BT-Drucksache 18/11783

zu dem Antrag der Abgeordneten Katja Keul, Renate Künast, Uwe Kekeritz, weiterer Abgeordneter und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN - Drucksache 18/10038 - Zukunftsfähige Unternehmensverantwortung - Wirksame Sanktionen bei Rechtsverstößen von Unternehmen

Vom 29. März 2017


Deutscher Bundestag Drucksache 18/11783
18. Wahlperiode 29.03.2017

Beschlussempfehlung und Bericht
des Ausschusses für Recht und Verbraucherschutz (6. Ausschuss)

zu dem Antrag der Abgeordneten Katja Keul, Renate Künast, Uwe Kekeritz,
weiterer Abgeordneter und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN
– Drucksache 18/10038 –

Zukunftsfähige Unternehmensverantwortung ‒ Wirksame Sanktionen bei
Rechtsverstößen von Unternehmen

A. Problem
Der Antrag zielt auf die Feststellung, dass Unternehmen gesellschaftliche Verant-
wortung trügen, die weit über die Schaffung von Arbeitsplätzen und die Erfüllung
von Renditeerwartungen hinausgehe. Auch wenn sich viele Unternehmen durch-
aus bemühten, gesetzestreu zu wirtschaften und Umwelt- und Sozialstandards ein-
zuhalten, komme es in Deutschland, aber auch in den internationalen Lieferketten
immer wieder zu Rechtsverstößen.

Die Antragsteller weisen darauf hin, dass die bestehenden Regelungen zur Sank-
tionierung von Unternehmen im Gesetz über Ordnungswidrigkeiten, Nebenstraf-
recht, Gewerberecht, Handels- und Gesellschaftsrecht, Wettbewerbs-, Kreditwe-
sen- und in sonstigem Wirtschaftsverwaltungsrecht verstreut seien. Deshalb soll-
ten die Sanktionsregelungen in einem eigenen Gesetz zusammengeführt und ver-
bessert und so die Regelungen der Fachgesetze des besonderen Verwaltungsrechts
ergänzt werden, die in ihrer eigenen Struktur unberührt bleiben sollten.

Die Bundesregierung soll daher aufgefordert werden, einen Gesetzentwurf vorzu-
legen, der die bestehenden Regelungen zur Sanktionierung von Unternehmen und
Verbänden in einem eigenständigen Gesetz zusammenfasst, deren Tatbestände
erweitert, diese mit neuen Rechtsfolgen versieht, durch verfahrensrechtliche Vor-
schriften ergänzt und insbesondere regelt, dass

1. zukünftig widerlegbar vermutet wird, dass bei Straftaten, pflichtwidrigem Ver-
halten oder schwerwiegenden Ordnungswidrigkeiten aus Unternehmen heraus ein
dortiges Organisationsverschulden vorliegt;

2. eine über die bloße Gelegenheit zur Äußerung des betroffenen Unternehmens
hinausgehende Beteiligung einer Verfahrensöffentlichkeit vorgesehen wird und
sich das gesamte Verfahren an den Grundsätzen der Öffentlichkeit und Transpa-
renz orientiert;

3. die Zuständigkeit für das gerichtliche Verfahren spezialisierten Spruchkörpern
zugewiesen wird;

Drucksache 18/11783 – 2 – Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode
4. die Abschöpfung des aus der Tat erlangten unrechtmäßigen Gewinns anhand
des Umsatzes des Unternehmens oder Verbands unter Zugrundelegung des Brut-
toprinzips geschätzt werden darf;

5. die Bemessung der finanziellen Sanktionen ein Mehrfaches des aus dem Ver-
stoß erlangten Gewinns betragen kann oder sich am Umsatz des Unternehmens
oder Verbands orientiert;

6. der Sanktionskatalog um die Möglichkeiten erweitert wird, Verweise und War-
nungen zu verhängen, Unternehmen oder Verbände für einen bestimmten Zeit-
raum von öffentlichen Zuwendungen, Ausschreibungen oder Außenwirtschafts-
förderung auszuschließen, die Entscheidung über die Sanktionierung zu veröf-
fentlichen, das gesamte Unternehmen oder einzelne Unternehmenszweige unter
Aufsicht zu stellen sowie Strukturmaßnahmen zu verfügen;

