BT-Drucksache 18/1154

Überprüfung der Sondersanktionen im Rahmen des Zweiten Buches Sozialgesetzbuch für Leistungsberechtigte unter 25 Jahren

Vom 11. April 2014


Deutscher Bundestag Drucksache 18/1154
18. Wahlperiode 11.04.2014
Kleine Anfrage
der Abgeordneten Dr. Wolfgang Strengmann-Kuhn, Markus Kurth, Beate
Müller-Gemmeke, Brigitte Pothmer, Corinna Rüffer, Beate Walter-Rosenheimer,
Dr. Franziska Brantner, Katja Dörner, Kai Gehring, Britta Haßelmann,
Sven-Christian Kindler, Tabea Rößner, Elisabeth Scharfenberg, Ulle Schauws
und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN

Überprüfung der Sondersanktionen im Rahmen des Zweiten Buches
Sozialgesetzbuch für Leistungsberechtigte unter 25 Jahren

Das besondere Sanktionsrecht für unter 25-Jährige im Zweiten Buch Sozialge-
setzbuch (SGB II), das durch die Koalition der Fraktionen der CDU/CSU und
SPD in der 16. Wahlperiode mit dem Gesetz zur Fortentwicklung der Grund-
sicherung für Arbeitsuchende (Bundestagsdrucksache 16/1410) eingeführt
wurde, wird seit langem kritisiert, wie unter anderem eine öffentliche Anhörung
des Ausschusses für Arbeit und Soziales am 6. Juni 2011 (Ausschussdrucksache
17(11)538) belegt. Es wurde dabei nicht nur als verfassungsrechtlich bedenk-
lich, sondern auch in seiner Wirkung als kontraproduktiv eingestuft.
Die Gruppe der unter 25-Jährigen wird bei Pflichtverletzungen häufiger, aber
auch intensiver sanktioniert als ältere Leistungsberechtigte.
Im Koalitionsvertrag zwischen CDU, CSU und SPD heißt es: „Wir wollen die
weitgehende Sanktionierungsregelung und -praxis im SGB II für unter 25-Jäh-
rige auf ihre Wirkung und möglichen Anpassungsbedarf hin überprüfen …“
(S. 71).

Wir fragen die Bundesregierung:
1. Wie hoch ist der jährliche Bestand

a) von Leistungsberechtigten,
b) von Leistungsberechtigten unter 25 Jahren,
c) von erwerbsfähigen Leistungsberechtigten,
d) von erwerbsfähigen Leistungsberechtigten unter 25 Jahren
im Rechtskreis des SGB II in den Jahren 2007 bis 2013 (bitte nach Ge-
schlecht sowie alten und neuen Bundesländern aufschlüsseln)?

2. Wie hoch ist der jährliche Bestand
a) von Leistungsberechtigten,
b) von Leistungsberechtigten unter 25 Jahren,
c) von erwerbsfähigen Leistungsberechtigten,
d) von erwerbsfähigen Leistungsberechtigten unter 25 Jahren

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im Rechtskreis des SGB II in den Jahren 2007 bis 2013 mit mindestens einer
Sanktion (bitte nach Geschlecht sowie alten und neuen Bundesländern auf-
schlüsseln)?

3. Wie hoch ist die jährliche Anzahl der von neu festgelegten Sanktionen
Betroffenen in den Jahren 2007 bis 2013 (bitte nach Art der Sanktion, d. h.
Meldeversäumnisse, sowie die entsprechenden Arten der Pflichtverletzung
aufschlüsseln)
a) insgesamt,
b) der unter 25-jährigen Personen,
c) der unter 25-jährigen Personen mit Totalsanktionen,
d) der erwerbsfähigen Leistungsberechtigten,
e) der unter 25-jährigen erwerbsfähigen Leistungsberechtigten mit Total-

sanktionen,
f) der unter 25-jährigen erwerbsfähigen Leistungsberechtigten?

4. Wie hoch ist der jährliche Anteil der unter 25-Jährigen mit Totalsanktionen,
welche einen Antrag auf ergänzende Sachleistungen oder geldwerte Leistun-
gen nach § 31a Absatz 3 SGB II gestellt haben sowie darunter der Anteil
derjenigen, deren Antrag bewilligt wurde (bitte nach Jahr, alten und neuen
Bundesländern sowie Geschlecht aufschlüsseln)?

