BT-Drucksache 18/12556

Umsatzsteuerbetrug auf Online-Handelsplattformen wirksam bekämpfen - Plattformbetreiber in Haftung nehmen

Vom 31. Mai 2017


Deutscher Bundestag Drucksache 18/12556
18. Wahlperiode 31.05.2017
Antrag
der Abgeordneten Dr. Thomas Gambke, Kerstin Andreae, Dieter Janecek,
Dr. Gerhard Schick, Ekin Deligöz, Markus Kurth, Dr. Tobias Lindner, Beate
Müller-Gemmeke und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN

Umsatzsteuerbetrug auf Online-Handelsplattformen wirksam bekämpfen –
Plattformbetreiber in Haftung nehmen

Der Bundestag wolle beschließen:

I. Der Deutsche Bundestag stellt fest:

Der Marktanteil von Handelsplattformen im Internet steigt seit Jahren beständig.
Gleichsam mehren sich die Anzeichen für ein massives Steuerbetrugsproblem auf die-
sen Online-Marktplätzen. Insbesondere in China ansässige Händlerinnen und Händler
führen beim Verkauf von Artikeln auf Amazon-Marketplace keine Umsatzsteuer ab.
Der damit verbundene Schaden beläuft sich nach einer Abschätzung der Deutschen
Steuergewerkschaft auf mindestens 1 Mrd. Euro pro Jahr. Die Steuerhinterziehung be-
schränkt sich aber nicht nur auf chinesische Händlerinnen und Händler und auf Ama-
zon-Marketplace. Sämtliche Online-Marktplätze, wie z. B. eBay, Airbnb und mo-
bile.de, bergen ein Steuerausfallrisiko durch Betätigungen von Steuerbürgerinnen und
Steuerbürgern , die die Schwelle von der Privatperson zum umsatz- und ertragsteuer-
lich relevanten Unternehmer überschreiten (sog. „Powerseller“) und keine Erklärung
über ihre steuerlich relevanten Umsätze abgeben. Dieses Vollzugsproblem ist den zu-
ständigen Landesfinanzverwaltungen und dem Bundesfinanzministerium seit langer
Zeit bekannt. Der Umsatzsteuerbetrug auf Handelsplattformen ist einfach zu gestalten
– es muss mit einer ganz anderen Dynamik gerechnet werden. Deshalb muss der Ge-
setzgeber dringend und unmittelbar tätig werden. Sonst drohen Umsatzsteuerausfälle,
die weit über die heute bekannten Zahlen hinausgehen und schnell mehrere Milliarden
Euro betragen können und möglicherweise den Umsatzsteuerbetrug mit manipulierten
Kassensystemen (10 Mrd. Euro) schnell übertreffen können.
Das Bundeszentralamt für Steuern (BZSt) unterstützt die Landesfinanzverwaltungen
bei der Beobachtung von elektronisch angebotenen Dienstleistungen hinsichtlich der
Umsatzbesteuerung des elektronischen Handels (§ 5 Abs. 1 Nummer 17 Finanzver-
waltungsgesetz –FVG). Damit soll nicht nur das Steuerausfallrisiko verringert werden,
sondern auch die Wettbewerbsgerechtigkeit im Internet gesichert werden, denn Händ-
ler, die keine Steuern zahlen, können ihre Waren billiger anbieten bzw. einen höheren
Profit erwirtschaften. Technisch umgesetzt wird diese Aufgabe durch den Einsatz ei-
nes Web-Crawlers, dem sog. Xpider-System. Das Xpider-System soll in der Lage sein,
automatisiert Internetseiten zu identifizieren, die auf eine unternehmerische Tätigkeit
schließen lassen. Die Rechercheergebnisse werden nach Zuständigkeit sortiert und den
Landesfinanzbehörden in regelmäßigen Abständen übermittelt. Daneben soll auch
konkreten Hinweisen auf unternehmerische Tätigkeit nachgegangen werden. Gleich-
wohl erfüllen die tatsächlichen Feststellungen nach Auswerten der Daten oftmals nicht

Drucksache 18/12556 – 2 – Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode

die Erwartungen an Xpider. Aufgrund ungenügender Datenqualität ist die Verwertbar-
keit der gesammelten Informationen stark begrenzt. Insbesondere die Identifizierung
der Anbieter ist weiterhin schwierig. Mithin sind einige Bundesländer dazu überge-
gangen, eigene selbstständige Lösungen zu entwickeln.

