BT-Drucksache 18/12288

Strafverfolgung von in Syrien begangenen Völkerstraftaten in Deutschland

Vom 5. Mai 2017


Deutscher Bundestag Drucksache 18/12288
18. Wahlperiode 05.05.2017

Kleine Anfrage
der Abgeordneten Katja Keul, Tom Koenigs, Dr. Franziska Brantner,
Luise Amtsberg, Marieluise Beck (Bremen), Britta Haßelmann, Renate Künast,
Monika Lazar, Konstantin von Notz, Omid Nouripour, Claudia Roth (Augsburg)
und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN

Strafverfolgung von in Syrien begangenen Völkerstraftaten in Deutschland

Sechs Jahre Krieg in Syrien hat Hundertausende Menschen das Leben gekostet.
Millionen sind innerhalb Syriens und aus Syrien heraus auf der Flucht. Giftgas-
angriffe, Foltergefängnisse und das Aushungern der Zivilbevölkerung sind nur
Beispiele für die vielen Völkerstraftaten, die in Syrien von verschiedenen Kon-
fliktparteien verübt wurden und werden. Tausende sind solchen Völkerstraftaten
bereits zum Opfer gefallen.
In Deutschland können Völkerstraftaten nach dem Weltrechtsprinzip auf der ge-
setzlichen Grundlage des Völkerstrafgesetzbuches geahndet werden. Dies ist von
besonderer Bedeutung, wenn der Weg zum Internationalen Strafgerichtshof – wie
im Falle Syriens – derzeit aufgrund des Vetos einiger Sicherheitsratsmitglieder
de facto versperrt ist (vgl. abgelehnte Resolution des Sicherheitsrates vom
22. Mai 2014, S/2014/348).
Zahlreiche Syrerinnen und Syrer sind nach Deutschland geflüchtet. Sie stellen
dem Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (BAMF) und damit auch den Er-
mittlungs- und Strafverfolgungsbehörden, insbesondere der Zentralstelle für die
Bekämpfung von Kriegsverbrechen und weiteren Straftaten nach dem Völker-
strafgesetzbuch (ZBKV) beim Bundeskriminalamt (BKA) und dem Völkerstraf-
rechtsreferat beim Generalbundesanwalt beim Bundesgerichtshof (GBA), wert-
volle Hinweise auf Völkerstraftaten und -straftäter zur Verfügung. (Da sich
das BAMF und die ZBKV im Geschäftsbereich des Bundesministeriums des In-
nern (BMI) befinden, werden diesbezügliche Fragen mit gesonderter Kleiner An-
frage gestellt.)
Die wichtige Arbeit der Ermittlungs- und Strafverfolgungsbehörden verhilft dem
Völkerstrafgesetzbuch dabei erst zur praktischen Anwendbarkeit. Sie verdient
Anerkennung und bestmögliche Unterstützung. Insbesondere die exorbitant ge-
stiegene Zahl der Hinweise (8 500-prozentige Steigerung innerhalb von zwei Jah-
ren seit 2013, vgl. Antwort auf die Schriftliche Frage 33 des Abgeordneten
Dr. Frithjof Schmidt, Bundestagsdrucksache 18/8052) muss mit ausreichender
Ausstattung der Ermittlerinnen und Ermittler, insbesondere genügend Personal,
beantwortet werden. Nur dann kann den zahlreichen Hinweisen auf Völkerstraf-
taten umgehend nachgegangen werden, was im Ergebnis auch zu mehr und zeit-
näheren Prozessen führt und somit im Interesse der Opfer zur Beendigung der
derzeitigen Straflosigkeit von Völkerstraftaten im syrischen Kontext beiträgt.

Drucksache 18/12288 – 2 – Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode

Wir fragen die Bundesregierung:

1. Wie viele Strafanzeigen im syrischen Kontext sind insgesamt beim General-
bundesanwalt beim Bundesgerichtshof (GBA) eingegangen (bitte nach Jah-
ren aufschlüsseln)?

2. Wie viele Strafanzeigen betreffen das syrische Regime, wie viele Daesh/IS?
3. Wie viele Ermittlungsverfahren hat das Völkerstrafrechtsreferat beim GBA

seit dem Jahr 2011 eingeleitet (bitte einzeln nach Jahren sowie nach perso-
nenbezogenen Ermittlungsverfahren und Strukturverfahren aufschlüsseln)?

