BT-Drucksache 18/11689

Geplante Infrastrukturgesellschaft des Bundes

Vom 15. März 2017


Deutscher Bundestag Drucksache 18/11689
18. Wahlperiode 15.03.2017

Kleine Anfrage
der Abgeordneten Sabine Leidig, Roland Claus, Caren Lay, Herbert Behrens,
Eva Bulling-Schröter, Susanna Karawanskij, Thomas Nord, Dr. Petra Sitte,
Dr. Kirsten Tackmann, Dr. Axel Troost und der Fraktion DIE LINKE.

Geplante Infrastrukturgesellschaft des Bundes

Am 14. Dezember 2016 hat die Bundesregierung den Entwurf eines Gesetzes zur
Änderung des Grundgesetzes beschlossen (siehe Bundestagsdrucksache
18/11131). Dadurch soll u. a. Artikel 90 des Grundgesetzes (GG) geändert wer-
den und damit die bisherige Auftragsverwaltung im Bereich der Bundesfernstra-
ßen grundlegend neu geregelt werden. Im ebenfalls am 14. Dezember 2016 von
der Bundesregierung beschlossenen Entwurf eines Gesetzes zur Neuregelung des
bundesstaatlichen Finanzausgleichssystems ab dem Jahr 2020 und zur Änderung
haushaltsrechtlicher Vorschriften (Bundestagsdrucksache 18/11135) ist u. a. als
Artikel 13 das Gesetz zur Errichtung einer Infrastrukturgesellschaft für Autobah-
nen und andere Bundesfernstraßen (InfrGG) enthalten. Auf die umfangreichen
Änderungswünsche des Bundesrates zu beiden Gesetzen bezüglich der Infra-
strukturgesellschaft des Bundes hat die Bundesregierung in ihren Gegenäußerun-
gen (Bundestagsdrucksachen 18/11186 und 18/11185) dergestalt reagiert, dass
sie die vorgeschlagenen Änderungen allesamt ablehnt und die Beschlüsse der Mi-
nisterpräsidentenkonferenzen vom 14. Oktober 2016 und vom 8. Dezember 2016
mit den Gesetzentwürfen für umgesetzt hält bzw. die Wünsche des Bundesrates
von diesen Beschlüssen nicht gedeckt seien.
Der Haushaltsausschuss des Deutschen Bundestages führt zu diesen beiden Ge-
setzen insgesamt sechs Anhörungen durch.

Wir fragen die Bundesregierung:

I. Gutachten
1. Welche Aufträge sind in den vergangenen zehn Jahren entweder direkt oder

indirekt im Rahmen von Konsortien oder als Unterauftragnehmerinnen und
-nehmer anderer Unternehmen, Kanzleien etc. an die Kanzlei Graf von
Westphalen (im Folgenden: GvW) von der Bundesregierung und der Ver-
kehrsinfrastrukturfinanzierungsgesellschaft mbH (VIFG) mit Bezug zu den
Themen Bundesfernstraßenorganisation, Auftragsverwaltung, Zuordnung
von Schulden unter Berücksichtigung des Europäischen Systems Volkswirt-
schaftlicher Gesamtrechnungen (ESVG), Infrastrukturfinanzierung, Öffent-
lich-Private Partnerschaften (ÖPP) und Fernstraßenbauprivatfinanzierungs-
gesetz vergeben worden?

Drucksache 18/11689 – 2 – Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode
2. Welches Ministerium oder welche Gesellschaft des Bundes hat diese jeweils
in Auftrag gegeben?

Wie lauten die jeweiligen Titel der Aufträge?
Was waren bzw. sind die jeweiligen Auftragslaufzeiten, und wie hoch war
jeweils die Vergütung?

3. Welche schriftlichen Produkte (Studien, Gutachten, Berichte etc.) sind im
Rahmen der verschiedenen Aufträge erstellt worden, wie lauten jeweils de-
ren Titel, und wie viele Seiten umfassen diese jeweils?

4. Welche dieser schriftlichen Produkte stehen Bundestagsabgeordneten zur
Einsichtnahme wie zur Verfügung?

5. Inwieweit wird die Bundesregierung sicherstellen, dass der Deutsche Bun-
destag kurzfristig im Rahmen der parlamentarischen Beratungen der am
14. Dezember 2016 von der Bundesregierung verabschiedeten Gesetzent-
würfe, in denen es um die Reform der Organisation der Bundesfernstraßen
geht, Einsicht nehmen kann (bitte begründen)?

