BT-Drucksache 18/12088

Verbot der Haltung wild lebender Tierarten in Zirkussen

Vom 25. April 2017


Deutscher Bundestag Drucksache 18/12088
18. Wahlperiode 25.04.2017
Antrag
der Abgeordneten Birgit Menz, Eva Bulling-Schröter, Caren Lay, Herbert
Behrens, Karin Binder, Heidrun Bluhm, Roland Claus, Susanna Karawanskij,
Kerstin Kassner, Sabine Leidig, Ralph Lenkert, Michael Leutert, Dr. Gesine
Lötzsch, Thomas Lutze, Dr. Kirsten Tackmann, Hubertus Zdebel und der
Fraktion DIE LINKE.

Verbot der Haltung wild lebender Tierarten in Zirkussen

Der Bundestag wolle beschließen:

I. Der Deutsche Bundestag stellt fest:

Bereits in den Jahren 2003 und 2011 hat der Bundesrat jeweils Entschließungsanträgen
(Bundesratsdrucksachen 595/03 und 565/11) zugestimmt, nach denen ein Haltungs-
verbot für bestimmte wild lebende Tierarten in Zirkusbetrieben ausgesprochen werden
sollte. Beiden Initiativen wurde von Seiten der Bundesregierung nicht entsprochen
(vgl. Unterrichtung der Bundesregierung vom 28.02.2012 zu Bundesratsdrucksache
565/11). Seit März 2016 liegt der Bundesregierung nun eine weitere Entschließung des
Bundesrates zu diesem Thema zur Prüfung vor (Bundesratsdrucksache 78/16). Bisher
gibt es zu dieser Initiative jedoch noch keine Äußerung der Bundesregierung und auch
keine Rechtsverordnung, die diese Beschlüsse umsetzen könnte.
Innerhalb der Europäischen Union haben inzwischen 18 Länder die Haltung von Wild-
tieren in Zirkussen verboten oder deutlich eingeschränkt. Auch außerhalb der EU gibt
es immer weniger Wildtiere in Zirkussen. Mit ihrer derzeitigen Haltung läuft die Bun-
desregierung ihren Ansprüchen hinterher, eine internationale Voreiterrolle in Sachen
Tierschutz einnehmen zu wollen. Allerdings räumt auch die Bundesregierung in der
Begründung zum Entwurf eines Dritten Gesetzes zur Änderung des Tierschutzgesetzes
Folgendes ein: „Es zeichnet sich jedoch bereits ab, dass für einige der genannten Tier-
arten ein Verbot oder eine Beschränkung des Zurschaustellens an wechselnden Orten
aus Gründen des Tierschutzes erforderlich sein könnte. Fortgesetzte Verstöße gegen
die Haltungsvorschriften für manche Tierarten sowie die Häufigkeit von Verhaltens-
auffälligkeiten und gesundheitlichen Beeinträchtigungen der betreffenden Tiere in vie-
len Zirkusbetrieben weisen darauf hin, dass die Bestimmungen für deren tierschutzge-
rechte Haltung unter den Bedingungen des Zurschaustellens an wechselnden Orten
nicht realisierbar sind. Auch nehmen die Erkenntnisse über die Bedürfnisse mancher
Tierarten hinsichtlich einer tierschutzgerechten Haltung zu und erfordern zumeist ein
erhöhtes Platzangebot und mehr Bewegungsmöglichkeiten für die Tiere.“ (Bundes-
tagsdrucksache 17/10572).
Diese Einschätzung der Bundesregierung deckt sich zudem mit Ergebnissen wissen-
schaftlicher Untersuchungen, die nachweisen, dass es vielen Zirkussen nicht gelingt,