4. Wie viele personenbezogene Ermittlungsverfahren im syrischen Kontext ge-
gen wie viele Beschuldigte mit Bezug
a) zu Daesh/IS,
b) zum syrischen Regime,
c) zu anderen im syrischen Bürgerkrieg involvierten Gruppen (welchen)
hat der GBA seit 2011 eingeleitet (bitte einzeln nach Jahren und Ermittlungs-
verfahren auflisten)?

5. Wie viele der personenbezogenen Ermittlungsverfahren in Bezug auf
Daesh/IS betreffen dabei Syrien, und wie viele den Irak?

6. Seit wann gibt es Strukturverfahren mit Bezug auf
a) Daesh/IS,
b) das syrische Regime,
c) zu anderen im syrischen Bürgerkrieg involvierten Gruppen (welchen)

7. Inwiefern wird bei Ermittlungsverfahren mit internationalen Organisationen,
der EU oder anderen Staaten zusammengearbeitet?

8. Welche Vorhaben bestehen bezüglich zukünftiger Zusammenarbeit mit in-
ternationalen Organisationen, der Europäischen Union oder anderen Staaten?

9. Inwiefern gab bzw. gibt es mit welchen Staaten bzw. Organisationen zu
Straftaten im mit Bezug
a) zu Daesh/IS,
b) zum syrischen Regime,
c) zu anderen im syrischen Bürgerkrieg involvierten Gruppen und Staaten

(jeweils welchen)
einen Austausch?

10. Mit der Eröffnung von wie vielen völkerstrafrechtlicher Hauptverfahren, den
syrischen Kontext betreffend, rechnet der Generalbundesanwalt beim Bun-
desgerichtshof im Jahr 2017?

11. Wann wird jeweils die Eröffnung der Hauptverfahren in den beiden Struk-
turverfahren (syrisches Regime und Daesh/IS) angestrebt, wenn einerseits
ein Interesse an zügiger Strafverfolgung besteht und bereits viele Beweise
vorliegen, andererseits laufend neue Hinweise eingehen?

12. Wie viele Staatsanwältinnen und Staatsanwälte hat das Völkerstrafrechtsre-
ferat des GBA (bitte seit 2011 einzeln nach Jahren aufschlüsseln, Teil- und
Vollzeitstellen getrennt ausweisen)?

Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 3 – Drucksache 18/12288

13. Wie viele Staatsanwältinnen und Staatsanwälte des Völkerstrafrechtsreferats

des GBA beschäftigen sich mit der Auswertung von Hinweisen auf Völker-
straftatenbezogen auf Syrien (bitte seit 2011 einzeln nach Jahren aufschlüs-
seln, planmäßige Stellen und abgeordnete Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter,
Teil- und Vollzeitstellen getrennt ausweisen)?

14. Würde nach Auffassung der Bundesregierung eine signifikante Aufstockung
der Personaldecke des Völkerstrafrechtsreferats beim GBA dieses in die
Lage versetzen, mehr und zügigere Ermittlungen durchzuführen?

15. Sammelt der Generalbundesanwalt beim Bundesgerichtshof trotz des derzeit
bestehenden Verfahrenshindernisses gemäß § 20 Absatz 2 des Gerichtsver-
fassungsgesetzes (Immunität für amtierende Staatsoberhäupter) Beweise für
Völkerstraftaten gegen Baschar al Assad?

16. Ist geplant, diese Beweise nach Wegfall des Verfahrenshindernisses (Immu-
nität für amtierende Staatsoberhäupter) in einem Verfahren nach dem Völ-
kerstrafgesetzbuch in Deutschland zu verwenden, oder sollen sie einem in-
ternationalen Strafgericht (insbesondere dem ICC) zur Verfügung gestellt
werden, bei dem ein solches Verfahrenshindernis nicht besteht?

17. Wie viele Hinweise von völkerstrafrechtlicher Relevanz im syrischen Kon-
text gibt es auf in Deutschland aufhältige Personen bzw. mögliche Täter?

18. Wie viele Zeuginnen und Zeugen wurden bereits im Rahmen der Strukturer-
mittlungsverfahren zu Syrien vernommen, und wie viele Zeugenaussagen
stehen derzeit noch aus?

19. Wie werden in Deutschland aufhältige Opfer und Zeuginnen und Zeugen, die
ja nicht alle über vom BAMF übermittelte Hinweise bekannt sind, von Völ-
kerstraftaten durch das Völkerstrafrechtsreferat des Generalbundesanwalts
beim Bundesgerichtshof identifiziert, kontaktiert und ggf. geschützt?

Berlin, den 4. Mai 2017

Katrin Göring-Eckardt, Dr. Anton Hofreiter und Fraktion

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