BT-Drucksache 18/11951

Haftpflichtprämien und Sicherstellungszuschlag für freiberufliche Hebammen

Vom 6. April 2017


Deutscher Bundestag Drucksache 18/11951
18. Wahlperiode 06.04.2017

Kleine Anfrage
der Abgeordneten Birgit Wöllert, Cornelia Möhring,
Sabine Zimmermann (Zwickau), Matthias W. Birkwald, Dr. Rosemarie Hein,
Katja Kipping, Dr. Petra Sitte, Kathrin Vogler, Katrin Werner, Harald Weinberg,
Jörn Wunderlich, Pia Zimmermann und der Fraktion DIE LINKE.

Haftpflichtprämien und Sicherstellungszuschlag für freiberufliche Hebammen

Die seit Jahren steigenden Prämien zur Berufshaftpflichtversicherung für in der
Geburtshilfe tätige Hebammen stellen eine starke finanzielle Belastung dar. Da-
von besonders betroffen sind Hebammen, die nur eine geringe Anzahl an Gebur-
ten begleiten, da die Prämienhöhe pro Jahr und nicht pro Geburt festgesetzt wird,
sodass bei geringen Geburtenzahlen die Gegenfinanzierung nicht möglich ist.
Näheres zu den abrechnungsfähigen Leistungen der Hebammenhilfe sowie zu Be-
triebskostenpauschalen bei ambulanten Entbindungen in von Hebammen geleite-
ten Einrichtungen ist in § 134a des Fünften Buches Sozialgesetzbuch – Gesetzli-
che Krankenversicherung (SGB V) geregelt.
Im Jahr 2014 hat der Deutsche Bundestag im Gesetz zur Weiterentwicklung der
Finanzstruktur und der Qualität in der gesetzlichen Krankenversicherung (GKV-
Finanzstruktur- und Qualitäts-Weiterentwicklungsgesetz; GKV-FQWG) auf die
steigenden Prämien zur Berufshaftpflichtversicherung für in der Geburtshilfe tä-
tige Hebammen mit einem Sicherstellungszuschlag für freiberuflich tätige Heb-
ammen reagiert, der in § 134a SGB V beschlossen worden ist.
Dieser soll vor allem die Steigerung der Haftpflichtprämien von Hebammen mit
nur einer geringen Anzahl an Geburten finanziell kompensieren. So soll sicher-
gestellt werden, „dass auch Hebammen mit wenigen Geburten durch ihre Prämie
zur Berufshaftpflichtversicherung nicht überlastet werden“ (Ausschussdrucksa-
che des Ausschusses für Gesundheit 18(14)0030.3neu vom 3. Juni 2014, S. 3). Es
solle damit vermieden werden, „dass immer mehr Hebammen die freiberufliche
Geburtshilfe einstellen und eine flächendeckende Versorgung der Versicherten
der gesetzlichen Krankenversicherung mit Geburtshilfe nicht mehr gewährleistet
ist“ (ebd.).
Die Verhandlungen der Einzelheiten des Sicherstellungszuschlags durch die Ver-
bände der Hebammen mit dem Spitzenverband Bund der Krankenkassen
(GKV-SV) führten im Jahr 2015 zur Anrufung der Schiedsstelle. Am 25. Sep-
tember 2015 fasste diese dazu einen Beschluss, auf dessen Basis seit Beginn des
Jahres 2016 verfahren wird.

Drucksache 18/11951 – 2 – Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode

Wir fragen die Bundesregierung:

1. Wie viele freiberufliche Hebammen gibt es derzeit nach Kenntnis der Bun-
desregierung?

Wie viele sind davon (auch) in der Geburtshilfe tätig (bitte jeweils die An-
zahl der vergangenen zehn Jahre angeben)?

2. Wie hat sich nach Kenntnis der Bundesregierung die Prämie für die Haft-
pflichtversicherung einer freiberuflich in der Geburtshilfe tätigen Hebamme
in den vergangenen zehn Jahren entwickelt (bitte Prämienhöhe für jedes Jahr
angeben)?

3. Wie viele Hebammen sind nach Kenntnis der Bundesregierung aktuell be-
rechtigt, einen Antrag auf Erstattung eines Sicherstellungszuschlages nach
§ 134a Absatz 1b SGB V zu stellen?

4. Wie viele Hebammen haben nach Kenntnis der Bundesregierung aktuell ei-
nen Antrag oder mehrere Anträge auf Auszahlung des Sicherstellungszu-
schlages nach § 134a Absatz 1b SGB V gestellt, und wie viele Anträge waren
es insgesamt?

5. Wie viele Anträge auf Auszahlung eines Sicherstellungszuschlages für frei-
beruflich in der Geburtshilfe tätige Hebammen sind nach Kenntnis der Bun-
desregierung derzeit bereits bearbeitet und ausbezahlt, und wie viele sind
noch in Bearbeitung?