7. ein bundesweites Register eingerichtet wird, in das Unternehmen und Ver-
bände, die wegen einer Sanktionierung auf Grund von Korruption und Verstößen
von erheblicher Bedeutung im Rahmen von wirtschaftlicher Betätigung als unzu-
verlässig anzusehen sind, eingetragen werden;

8. der räumliche Geltungsbereich der Sanktionsvorschriften für Unternehmen so
gefasst wird, dass die Verfolgung von Auslandstaten ermöglicht wird;

9. die Rechte der von Rechtsverstößen durch Unternehmen unmittelbar betroffe-
nen Personen durch Möglichkeiten wie Klageerzwingungsverfahren und Neben-
klage erweitert werden;

10. die zuständige Verfolgungsbehörde verpflichtet ist, soweit nicht gesetzlich et-
was anderes bestimmt ist, wegen aller verfolgbaren Rechtsverstöße von Unter-
nehmen einzuschreiten, sofern zureichende tatsächliche Anhaltspunkte vorliegen;

11. eine Umgehung von Sanktionen durch Rechtsformwechsel, Umstrukturierun-
gen und Vermögensverlagerungen ausgeschlossen wird;

12. die Implementation wirksamer Compliance-Systeme sowie unternehmensin-
terner wie externer Whistleblowingsysteme gefördert wird und

13. Geldbußen und Gewinnabschöpfungen nicht ausschließlich von dem jeweili-
gen Staatshaushalt vereinnahmt werden, sondern mit einem angemessenen Anteil
oder zusätzlich im Wege gerichtlicher Anordnung bzw. Auflage zur Förderung
von Einrichtungen eingesetzt werden können, die zur Aufklärung von Unterneh-
mensverstößen gegen Menschenrechte, Mindestarbeitsbedingungen und Mindest-
umweltbedingungen oder anderweitig zur Förderung der Rechtstreue von Unter-
nehmen beitragen.

B. Lösung
Ablehnung des Antrags mit den Stimmen der Fraktionen der CDU/CSU und
SPD gegen die Stimmen der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN bei
Stimmenthaltung der Fraktion DIE LINKE.

C. Alternativen
Keine.

D. Kosten
Wurden im Ausschuss nicht erörtert.

Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 3 – Drucksache 18/11783
Beschlussempfehlung

Der Bundestag wolle beschließen,

den Antrag auf Drucksache 18/10038 abzulehnen.

Berlin, den 29. März 2017

Der Ausschuss für Recht und Verbraucherschutz

Renate Künast
Vorsitzende

Dr. Jan-Marco Luczak
Berichterstatter

Christoph Strässer
Berichterstatter

Harald Petzold (Havelland)
Berichterstatter

Katja Keul
Berichterstatterin

Drucksache 18/11783 – 4 – Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode
Bericht der Abgeordneten Dr. Jan-Marco Luczak, Christoph Strässer, Harald Petzold
(Havelland) und Katja Keul

I. Überweisung

Der Deutsche Bundestag hat die Vorlage auf Drucksache 18/10038 in seiner 215. Sitzung am 26. Januar 2017
beraten und an den Ausschuss für Recht und Verbraucherschutz zur federführenden Beratung und an den Aus-
schuss für Wirtschaft und Energie sowie an den Ausschuss für Menschenrechte und humanitäre Hilfe zur Mitbe-
ratung überwiesen.

II. Stellungnahmen der mitberatenden Ausschüsse

Der Ausschuss für Wirtschaft und Energie hat die Vorlage auf Drucksache 18/10038 in seiner 108. Sitzung am
29. März 2017 beraten und empfiehlt mit den Stimmen der Fraktionen der CDU/CSU und SPD gegen die Stimmen
der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN bei Stimmenthaltung der Fraktion DIE LINKE. die Ablehnung des
Antrags.

Der Ausschuss für Menschenrechte und humanitäre Hilfe hat die Vorlage auf Drucksache 18/10038 in seiner
84. Sitzung am 29. März 2017 beraten und empfiehlt mit den Stimmen der Fraktionen der CDU/CSU und SPD
gegen die Stimmen der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN bei Stimmenthaltung der Fraktion DIE LINKE.
die Ablehnung des Antrags.