6. Im Rahmen welcher der bislang genannten Aufträge hat sich die Kanzlei
GvW in den vergangenen 2,5 Jahren mit der Reform des Artikels 90 GG und
der Organisation der Bundesfernstraßen befasst, und welche schriftlichen
Produkte sind dabei entstanden?

7. Zu welchen Zeitpunkten sind diese schriftlichen Produkte als Entwurfsfas-
sungen in verschiedenen Stadien sowie als Endfassungen den öffentlichen
Auftraggeberinnen und Auftraggebern übermittelt worden?
Warum sind gegebenenfalls existierende schriftliche Produkte, an denen die
Kanzlei GvW im Anschluss an die Erstellung einer schriftlichen Entwurfs-
fassung im zeitlichen Zusammenhang mit dem Abschluss der „Vorberei-
tungsphase“ bei dem Auftrag „Rechtliche Beratung bei Grundsatzfragen der
Reform der Auftragsverwaltung“ mitgewirkt hat, bislang nicht den Bundes-
tagsabgeordneten zur Verfügung gestellt worden?
Ist dies gegebenenfalls noch vorgesehen?
Wenn ja, bis wann soll das erfolgen?
Wenn nein, warum nicht?

8. Wann hat das Bundesministerium für Verkehr und digitale Infrastruktur
(BMVI) dem Bundesministerium für Finanzen (BMF) und dem Bundesmi-
nisterium für Wirtschaft und Energie (BMWi) sowie dem Bundesrechnungs-
hof Entwurfs- oder Endfassungen des „Berichts über die wesentlichen Er-
gebnisse der ,Vorbereitungsphase‘ zur im September 2015 abgeschlossenen
„Vorbereitungsphase“ bei dem Auftrag „Rechtliche Beratung bei Grundsatz-
fragen der Reform der Auftragsverwaltung“ jeweils erstmalig zukommen
lassen?

9. Welche weiteren schriftlichen Produkte (Studien, Gutachten, Berichte etc.),
die von der Kanzlei GvW nach September 2015 erstellt worden sind oder an
deren Erstellung die Kanzlei GvW nach September 2015 mitgewirkt hat, hat
eines der Bundesministerien (Bundesministerium für Verkehr und digitale
Infrastruktur (BMVI), Bundesministerium der Finanzen (BMF) oder Bun-
desministerium für Wirtschaft und Energie [BMWi]) an die jeweils anderen
Bundesministerien und den Bundesrechnungshof nach September 2015 als
Entwurfs- oder Endfassung jeweils wann weitergegeben?

Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 3 – Drucksache 18/11689

10. Wie ist es Bundestagsabgeordneten möglich, die Leistungsbeschreibungen

von Aufträgen, bei denen die Kanzlei GvW in den vergangenen 2,5 Jahren
an der Bearbeitung mitgewirkt hat oder bei denen sie für diese (allein) ver-
antwortlich gewesen ist sowie die Veränderungen von diesen Leistungsbe-
schreibungen im Rahmen von Nachverhandlungen/Nachträgen zu erhalten,
um den Leistungs- und Auftragsgegenstand nachvollziehen zu können (bitte
begründen)?

11. An welche weiteren Auftragnehmerinnen bzw. Auftragnehmer und Unter-
auftragnehmerinnen bzw. Unterauftragnehmer sind in den vergangenen
2,5 Jahren vom BMF, BMVI und BMWi sowie von der Verkehrsinfrastruk-
turfinanzierungsgesellschaft mbH (VIFG) Aufträge mit Bezug zu den The-
men Bundesfernstraßenorganisation, Auftragsverwaltung, Europäisches
System Volkswirtschaftlicher Gesamtrechnungen (ESVG), Infrastrukturfi-
nanzierung, Öffentlich Privaten Partnerschaften (ÖPP) und Fernstraßenbau-
privatfinanzierungsgesetz jeweils von wem vergeben worden?
Wie lauten die jeweiligen Titel der Aufträge und die jeweiligen Auftrags-
laufzeiten?
a) Welche schriftlichen Produkte (Studien, Gutachten, Berichte etc.) sind im

Rahmen der Aufträge jeweils erstellt worden, und wie viele Seiten um-
fassen diese jeweils?

b) Wie kann für Bundestagsabgeordnete auf die einzelnen schriftlichen Pro-
dukte zugegriffen werden, und inwieweit kann die Bundesregierung si-
cherstellen, dass der Zugriff auch kurzfristig im Rahmen der parlamenta-
rischen Beratungen der am 14. Dezember 2016 von der Bundesregierung
verabschiedeten Gesetzentwürfe, in denen es um die Reform der Organi-
sation der Bundesfernstraßen geht, möglich ist?