6. Wie hoch ist nach Kenntnis der Bundesregierung der aktuell insgesamt aus-
bezahlte Betrag?

Wie viel wurde pro Hebamme ausbezahlt?
7. Wie viele Kinder wurden nach Kenntnis der Bundesregierung in den vergan-

genen zehn Jahren in Deutschland insgesamt geboren?
Wie viele davon wurden in Krankenhäusern unter Beteiligung von Beleg-
hebammen, ambulant in Einrichtungen, die von Hebammen geleitet werden
(also in Einrichtungen nach § 134a SGB V), und wie viele wurden per Haus-
geburt mit Hebammenhilfe entbunden?

8. Welche abrechnungsfähigen Leistungen enthalten bzw. enthielten die Ver-
träge des Spitzenverbandes Bund der Krankenkassen (GKV-SV) mit den Be-
rufsverbänden der Hebammen und den Verbänden der von Hebammen ge-
leiteten Einrichtungen (Verträge nach § 134a SGB V) nach Kenntnis der
Bundesregierung jeweils in den vergangenen zehn Jahren?
Welche Höhen hatten die Vergütungen für diese Leistungen jeweils in den
vergangenen zehn Jahren?

9. Wie hoch ist nach Kenntnis der Bundesregierung die Höhe der Vergütung
pro Stunde für geburtshilfliche Hebammenleistungen sowie für nicht-ge-
burtshilfliche Hebammenleistungen?
Welche monatlichen Einkünfte sind nach Kenntnis der Bundesregierung auf
dieser Basis bei einer 40-Stunden-Woche (unter Berücksichtigung der admi-
nistrativen Tätigkeiten) maximal zu erzielen?
In welcher Höhe bewegen sich nach Kenntnis der Bundesregierung die tat-
sächlichen durchschnittlichen Einkommen der Hebammen, und wie haben
sich diese jeweils in den vergangenen zehn Jahren entwickelt?
Wie haben sich die Betriebsausgaben (inklusive Haftpflichtkosten) jeweils
in den vergangenen zehn Jahren entwickelt?

Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 3 – Drucksache 18/11951

10. Hat der Schiedsstellenbeschluss einen konzeptionellen bzw. vertraglichen

Kompromiss vorgenommen zwischen den Vorstellungen, die der GKV-SV
bzw. die Verbände der Hebammen vertreten?
Oder hat sich die Schiedsstelle (überwiegend) für eine der vorgelegten Vari-
anten entschieden?
Wenn ja, für welche, und was waren die tragenden Gründe?

11. Welche Auswirkungen hat die Schiedsstellenentscheidung nach Kenntnis
der Bundesregierung hinsichtlich des Sicherstellungszuschlags für Hebam-
men mit vielen Geburten?

12. Ist es nach Kenntnis der Bundesregierung möglich, dass eine Hebamme die
Höhe der Haftpflichtprämie auf Basis der Schiedsstellenentscheidung – ins-
besondere mit einer hohen Anzahl an betreuten Geburten – vollständig über
den Sicherstellungszuschlag refinanzieren kann?
Wenn ja, unter welchen Voraussetzungen (hier bitte v. a. auf die erforderli-
che Anzahl der Geburten pro Jahr eingehen)?
Entspricht diese Regelung nach Einschätzung der Bundesregierung der In-
tention des Gesetzes?

13. Sieht nach Kenntnis der Bundesregierung die Schiedsstellenentscheidung für
Hebammen mit einer relativ geringen Anzahl an betreuten Geburten pro Jahr
eine Mindestanzahl vor?
Falls ja, wie hoch ist diese, um einen Sicherstellungszuschlag erhalten zu
können, und an welche weiteren Vorgaben ist die Auszahlung gebunden?
Ab welcher Anzahl entfallen diese möglicherweise bestehenden weiteren
Voraussetzungen?
Entspricht diese Regelung nach Einschätzung der Bundesregierung der In-
tention des Gesetzes?

14. Gibt es nach Kenntnis der Bundesregierung auf Basis der Schiedsstellenent-
scheidung irgendeine Möglichkeit, dass Hebammen die Kosten ihrer Haft-
pflichtversicherung vollständig aus dem Sicherstellungszuschlag refinanzie-
ren können?
Falls ja, unter welchen Voraussetzungen?
Entspricht diese Regelung nach Einschätzung der Bundesregierung der In-
tention des Gesetzes?

15. Aus welchen Mitteln bzw. aus der Vergütung für welche Leistungsbereiche
kann eine Hebamme nach Einschätzung der Bundesregierung die Kosten der
Haftpflichtversicherung (ko-)finanzieren, wenn die Mittel aus dem Sicher-
stellungszuschlag zur vollständigen Finanzierung nicht ausreichen?