III. Beratungsverlauf und Beratungsergebnisse im federführenden Ausschuss

Der Ausschuss für Recht und Verbraucherschutz hat die Vorlage auf Drucksache 18/10038 in seiner
138. Sitzung am 29. März 2017 beraten und empfiehlt mit den Stimmen der Fraktionen der CDU/CSU und SPD
gegen die Stimmen der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN bei Stimmenthaltung der Fraktion DIE LINKE.
die Ablehnung des Antrags.

Die Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN erläuterte, mit ihrem Antrag wolle sie die Koalition daran erinnern,
dass es wichtige Punkte im Koalitionsvertrag gebe, die noch nicht abgearbeitet seien. So hätten die Parteien unter
anderem vereinbart, dass mit Blick auf strafbares Verhalten im Unternehmensbereich das Ordnungswidrigkeiten-
recht ausgebaut werden solle. Bislang sei hier aber nichts passiert, obwohl alle Fraktionen den Änderungsbedarf
erkannt hätten. Es gehe darum, die Verantwortung innerhalb der Unternehmen zu stärken, was ja auch ein Ziel
der Koalition sei. Dazu lege sie hier konkrete Vorschläge vor.

Die Fraktion DIE LINKE. führte aus, der Antrag benenne viele Probleme, die gegenwärtig bei Verstößen von
Unternehmen gegen nationale und internationale Sozial- und Umweltstandards sowie bei Verstößen gegen Men-
schenrechte und bei Korruption bestünden. Deswegen fordere sie seit zwei Jahren die Einführung eines Unter-
nehmensstrafrechts. Weil dies im vorliegenden Antrag nicht einmal in Erwägung gezogen werde, werde sie sich
enthalten.

Die Fraktion der SPD wies darauf hin, dass viele der in dem Antrag angesprochenen Punkte bereits gesetzlich
oder als Ordnungswidrigkeitentatbestände geregelt seien, wenn auch nicht in einem gesonderten Gesetz. Im Bun-
desministerium der Justiz und für Verbraucherschutz liege außerdem der Entwurf eines Gesetzes zur Bekämpfung
verbandsbezogener Straftaten vor, mit dem viele weitere der im Antrag genannten Punkte geregelt würden. Auch
die – im Antrag nicht enthaltene – Einführung eines Unternehmensstrafrechts sei mittelfristig zu diskutieren. An-
gesichts der Tatsache, dass es einen in der Ressortabstimmung befindlichen Gesetzentwurf gebe, sehe sie keinen
Bedarf für die Annahme dieses Antrags.

Die Fraktion der CDU/CSU bekräftigte, dass viele der im Antrag benannten Themen auf der Agenda der Koa-
lition stünden oder bereits umgesetzt seien. Dies sei insbesondere im Rahmen der GWB-Novelle erfolgt. Auch

Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 5 – Drucksache 18/11783
im Gesetzgebungsverfahren über die Neuregelung der strafrechtlichen Vermögensabschöpfung habe man sich
dieser Herausforderung erfolgreich gestellt. Dies gelte etwa für die Verhinderung der Umgehung von Sanktionen
durch Rechtsformwechsel oder die Abschöpfung von unrechtmäßigem Gewinn. Andere Forderungen der Antrag-
steller lehne die Fraktion hingegen aus Überzeugung ab, weil sie in eklatantem Widerspruch zu ihrer Vorstellung
eines Wirtschaftsmodells in Gestalt einer sozialen Marktwirtschaft stünden. Dies gelte etwa für die Forderung,
einzelne Unternehmen oder ganze Unternehmenszweige unter staatliche Aufsicht zu stellen oder Strukturmaß-
nahmen zu ergreifen. Dabei gehe es um die Zerschlagung von Unternehmen, wodurch vor allem auch die Be-
schäftigten und Kunden besonders getroffen würden.

Berlin, den 29. März 2017

Dr. Jan-Marco Luczak
Berichterstatter

Christoph Strässer
Berichterstatter

Harald Petzold (Havelland)
Berichterstatter

Katja Keul
Berichterstatterin

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