II. Kreditaufnahme
12. Trifft es zu, dass wenn die gemäß dem Begleitgesetz ausgestaltete Gesell-

schaft privaten Rechts die Phase 2 erreicht hat und es – wie im Begleitgesetz
vorgesehen ist – kein gesetzliches Verbot einer Kreditaufnahme geben
würde, die Bundesrepublik Deutschland als Gesellschafter bzw. die zustän-
digen Organe der Gesellschaft ohne Beteiligung des Deutschen Bundestages
festlegen könnten, ob der Gesellschaft eine Kreditaufnahme möglich ist
(bitte begründen)?

13. Trifft es zu, dass wenn die gemäß dem Begleitgesetz ausgestaltete Gesell-
schaft privaten Rechts die Phase 3 erreicht hat und es – wie im Begleitgesetz
vorgesehen ist – kein gesetzliches Verbot einer Kreditaufnahme geben
würde, die Bundesrepublik Deutschland als Gesellschafter bzw. die zustän-
digen Organe der Gesellschaft ohne Beteiligung des Deutschen Bundestages
festlegen könnte, ob eine Kreditaufnahme möglich ist?

14. Wie ist die Äußerung von Bundesfinanzminister Dr. Wolfgang Schäuble
„…dass ich nicht sehe, dass die Gesellschaft eine Ermächtigung zur Auf-
nahme von Krediten erhalten wird“ vom 16. Februar 2017 in der Bundes-
tagsdebatte (Plenarprotokoll 18/218, Seite 21769A) zu verstehen, wenn sich
in der Gegenäußerung der Bundesregierung zu den Änderungswünschen des
Bundesrates (Bundestagsdrucksachen 18/11186 und 18/11185) der Aus-
schluss einer Ermächtigung zur Kreditaufnahme nicht wiederfindet?

15. Trifft es zu, dass etwaige Schulden der Gesellschaft privaten Rechts in den
Phasen 2 und 3 gemäß der in Artikel 115 GG definierten deutschen Schul-
denbremse nicht der Verschuldung des Bundes zugerechnet würden, wenn
die Gesetzentwürfe der Bundesregierung vom 14. Dezember 2016 unverän-
dert beschlossen würden (bitte begründen)?

Drucksache 18/11689 – 4 – Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode

16. Trifft es zu, dass etwaige Schulden der Gesellschaft in den Phasen 2 und 3

gemäß den Vorgaben des ESVG im Lichte der (in Artikel 126 AEUV i. V. m.
Protokoll Nr. 12 festgeschriebenen) europäischen Schuldenbremse nicht der
Staatsverschuldung zugerechnet würden, wenn die Gesetzentwürfe der Bun-
desregierung vom 14. Dezember 2016 unverändert beschlossen würden
(bitte begründen)?

17. Welche Definition bzw. welches Verständnis liegt dem Begriff „funktionale
Privatisierung“ zugrunde, der in der Begründung zum Begleitgesetz bei Ar-
tikel 13 „Gesetz zur Errichtung einer Infrastrukturgesellschaft für Autobah-
nen und andere Bundesfernstraßen (InfrGG)“ verwendet wird?

18. Inwieweit ist es aus Sicht der Bundesregierung möglich, dass „zusätzlich pri-
vates Kapital in Infrastrukturmaßnahmen fließen“ kann (Begründung zum
Begleitgesetz) und damit durch ÖPP „die Investitionsstrategie der Bundes-
regierung in ihrer Wirkung noch verstärkt werden kann“ (ebd.), sofern nicht
nur das privat bereitgestellte Kapital von Auftragnehmerinnen und Auftrag-
nehmern in ÖPP-Vorhaben, sondern auch die zur Investitionsfinanzierung
aufgenommenen Schulden der Gesellschaft gemäß der deutschen Schulden-
bremse nicht dem Bund zugeordnet werden?

19. Stimmt die Bundesregierung der Interpretation des von der Kanzlei GvW
erstellten Gutachtens „Rechtliche Beratung bei Grundsatzfragen der Reform
der Auftragsverwaltung: Bericht über die wesentlichen Ergebnisse der ‚Vor-
bereitungsphase‘“ zu, dass lediglich die Rechtsform der AG aufgrund der
„[m]angelnde[n] Weisungsgebundenheit des Vorstands der Aktiengesell-
schaft“ die „Perspektive [eröffnet], die zu gründende Einheit nach den Maß-
stäben des ESVG betreffend die Zurechnung einer Einheit zu den Sektoren
der Volkswirtschaftlichen Gesamtrechnungen dem Unternehmenssektor zu-
zuordnen“ (bitte begründen)?

