.06.2017

Entschließungsantrag

der Abgeordneten Birgit Menz, Caren Lay, Herbert Behrens, Karin Binder,
Heidrun Bluhm, Eva Bulling-Schröter, Roland Claus, Susanna Karawanskij,
Kerstin Kassner, Sabine Leidig, Ralph Lenkert, Michael Leutert, Dr. Gesine
Lötzsch, Thomas Lutze, Dr. Kirsten Tackmann, Hubertus Zdebel und der
Fraktion DIE LINKE.

zu der dritten Beratung des Gesetzentwurfs der Bundesregierung

– Drucksachen 18/11939, 18/12845 –

Entwurf eines Gesetzes zur Änderung des Bundesnaturschutzgesetzes

Der Bundestag wolle beschließen:

I. Der Deutsche Bundestag stellt fest:

Mit den Änderungen des Bundesnaturschutzgesetzes (BNatSchG) will die Bundesre-
gierung „die Grundlagen für einen umfassenderen Schutz der Natur in Nord- und Ost-
see sowie für die beschleunigte Errichtung eines Biotopverbundes an Land“ legen. Der
Biotopverbund an Land soll demnach 10 Prozent der Fläche jedes Bundeslandes um-
fassen. Durch die Gesetzesänderung ist zudem jedes Bundesland verpflichtet, diesen
Biotopverbund bis zum Jahr 2027 zu errichten. Des Weiteren soll mit der Novelle
„eine Ermächtigungsgrundlage dafür geschaffen werden, um gefährdete Arten in den
Meeresgebieten der deutschen ausschließlichen Wirtschaftszone (AWZ) durch
Rechtsverordnungen unter Schutz zu stellen“. Im Bereich des Artenschutzes beabsich-
tigt die Gesetzesnovelle, die Vorschriften „zur Zulassung von Straßenbauvorhaben,
Planungen und Baugebieten oder energiewirtschaftlichen Anlagen an die höchstrich-
terliche Rechtsprechung anzupassen“.

Mit der Neuregelung im Rahmen des § 44 BNatSchG besteht die Gefahr, dass Vorga-
ben hinsichtlich des Artenschutzes zugunsten von Bauvorhaben aufgeweicht werden.
Bislang stellt der Verlust einzelner Exemplare einen Verstoß gegen das Tötungs- und
Verletzungsverbot gemäß der Fauna-Flora-Habitat- (FFH) und der Vogelschutzricht-
linie dar. Laut Neufassung des Gesetzes liegt ein Verstoß gegen das Tötungs- und Ver-
letzungsverbot jedoch nicht vor, wenn die Beeinträchtigung durch den Eingriff oder
das Vorhaben auch unter Berücksichtigung des Tötungs- und Verletzungsrisikos für
Exemplare der betroffenen Art nicht signifikant erhöht und diese Beeinträchtigung un-
vermeidbar ist (vgl. §44 BNatSchG, Absatz 5 Sätze 1 und 2). Besonders problematisch
ist in diesem Zusammenhang der eingeführte Begriff der Signifikanz. Die angewandte

Drucksache 18/12852 – 2 – Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode

Formulierung ist zu ungenau und droht das individuenbezogene Tötungsverbot gemäß
dem Europarecht aufzuweichen. Im Rahmen der FFH- und der Vogelschutzrichtlinie
kennt die europäische Rechtsprechung die Begrifflichkeit der Signifikanz nicht. Mit
dem derzeitigen Regelungsvorschlag besteht die Gefahr, die Situation schon bedrohter
Arten zugunsten diverser Bauvorhaben weiter zu verschärfen.

Die Setzung eines Zieljahres für die Länder zur Schaffung eines Biotopverbundes ist
zwar ein Fortschritt, mit einer Frist erst im Jahr 2027 ist dies jedoch als nicht zielfüh-
rend anzusehen. Die Schaffung eines Biotopverbundes ist bereits seit dem Jahr 2002
prioritäre Aufgabe der Länder, die aber bisher nicht ausreichend realisiert werden
konnte. Die gesetzte Frist konterkariert darüber hinaus die eigenen Zielvorgaben bei-
spielsweise der Nationalen Biodiversitätsstrategie oder der EU-Biodiversitätsstrategie,
deren Umsetzung bis zum Jahr 2020 vorgesehen ist.

Die in § 57 Absatz 2 BNatSchG-E normierte Einvernehmensregelung bezüglich der
Ausgestaltung der AWZ-Verordnungen ist abzulehnen. Diese Regelung ermöglicht es
einzelnen Ministerien, Verordnungen zu blockieren, die dem Schutz der Gewässer
dienen würden. Ist eine solche Einvernehmensregelung in anderen Bereichen sinnvoll,
steht sie hier einer effektiven Umsetzung von Schutzmaßnahmen im Weg. Diese Ent-
wicklung erfolgt leider analog zum Entwurf der vorliegenden Schutzgebietsverord-
nungen für die AWZ-Schutzgebiete, bei denen unterschiedliche Ressorts Ausnahmere-
gelungen beispielsweise für die Freizeitfischerei, den Sand- und Kiesabbau oder die
Forschung eingebracht haben. Das aktuelle Vertragsverletzungsverfahren wegen un-
zureichender Unterschutzstellung von Natura2000-Gebieten in der AWZ von Nord-
und Ostsee ist auch Resultat der andauernden Einflussnahme anderer Ressorts.

II. Der Deutsche Bundestag fordert die Bundesregierung auf,

einen Gesetzentwurf vorzulegen, der

1. die Vorgaben hinsichtlich des Artenschutzes gemäß FFH- und Vogelschutz -
Richtlinie umsetzt und für eine weiterführende Konkretisierung des unbestimm-
ten Begriffs „signifikant erhöhtes Tötungsrisiko“ sorgt;

2. zur Einhaltung der Frist für die Errichtung eines Biotopverbundes an Land durch
die Bundesländer zur regelmäßigen Berichtsabgabe zum Entwicklungsstand des
Biotopverbundes auffordert und

3. die Einvernehmensregelung nach § 57 Absatz 2 BNatschG-E durch eine Beneh-
mensregelung ersetzt, um die Stellung des BMUB als zuständiges Ministerium
und federführendes Ressort bei der Unterschutzstellung relevanter Gebiete zu
stärken und Blockaden anderer Ressorts zu unterbinden.

Berlin, den 20. Juni 2017

Dr. Sahra Wagenknecht, Dr. Dietmar Bartsch und Fraktion

Satz: Satzweiss.com Print, Web, Software GmbH, Mainzer Straße 116, 66121 Saarbrücken, www.satzweiss.com
Druck: Printsystem GmbH, Schafwäsche 1-3, 71296 Heimsheim, www.printsystem.de

anzeiger Verlag GmbH, Postfach 10 05 34, 50445 Köln, Telefon (02 21) 97 66 83 40, Fax (02 21) 97 66 83 44, www.betrifft-gesetze.de

x

Schnellsuche

Suchen Sie z.B.: "13 BGB" oder "I ZR 228/19". Die Suche ist auf schnelles Navigieren optimiert. Erstes Ergebnis mit Enter aufrufen.
Für die Volltextsuche in Urteilen klicken Sie bitte hier.