II. Der Deutsche Bundestag fordert die Bundesregierung auf,

1. einen Gesetzentwurf zur Sicherstellung des Steuersubstrats aus dem Onlinehan-
del aus dem Drittland vorzulegen. Mit dem Gesetzentwurf muss erreicht werden,
dass die an der Abwicklung der Geschäfte Beteiligten an den steuerlichen Pflich-
ten der leistenden Unternehmer beteiligt werden, beispielsweise durch eine Ge-
samtschuldnerschaft entsprechend der im Vereinigten Königreich bereits umge-
setzten Maßnahmen, durch eine Steuerschuldnerschaft von Online-Plattformen
oder durch eine Änderung des Telemediengesetzes. Ferner muss der Gesetzent-
wurf sicherstellen, dass Fehlverhalten sanktioniert werden;

2. das Bundeszentralamt für Steuern finanziell und personell so auszustatten, dass
die technische Weiterentwicklung des Beobachtungsystems unternehmerischer
Tätigkeiten auf Online-Handelsplattformen (Xpider) verstärkt werden kann;

3. Möglichkeiten zu prüfen, wie die Zusammenarbeit des Bundeszentralamts für
Steuern mit den zuständigen Landesfinanzverwaltungen zum Zwecke der Be-
kämpfung von Umsatzsteuerbetrug auf Online-Handelsplattformen verbessert
werden kann.

Berlin, den 30. Mai 2017

Katrin Göring-Eckardt, Dr. Anton Hofreiter und Fraktion

Begründung

Steuerbetrug schadet nicht nur den öffentlichen Kassen sondern führt außerdem auch zu eklatanten Wettbewerbs-
nachteilen für steuerehrliche Unternehmen. Welche Intensität die Wettbewerbsverzerrungen auf Online-Handels-
plattformen bereits haben, zeigt, dass allein auf Ebay von den dort registrierten gewerblichen Verkäufern mit Sitz
in China bzw. Hongkong nur 10,6 % in Deutschland steuerlich registriert sind und sogar weniger als 1 % eine
deutsche Umsatz-ID haben (vgl. „Die Milliarden-Lücke“, c’t-Magazin 01/2017, S. 16). Marktbeobachter schät-
zen, dass der Preisvorteil der ausländischen Online-Händler durch die Nichtabführung der fälligen Umsatzsteuer,
das Ignorieren von Registrierungspflichten (z. B. für die Entsorgung) und den Wegfall von Gewährleistung und
Widerrufsrecht bis zu 45 % betragen kann. Plattform-Provider müssen deshalb zukünftig Sorge tragen, dass An-
bieter die fällige Umsatzsteuer tatsächlich abführen. Wenn der Lieferant keine Umsatzsteuer entrichtet, muss der
Betreiber der Plattform herangezogen werden. Großbritannien hat schon längst auf das Problem reagiert: Online-
Plattformen haften für steuerhinterziehende Händler und nehmen diese in der Regel nach einer Behördenwarnung
vom Markt.
Das Xpider-System soll der Finanzverwaltung für die Identifizierung von Online-Händlern automatisiert Daten
bereitstellen. Damit die gesammelten Daten zielorientiert weiter verwertet werden können, müssen diese im Hin-
blick auf Validität, Vollständigkeit und Informationsgehalt eine hinreichende Qualität aufweisen. Das BZSt, wel-
ches diese Dienstleistung für die Landesfinanzverwaltungen erbringt, muss deshalb alle Anstrengungen unter-
nehmen, um die Leistungsfähigkeit des Xpider-Systems zu verbessern. Aus volkswirtschaftlicher Sicht wäre es
ineffizient, wenn einzelne Landesfinanzverwaltungen Doppelstrukturen aufbauen, weil die Daten des Xpider-
Systems nur ungenügend nutzbar sind.

Satz: Satzweiss.com Print, Web, Software GmbH, Mainzer Straße 116, 66121 Saarbrücken, www.satzweiss.com
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