16. Wie verfährt der GKV-SV, wenn Unterlagen nicht vollständig eingereicht
werden?
Räumt der GKV-SV denjenigen Hebammen, die nach Ansicht des GKV-SV
unvollständige Unterlagen eingereicht haben, eine angemessene Frist ein,
diese nachzureichen?

17. Wie viele Hebammen haben keinen Anspruch auf Auszahlung eines Sicher-
stellungszuschlages, weil sie die Antragsvoraussetzungen nicht erfüllen kön-
nen (vgl. z. B. die Einhaltung der Mindestmenge der Geburtshilfen für ge-
setzlich versicherte Frauen)?

18. Wie viele angemeldete außerklinisch geplante Geburten werden kurzfristig
(innerhalb der Rufbereitschaftszeit) abgesagt?

Wie verteilt sich diese Zahl durchschnittlich auf die Hebammen?

Drucksache 18/11951 – 4 – Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode

19. Gibt es Hebammen, die aufgrund von kurzfristig abgesagten geplanten Ge-

burten den Sicherstellungszuschlag nicht beantragen können?

Wenn ja, wie viele?
20. Welche Kenntnis hat die Bundesregierung von auf der Basis des aktuellen

Vertrages angeblich „zahlreiche[n] Fälle[n], in denen kein Ausgleich der ge-
zahlten Haftpflichtprämien erfolgt“ (siehe www.hebrech.de/sicherstellungs
zuschlag.html#c1466)?

21. Welche Kenntnis hat die Bundesregierung darüber, dass der GKV-SV die
Auszahlung des Sicherstellungszuschlages an die Vorlage des Kontoauszu-
ges der Hebamme koppelt, um einen Nachweis über die Bezahlung der Ge-
burt(en) durch die entsprechende(n) Krankenkasse(n) zu erhalten?
Auf welcher Rechtsgrundlage beruht diese Praxis?
Wie beurteilt die Bundesregierung dieses Vorgehen, und welchen Hand-
lungsbedarf sieht sie?
Welche Kenntnis hat die Bundesregierung in diesem Zusammenhang über
die Erfüllung von § 134a Absatz 1b Satz 7 SGB V („Für die Erfüllung der
Aufgaben nach Satz 2 übermitteln die Krankenkassen dem Spitzenverband
Bund der Krankenkassen leistungserbringer- und nicht versichertenbezogen
die erforderlichen Daten […]“)?

22. Erachtet die Bundesregierung den mit dem GKV-FQWG beschlossenen ge-
setzlichen Auftrag zur Vereinbarung eines Sicherstellungszuschlages für
freiberuflich tätige Hebammen mit dem diesbezüglichen Schiedsspruch vom
25. September 2015 für erfüllt, oder sieht die Bundesregierung gesetzgebe-
rischen Nachbesserungsbedarf?

23. Aus welchen Mitteln können nach Kenntnis der Bundesregierung Hebam-
men die finanzielle Lücke zwischen der Höhe der Haftpflichtprämie und der
Höhe des Sicherstellungszuschlages ausgleichen?
Welche Handlungsmöglichkeiten haben Hebammen, falls diese Lücke in den
kommenden Jahren größer werden sollte?

24. Wie hat sich nach Kenntnis der Bundesregierung die Zahl der freiberuflichen
Hebammen entwickelt, seit der Sicherstellungszuschlag eingeführt wurde?

25. Ist nach Ansicht der Bundesregierung das Ziel erreicht, eine flächendeckende
geburtshilfliche Versorgung sicherzustellen?
Ist eine flächendeckende geburtshilfliche Versorgung auch im Hinblick auf
die Wahlfreiheit der Frau nach § 24 SGB V bezüglich des Geburtsortes er-
reicht?

Berlin, den 6. April 2017

Dr. Sahra Wagenknecht, Dr. Dietmar Bartsch und Fraktion

Satz: Satzweiss.com Print, Web, Software GmbH, Mainzer Straße 116, 66121 Saarbrücken, www.satzweiss.com
Druck: Printsystem GmbH, Schafwäsche 1-3, 71296 Heimsheim, www.printsystem.de

anzeiger Verlag GmbH, Postfach 10 05 34, 50445 Köln, Telefon (02 21) 97 66 83 40, Fax (02 21) 97 66 83 44, www.betrifft-gesetze.de

x

Schnellsuche

Suchen Sie z.B.: "13 BGB" oder "I ZR 228/19". Die Suche ist auf schnelles Navigieren optimiert. Erstes Ergebnis mit Enter aufrufen.
Für die Volltextsuche in Urteilen klicken Sie bitte hier.