20. Teilt die Bundesregierung diese Sichtweise in dem Gutachten der Kanzlei
GvW (bitte begründen)?

21. Ist es zutreffend, dass die Schulden der DFS Deutsche Flugsicherung GmbH
gemäß den Vorgaben des ESVG im Lichte der in Artikel 126 AEUV i. V. m.
Protokoll Nr. 12 festgeschriebenen europäischen Schuldenbremse nicht der
Staatsverschuldung zugerechnet werden (bitte begründen)?

III. Privatisierungsschranken
22. Verbietet der am 14. Dezember 2016 von der Bundesregierung beschlossene

Entwurf eines Gesetzes zur Änderung des Grundgesetzes enthaltene neuge-
fasste Artikel 90 Absatz 2 GG, dass an der (gemäß dem ebenfalls am 14. De-
zember 2016 von der Bundesregierung beschlossenen Entwurf eines Geset-
zes zur Neuregelung des bundesstaatlichen Finanzausgleichssystems ab dem
Jahr 2020 und zur Änderung haushaltsrechtlicher Vorschriften und dem dort
enthaltenen Gesetz zur Errichtung einer Infrastrukturgesellschaft für Auto-
bahnen und andere Bundesfernstraßen (InfrGG)) zu gründenden Infrastruk-
turgesellschaft für Autobahnen und andere Bundesfernstraßen sich mittelbar
Private, und zwar insbesondere als atypische oder typische stille Gesellschaf-
ter, beteiligen können?
Wenn ja, inwiefern und durch welche konkreten rechtlichen Bestimmungen
ist dies ausgeschlossen?
Wenn nein, inwiefern und welche Beteiligungsformen wären möglich?

Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 5 – Drucksache 18/11689

23. Verbietet der am 14. Dezember 2016 von der Bundesregierung beschlossene

Entwurf eines Gesetzes zur Änderung des Grundgesetzes enthaltene neuge-
fasste Artikel 90 Absatz 2 GG, dass bei regionalen Tochtergesellschaften der
(gemäß dem ebenfalls am 14. Dezember 2016 von der Bundesregierung be-
schlossenen Entwurf eines Gesetzes zur Neuregelung des bundesstaatlichen
Finanzausgleichssystems ab dem Jahr 2020 und zur Änderung haushalts-
rechtlicher Vorschriften und dem dort enthaltenen Gesetz zur Errichtung ei-
ner Infrastrukturgesellschaft für Autobahnen und andere Bundesfernstraßen
(InfrGG)) zu gründenden Infrastrukturgesellschaft für Autobahnen und an-
dere Bundesfernstraßen Private Gesellschaftsanteile erwerben können?
Wenn ja, inwiefern und durch welche konkreten rechtlichen Bestimmungen
ist dies ausgeschlossen?
Wenn nein, inwiefern und welche Beteiligungsformen wären möglich?

24. Verbietet der am 14. Dezember 2016 von der Bundesregierung beschlossene
Entwurf eines Gesetzes zur Änderung des Grundgesetzes enthaltene neuge-
fasste Artikel 90 Absatz 2 GG, dass an regionalen Tochtergesellschaften der
(gemäß dem ebenfalls am 14. Dezember 2016 von der Bundesregierung be-
schlossenen Entwurf eines Gesetzes zur Neuregelung des bundesstaatlichen
Finanzausgleichssystems ab dem Jahr 2020 und zur Änderung haushalts-
rechtlicher Vorschriften und dem dort enthaltenen Gesetz zur Errichtung ei-
ner Infrastrukturgesellschaft für Autobahnen und andere Bundesfernstraßen
(InfrGG)) zu gründenden Infrastrukturgesellschaft für Autobahnen und an-
dere Bundesfernstraßen sich mittelbar Private und zwar insbesondere als aty-
pische oder typische stille Gesellschafter beteiligen können?
Wenn ja, inwiefern und durch welche konkreten rechtlichen Bestimmungen
ist dies ausgeschlossen?
Wenn nein, inwiefern und welche Beteiligungsformen wären möglich?

Berlin, den 14. März 2017

Dr. Sahra Wagenknecht, Dr. Dietmar Bartsch und Fraktion

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