BT-Drucksache 18/12830

zu dem Gesetzentwurf der Bundesregierung - Drucksachen 18/9534, 18/10025, 18/10307 Nr. 4 - Entwurf eines Zweiten Gesetzes zur Stärkung der Verfahrensrechte von Beschuldigten im Strafverfahren und zur Änderung des Schöffenrechts

Vom 21. Juni 2017


Deutscher Bundestag Drucksache 18/12830

18. Wahlperiode 21.06.2017

Beschlussempfehlung und Bericht
des Ausschusses für Recht und Verbraucherschutz (6. Ausschuss)

zu dem Gesetzentwurf der Bundesregierung

– Drucksachen 18/9534, 18/10025, 18/10307 Nr. 4 –

Entwurf eines Zweiten Gesetzes zur Stärkung der Verfahrensrechte von
Beschuldigten im Strafverfahren und zur Änderung des Schöffenrechts

A. Problem

Der Gesetzentwurf dient der Umsetzung der Richtlinie 2013/48/EU des Europäi-
schen Parlaments und des Rates vom 22. Oktober 2013 über das Recht auf Zugang
zu einem Rechtsbeistand in Strafverfahren und in Verfahren zur Vollstreckung
des Europäischen Haftbefehls sowie über das Recht auf Benachrichtigung eines
Dritten bei Freiheitsentzug und das Recht auf Kommunikation mit Dritten und mit
Konsularbehörden während des Freiheitsentzugs (ABl. L 294 vom 6.11.2013,
S. 1). Dabei handelt es sich um eine Maßnahme zur Verwirklichung des Fahrplans
zur Stärkung der Verfahrensrechte von Verdächtigen oder Beschuldigten in Straf-
verfahren, den der Rat der Europäischen Union am 30. November 2009 angenom-
men hat. Die initiierende Bundesregierung weist darauf hin, dass die Bundesre-
publik Deutschland sich stets für die Schaffung dieser gemeinsamen Mindeststan-
dards innerhalb der Europäischen Union eingesetzt habe. Da das deutsche Recht
den Vorgaben der Richtlinie weitgehend bereits entspreche, seien zu ihrer Umset-
zung nur punktuelle Änderungen erforderlich.

Vorgesehen sind einige Änderungen in der Strafprozessordnung (StPO), insbe-
sondere die Statuierung eines Anwesenheitsrechts des Verteidigers bei polizeili-
chen Gegenüberstellungen. In das Jugendgerichtsgesetz (JGG) soll eine neue Vor-
schrift dazu aufgenommen werden, dass der Erziehungsberechtigte und der ge-
setzliche Vertreter eines Jugendlichen so bald wie möglich zu unterrichten sind,
wenn dem Jugendlichen die Freiheit entzogen wird. Im Gesetz über die internati-
onale Rechtshilfe in Strafsachen soll die Verpflichtung verankert werden, in Ver-
fahren zur Vollstreckung eines Europäischen Haftbefehls die gesuchte Person
auch über ihr Recht zu unterrichten, im ersuchenden Mitgliedstaat einen Rechts-
beistand zu benennen. Außerdem schlägt der Entwurf Änderungen in den Rege-
lungen des Gerichtsverfassungsgesetzes zu den ehrenamtlichen Richtern in der
Strafrechtspflege (Schöffen) vor.

Drucksache 18/12830 – 2 – Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode

B. Lösung

Annahme des Gesetzentwurfs in geänderter Fassung. Die Änderungen des Aus-
schusses haben im Wesentlichen klarstellende Funktion und dienen der besseren
Lesbarkeit.

Annahme des Gesetzentwurfs in geänderter Fassung mit den Stimmen der
Fraktionen CDU/CSU, SPD und DIE LINKE. bei Stimmenthaltung der
Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN.

C. Alternativen

Keine.

D. Kosten

Wurden im Ausschuss nicht erörtert.

Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 3 – Drucksache 18/12830

Beschlussempfehlung

Der Bundestag wolle beschließen,

den Gesetzentwurf auf Drucksachen 18/9534, 18/10025 mit folgenden Maßgaben,
im Übrigen unverändert anzunehmen:

Artikel 1 wird wie folgt geändert:

1. In Nummer 3 wird das Wort „allgemeine“ gestrichen.

2. Nummer 6 wird wie folgt geändert:

a) In Buchstabe a wird der Satz „§ 241 Absatz 2 gilt entsprechend.“ durch
den Satz „Ungeeignete oder nicht zur Sache gehörende Fragen oder Er-
klärungen können zurückgewiesen werden.“ ersetzt.

b) In Buchstabe b wird der Satz „§ 241 Absatz 2 und § 241a gelten ent-
sprechend.“ durch die Sätze „Ungeeignete oder nicht zur Sache gehö-
rende Fragen oder Erklärungen können zurückgewiesen werden. § 241a
gilt entsprechend.“ ersetzt.

3. In Nummer 7 wird der Satz „§ 241 Absatz 2 und § 241a gelten entspre-
chend.“ durch die Sätze „Ungeeignete oder nicht zur Sache gehörende Fra-
gen oder Erklärungen können zurückgewiesen werden. § 241a gilt entspre-
chend.“ ersetzt.

Berlin, den 21. Juni 2017

Der Ausschuss für Recht und Verbraucherschutz

Renate Künast
Vorsitzende

Dr. Patrick Sensburg
Berichterstatter

Detlef Seif
Berichterstatter

Christoph Strässer
Berichterstatter

Harald Petzold (Havelland)
Berichterstatter

Hans-Christian Ströbele
Berichterstatter

Drucksache 18/12830 – 4 – Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode

Bericht der Abgeordneten Dr. Patrick Sensburg, Detlef Seif, Christoph Strässer, Ha-
rald Petzold (Havelland) und Hans-Christian Ströbele

I. Überweisung

Der Deutsche Bundestag hat die Vorlage auf Drucksache 18/9534 in seiner 190. Sitzung am 22. September 2016
beraten und an den Ausschuss für Recht und Verbraucherschutz zur Beratung überwiesen.

Die Vorlage auf Drucksache 18/10025 hat der Deutsche Bundestag mit Drucksache 18/10307 Nr. 1.4 am 10. No-
vember 2016 an den Ausschuss für Recht und Verbraucherschutz zur Beratung überwiesen.

II. Stellungnahme des Parlamentarischen Beirats für nachhaltige Entwicklung

Der Parlamentarische Beirat für nachhaltige Entwicklung hat sich mit der Vorlage auf Drucksache 18/9534 (Bun-
desratsdrucksache 419/16) am 13. September 2016 befasst und festgestellt, dass eine Nachhaltigkeitsrelevanz des
Gesetzentwurfs nicht gegeben sei. Die Darstellung der Nachhaltigkeitsprüfung sei bedingt plausibel, eine Prüf-
bitte jedoch nicht erforderlich.

III. Beratungsverlauf und Beratungsergebnisse im federführenden Ausschuss

Der Ausschuss für Recht und Verbraucherschutz hat die Vorlage auf Drucksache 18/9534 in seiner 114. Sitzung
am 19. Oktober 2016 anberaten und beschlossen, eine öffentliche Anhörung durchzuführen, die er in seiner
126. Sitzung am 14. Dezember 2016 durchgeführt hat. An dieser Anhörung haben folgende Sachverständige teil-
genommen:

Stefan Conen Rechtsanwalt, Berlin

Prof. Dr. Robert Esser Universität Passau
Lehrstuhl für Deutsches, Europäisches und Internationales Strafrecht und
Strafprozessrecht sowie Wirtschaftsstrafrecht
Forschungsstelle Human Rights in Criminal Proceedings (HRCP)

Andreas Kreutzer Deutscher Richterbund e. V.
Vizepräsident des Landgerichtes Hannover

Dr. Rolf Raum Vorsitzender Richter am Bundesgerichtshof, Karlsruhe

Michael Rosenthal Deutscher Anwaltverein e. V.
Rechtsanwalt, Karlsruhe

Prof. Dr. Arndt Sinn Universität Osnabrück
Institut für Wirtschaftsrecht
Lehrstuhl für Deutsches und Europäisches Straf- und Strafprozessrecht, Inter-
nationales Strafrecht sowie Strafrechtsvergleichung

Gert-Holger Willanzheimer Oberstaatsanwalt
Staatsanwaltschaft Marburg

Hinsichtlich des Ergebnisses der Anhörung wird auf das Protokoll der 126. Sitzung vom 14. Dezember 2016 mit
den anliegenden Stellungnahmen der Sachverständigen verwiesen.