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die von ihnen mitgeführten Tiere artgerecht zu halten (vgl. http://elib.tiho-hanno-
ver.de/dissertations/theophild_ws08.pdf, S. 228, Zugriff: 14.02.2017). Auch der Voll-
zug der bestehenden Vorschriften durch die Länder kann hier grundsätzlich keine Ab-
hilfe schaffen, da die Probleme systemimmanent mit den Betrieben, die an wechseln-
den Orten diese Tiere zur Schau stellen, verbunden sind. Von daher ist mindestens die
Haltung von exotischen Tieren und sind insbesondere die Anforderungen an ihre Hal-
tungsbedingungen nicht mit § 2 des Tierschutzgesetzes vereinbar. § 2 des Tierschutz-
gesetzes schreibt vor, dass, wer ein Tier hält, dieses „[…] seinen Bedürfnissen entspre-
chend angemessen ernähren, pflegen und verhaltensgerecht unterbringen […]“ muss.
Neben den Erwägungen zum Tierwohl sprechen auch Sicherheitsbedenken für ein
Verbot von Wildtieren in Zirkussen. So schreiben die Leitlinien für die Haltung, Aus-
bildung und Nutzung von Tieren in Zirkusbetrieben oder ähnlichen Einrichtungen
zwar vor, dass die Haltungssysteme in Zirkussen ausbruchssicher sein müssen, doch
belegen eine Vielzahl von Vorfällen mit Zirkustieren oft das Gegenteil. Derartige Vor-
fälle stellen eine Gefahr für die Gesundheit sowohl von Menschen als auch von Tieren
dar. In der Vergangenheit kam es wiederholt zu teils tödlichen Unfällen infolge von
Ausbrüchen aus unzureichend gesicherten Gehegen (vgl. etwa www.stimme.de/heil-
bronn/nachrichten/stadt/hn/hn/Ausgebrochener-Zirkus-Elefant-toetet-Mann;art13209
5,3394650). Ein wesentlicher Grund für diese Art von Unfällen ist in den systembe-
dingt unzureichenden Sicherheitsvorkehrungen der Zirkusse zu finden. In den entspre-
chenden Leitlinien für die Haltung von Tieren in Zirkussen und Zoos werden die Män-
gel verstetigt, indem für die gleichen Tierarten in Zirkussen und Zoos unterschiedliche
Sicherheitsvorschriften gelten (vgl. Leitlinien für die Haltung von Tieren in Zirkusbe-
trieben und vgl. Säugetiergutachten). Erklärbar ist dieser Umstand aus den geringeren
baulichen Möglichkeiten von reisenden Betrieben. In der Konsequenz ist daraus aber
abzuleiten, dass Zirkusse nicht uneingeschränkt in der Lage sind, die Sicherheit von
Mensch und Tier zu gewährleisten.
Der Einwand, ein solches Verbot von Wildtieren in Zirkussen stelle einen eklatanten
Eingriff in das Recht auf freie Berufswahl der Zirkusbetreibenden dar, ist insofern
nicht stichhaltig, als dass selbst die Bundesregierung die Einschränkung der in Zirkus-
sen zu haltenden Tiere allenfalls als Eingriff in die Berufsausübungsfreiheit wertet, die
„[…] durch vernünftige Erwägungen des Gemeinwohls, hier den Schutz der von dem
Verbot oder einer Beschränkung erfassten Tiere, gerechtfertigt sein kann“ (Bundes-
tagsdrucksache 17/10572). Im Interesse der Tiere hat auch das in Art. 14 Abs. 1 des
Grundgesetzes garantierte Eigentumsrecht an dieser Stelle seine durch Gesetz zu defi-
nierende Schranke zu finden.

II. Der Deutsche Bundestag fordert die Bundesregierung auf,

1. umgehend eine Rechtsverordnung vorzulegen, die das Halten von Tieren wild
lebender Arten in Betrieben, die an wechselnden Orten diese Tiere zur Schau
stellen, verbietet;

2. verbindlich festzuschreiben, dass alle anderen Tiere nicht wild lebender Arten der
Betriebe, die an wechselnden Orten zur Schau gestellt werden, über ein festes
Quartier verfügen müssen, das nach Größe, Ausstattung und seinem Gesamtzu-
stand für alle gehaltenen Tiere eine den Anforderungen des § 2 des Tierschutzge-
setzes entsprechende art- und bedürfnisangemessene Ernährung, Pflege und ver-
haltensgerechte Unterbringung ermöglicht;

3. zu regeln, dass bereits vorhandene Tiere innerhalb von drei Jahren in stationäre
Einrichtungen zu überführen sind. Als aufnehmende Stellen können mit Steuer-
geldern geförderte zoologische Einrichtungen dienen;
a) sollte innerhalb der Frist keine aufnehmende Stelle gefunden werden und

der Halter nicht selbst für eine tiergerechte Unterbringung sorgen können,

http://www.stimme.de/heilbronn/nachrichten/stadt/hn/hn/Ausgebrochener-Zirkus-Elefant-toetet-Mann;art13209
http://www.stimme.de/heilbronn/nachrichten/stadt/hn/hn/Ausgebrochener-Zirkus-Elefant-toetet-Mann;art13209
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kann im Ausnahmefall ein Tier im Zirkus verbleiben, bis eine geeignete Ein-
richtung gefunden wird;

b) die Übergangsfrist von drei Jahren gilt nicht für Tiere, die Verhaltensstörun-
gen (wie beispielsweise Stereotypien, aggressives bzw. depressives Verhal-
ten, Apathie, Traumata) zeigen oder unter anderen schweren oder chroni-
schen Erkrankungen leiden. Diese Tiere sind umgehend aus den Zirkussen
zu entfernen;

c) in einer Rechtverordnung ist zu regeln, dass für Tiere, denen diese Über-
gangsfrist aufgrund von offensichtlichen Verhaltensstörungen oder aggres-
sivem Verhalten nicht zuzumuten ist, ausreichend Kapazitäten in gut ausge-
statteten Auffangstationen vorgehalten werden;

4. in einer Rechtsverordnung gemäß § 2a des Tierschutzgesetzes für die Tierarten,
die an wechselnden Orten noch zur Schau gestellt werden dürfen, die zum Schutz
dieser Tierarten erforderlichen Anforderungen an deren Haltung und Zurschau-
stellung zu regeln. Für die Haltung von Säugetieren dürfen die Vorgaben nicht
unterhalb des „Gutachtens über die Mindestanforderungen an die Haltung von
Säugetieren“ (BMEL) liegen;

5. verbindlich zu regeln, welche Behörde jeweils für die Kontrolle der Vorschriften
verantwortlich ist, da auch die Erfahrungen mit dem Zirkusregister gezeigt haben,
dass es trotz der zentralen Erfassung aller Wanderzirkusse nicht zu spürbaren
Verbesserungen in den Tierhaltungen gekommen ist.

Berlin, den 25. April 2017

Dr. Sahra Wagenknecht, Dr. Dietmar Bartsch und Fraktion

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