5. In welchem Umfang wird der von den Jobcentern seit dem Jahr 2013 ange-
botene freiwillige und kostenfreie SMS-Termin-Erinnerungsservice der Job-
center in Anspruch genommen
a) von unter 25-jährigen Leistungsberechtigten,
b) von über 25-jährigen Leistungsberechtigten,
und welche Erkenntnisse liegen über die Wirkung des Services hinsichtlich
der Entwicklung der Meldeversäumnisse nach § 32 SGB II vor?

6. Wie begründet die Bundesregierung das schärfere Sanktionsinstrumentarium
des SGB II für Leistungsberechtigte unter 25 Jahren
a) hinsichtlich seiner Zielsetzung,
b) hinsichtlich des verfassungsmäßig gebotenen Gleichbehandlungsgrund-

satzes,
c) hinsichtlich der Vereinbarkeit mit dem Allgemeinen Gleichbehandlungs-

gesetz?
7. Wie begründet die Bundesregierung die Beschränkung der Möglichkeit der

Verkürzung der Dauer der Sanktionen bei erwerbsfähigen Leistungsberech-
tigten unter 25 Jahren auf die Höhe der Bedarfe (§ 31b Absatz 1 Satz 4
SGB II) unter Ausschluss der Leistungen für Unterkunft und Heizung?

8. Ist die Bundesregierung der Auffassung, dass eine Totalsanktionierung im
Einklang mit dem Bundesverfassungsgerichtsurteil zum Regelsatz und dem
dort formulierten „Grundrecht auf Gewährleistung eines menschenwürdigen
Existenzminimums“ vereinbar ist?
Wenn ja, warum, und wenn nein, warum nicht?

9. Inwiefern ist die Bundesregierung der Auffassung, dass die gegenwärtige
Sanktionspraxis für Leistungsberechtigte unter 25 Jahren ihren ursprünglich
intendierten Zweck erfüllt (bitte begründen)?

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10. Teilt die Bundesregierung die von Fachleuten geäußerte Sorge (vgl. Aus-
schussdrucksache 17(11)538, S. 11), dass infolge häufigerer und intensive-
rer Sanktionen für unter 25-jährige Leistungsberechtigte die Gefahr besteht,
dass sich im Vergleich zu über 25-Jährigen damit das Risiko
a) eines vorübergehenden oder dauerhaften Kontaktabbruchs und/oder
b) einer Betätigung im kriminellen Bereich (inklusive Schwarzarbeit) und/

oder
c) von Verschuldung und/oder
d) von Obdachlosigkeit und/oder
e) des Verlustes des Krankenversicherungsschutzes bzw. des Zugangs zur

medizinischen Grundversorgung und/oder
f) einer Verschlechterung der Teilhabechancen am Arbeitsmarkt insgesamt
erhöhen kann?
Wenn ja, warum, und wenn nein, warum nicht?

11. Welche wissenschaftlichen qualitativen wie quantitativen Studien sind der
Bundesregierung bekannt
a) hinsichtlich der intendierten Wirkungen von Sanktionen,
b) hinsichtlich nichtintendierter Wirkungen von Sanktionen,
c) hinsichtlich der Wirkungen von Sanktionen mit besonderem Blick auf

die Gruppe der unter 25-Jährigen,
und welche Schlüsse zieht sie daraus?

12. Inwiefern sieht die Bundesregierung Forschungslücken und Forschungs-
bedarf im Hinblick auf die Wirkungen und Folgen von Sanktionen in der
Grundsicherung, und inwieweit gibt es Bestrebungen, diese Lücken zu
schließen?

13. Wie weit ist die Überprüfung der speziellen Sanktionierungspraxis für unter
25-Jährige fortgeschritten, die im Koalitionsvertrag zwischen CDU, CSU
und SPD vereinbart wurde, und wann sind konkrete Maßnahmen geplant?

14. Wie hoch ist nach Kenntnis der Bundesregierung der jährliche Umfang an
Mitteln, die aufgrund von Sanktionen im Sinne des SGB II nicht zur Aus-
zahlung gekommen sind,
a) insgesamt,
b) bei Berücksichtigung von unter 25-jährigen Personen,
c) bei Berücksichtigung aller erwerbsfähigen Leistungsberechtigten,
d) bei Berücksichtigung aller erwerbsfähigen Leistungsberechtigten unter

25 Jahren,
seit Einführung des SGB II?

Berlin, den 11. April 2014

Katrin Göring-Eckardt, Dr. Anton Hofreiter und Fraktion

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