Der Ausschuss für Recht und Verbraucherschutz hat die Vorlagen auf Drucksachen 18/9534, 18/10025 in
seiner 155. Sitzung am 21. Juni 2017 abschließend beraten und empfiehlt mit den Stimmen der Fraktionen
CDU/CSU, SPD und DIE LINKE. bei Stimmenthaltung der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN die Annahme

Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 5 – Drucksache 18/12830

des Gesetzentwurfs in der aus der Beschlussempfehlung ersichtlichen Fassung. Die Änderungen beruhen auf ei-
nem Änderungsantrag, den die Fraktionen der CDU/CSU und SPD in den Ausschuss eingebracht haben und der
mit den Stimmen aller Fraktionen angenommen wurde.

Die Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN erklärte, die Stärkung der Verfahrensrechte von Beschuldigten sei
grundsätzlich zu begrüßen. Gerade im Bereich des Europäischen Haftbefehls könnten erhebliche Zwangsmaß-
nahmen drohen, gegen die Beschuldigte sich sach- und rechtskundig verteidigen lassen können müssten. Sie
könne dem Gesetz jedoch nicht zustimmen, weil entgegen der ursprünglichen Ankündigung des Bundesministe-
riums der Justiz und für Verbraucherschutz das Kontaktsperregesetz von 1977 nicht abgeschafft, sondern nur
unwesentlich eingeschränkt werde.

Die Fraktion der SPD erläuterte, es gehe um die Umsetzung einer EU-Richtlinie. Dies sei mit dem Gesetzentwurf
und den Klarstellungen im Änderungsantrag zu den Beschuldigtenrechten bei der polizeilichen Gegenüberstel-
lung gut gelungen. Es treffe zu, dass das Kontaktsperregesetz nur auf bestimmte, sehr schwerwiegende Straftaten
beschränkt werde – dabei handele es sich aber immerhin um einen ersten Schritt in die richtige Richtung. Die
Änderungen im Jugendgerichtsgesetz dienten der Stärkung der Rechte von Minderjährigen. Um auch den Fall zu
erfassen, dass aus Kindeswohlerwägungen kein Kontakt zwischen dem Jugendlichen und dem Erziehungsberech-
tigten bestehe, sei eine Ausnahmeregelung aufgenommen worden, die es ermögliche, etwa nahe Verwandte von
einem Freiheitsentzug zu benachrichtigen. Die Änderung im Schöffenrecht stehe nicht unmittelbar im Zusam-
menhang mit der Richtlinie, greife aber Erfahrungen aus der Praxis auf und ermögliche ehrenamtlichen Richte-
rinnen und Richtern, über zwei aufeinanderfolgende Amtsperioden hinaus zu amtieren. Einige Punkte seien im
Schöffenrecht noch offen geblieben, die in der kommenden Wahlperiode unter Beteiligung der Länder geklärt
werden sollten.

Die Fraktion DIE LINKE. merkte an, sie teile die Kritik der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN hinsichtlich
des Kontaktsperregesetzes. Da die Umsetzung der EU-Richtlinie jedoch gelungen sei, insbesondere bezüglich der
Änderungen im Jugendgerichtsgesetz, werde die Fraktion dem Gesetzentwurf zustimmen.

IV. Zur Begründung der Beschlussempfehlung

Im Folgenden werden lediglich die vom Ausschuss für Recht und Verbraucherschutz empfohlenen Änderungen
gegenüber der ursprünglichen Fassung des Gesetzentwurfs erläutert. Soweit der Ausschuss die unveränderte An-
nahme des Gesetzentwurfs empfiehlt, wird auf die jeweilige Begründung in Drucksache 18/9534 verwiesen.

1. Allgemeines

Ergänzend zu den empfohlenen Änderungen weist der Ausschuss klarstellend darauf hin, dass mit der Neurege-
lung des Anwesenheitsrechts des Verteidigers bei Gegenüberstellungen in § 58 Absatz 2 der Strafprozessordnung
(StPO) kein Anwesenheitsrecht des Verteidigers bei polizeilichen Zeugenvernehmungen einhergeht. Die Verwei-
sung in § 163 Absatz 3 StPO auf § 58 StPO begründet ein Anwesenheitsrecht des Verteidigers ausschließlich bei
polizeilichen Gegenüberstellungen.

Weitere Änderungen im Schöffenrecht bzw. Recht der ehrenamtlichen Richter, insbesondere die vom Bundesrat
vorgeschlagene Verringerung der Kandidatenzahl in den Vorschlagslisten für die Schöffenwahlen, hält der Aus-
schuss derzeit nicht für erforderlich. Der Ausschuss bittet die Bundesregierung aber, gemeinsam mit den Ländern
zu prüfen, wie die Bereitschaft zur Übernahme des ehrenamtlichen Richteramtes gefördert werden kann. Hierfür
sind aus Sicht des Ausschusses auch gesetzliche Regelungen in Betracht zu ziehen, die eine Anrechnung von
(kernzeitlosen) Abwesenheitszeiten bei Gleitzeitbeschäftigungen sowie eine Übernahme der Kosten für übliche
und der Ausübung des Ehrenamtes dienliche freiwillige Aus- und Fortbildungsmaßnahmen ermöglichen, soweit
diese Aus- und Fortbildungsmaßnahmen nicht durch die Länder angeboten werden.

2. Zu den einzelnen Vorschriften

Zu Nummer 1 (§ 136 Absatz 1 StPO-E)

Die Änderung stellt klar, dass der Vernehmende seiner Pflicht, den Beschuldigten bei der Herstellung des Kon-
takts zu einem Verteidiger zu unterstützen, durch solche Informationen genügt, die es dem Beschuldigten in der

Drucksache 18/12830 – 6 – Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode

konkreten Situation tatsächlich ermöglichen, mit einem Verteidiger seiner Wahl unmittelbar Kontakt aufzuneh-
men, etwa durch die Übergabe von Verteidigerlisten mit den entsprechenden Kontaktdaten. Nicht ausreichend
wäre hingegen beispielsweise der allgemeine Hinweis darauf, dass der Beschuldigte bei der Rechtsanwaltskam-
mer die Namen und Kontaktdaten von Verteidigern erfragen kann.

Zu den Nummern 2 und 3 (§ 168c Absatz 1 und 2, § 406h Absatz 2 StPO-E)

Die Änderungen dienen zum einen der besseren Lesbarkeit. Zum anderen soll ergänzend klargestellt werden, dass
die Vernehmungsperson nicht nur ungeeignete oder nicht zur Sache gehörende Fragen des Staatsanwalts, des
Verteidigers oder des Rechtsanwalts des Nebenklagebefugten, sondern auch derartige Erklärungen zurückweisen
kann.

Berlin, den 21. Juni 2017

Dr. Patrick Sensburg
Berichterstatter

Detlef Seif
Berichterstatter

Christoph Strässer
Berichterstatter

Harald Petzold (Havelland)
Berichterstatter

Hans-Christian Ströbele
Berichterstatter

Satz: Satzweiss.com Print, Web, Software GmbH, Mainzer Straße 116, 66121 Saarbrücken, www.satzweiss.com
Druck: Printsystem GmbH, Schafwäsche 1-3, 71296 Heimsheim, www.printsystem.de

anzeiger Verlag GmbH, Postfach 10 05 34, 50445 Köln, Telefon (02 21) 97 66 83 40, Fax (02 21) 97 66 83 44, www.betrifft-gesetze.de

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