BT-Drucksache 18/10919

Deutsches Engagement im Irak

Vom 18. Januar 2017


Deutscher Bundestag Drucksache 18/10919
18. Wahlperiode 18.01.2017

Kleine Anfrage
der Abgeordneten Omid Nouripour, Uwe Kekeritz, Claudia Roth (Augsburg),
Annalena Baerbock, Marieluise Beck (Bremen), Dr. Franziska Brantner,
Agnieszka Brugger, Tom Koenigs, Dr. Tobias Lindner, Cem Özdemir,
Manuel Sarrazin, Dr. Frithjof Schmidt, Jürgen Trittin, Doris Wagner,
Luise Amtsberg und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN

Deutsches Engagement im Irak

Der Irak ist das Ursprungsland der dschihadistischen Organisation ISIS, von dem
aus sie im Jahr 2014 die Eroberung eines großen Territoriums im Irak und in
Syrien begann. Dieser Feldzug wurde durch politische und wirtschaftliche Miss-
stände im Land sowie durch die Mitwirkung ehemaliger Funktionäre und Militärs
des gestürzten Regimes von Saddam Hussein ermöglicht. Die Probleme des Lan-
des sind in vielerlei Hinsicht Spätfolgen der US-amerikanisch geführten Invasion
im Jahr 2003 und der darauf folgenden Besatzungspolitik. Deutschland beteiligte
sich nicht an dieser Invasion und genießt daher einen sehr guten Ruf im Land.
Die Bundesregierung ließ die Potenziale, die aus diesem Umstand resultierten,
nach Auffassung der Fragesteller jahrelang ungenutzt. Erst nach der Eroberung
durch ISIS und den darauf folgenden Rückeroberungsfeldzug hat Deutschland
sein Engagement sehr schnell deutlich ausgebaut und ist heute einer der größten
Geber im Land. Ausweislich der bislang bekannten Planungen wird Deutschland
dies auch weiterhin bleiben. Über die konkreten Projekte, die bislang durchge-
führt wurden, und die Erfahrungen, die daraus für die zukünftige Ausrichtung des
deutschen Engagements im Irak folgen, ist allerdings weniger bekannt.

Wir fragen die Bundesregierung:
1. Welche Zielsetzungen verfolgt die Bundesregierung mit ihren humanitären

und entwicklungspolitischen Maßnahmen für den Irak?
2. In welcher Höhe hat die Bundesregierung nach aktuellem Kenntnisstand in

den Jahren 2014, 2015 und 2016 insgesamt Mittel für welche Vorhaben im
Irak ausgegeben (bitte nach Jahr, Bundesministerien, Vorhaben, Durchfüh-
rern, Partnern und finanziellem Umfang auflisten)?

3. Wie hoch ist der Anteil der verausgabten Mittel an lokale Nichtregierungs-
organisationen (bitte absolut und prozentual auflisten), und welche Rolle
spielen die speziellen Kenntnisse und die oftmals langjährige Erfahrung lo-
kaler Nichtregierungsorganisationen in der deutschen Zusammenarbeit mit
dem Irak?

4. In welcher Höhe sind Mittel in welche irakischen Regionen geflossen (bitte
nach Region und Höhe auflisten)?

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5. Inwiefern sind die angesetzten Mittel im Jahr 2016 komplett ausgegeben
worden, und welcher Anteil davon kann auch noch in den kommenden Jah-
ren ausgegeben werden?

6. Wie viele Bundesmittel hat die neue Niederlassung der Deutschen Gesell-
schaft für Internationale Zusammenarbeit (GIZ) GmbH in Bagdad im Jahr
2016 erhalten, und welche konkreten Maßnahmen hat sie bislang umgesetzt
(bitte nach Kosten der einzelnen Maßnahmen und ggf. der lokalen Durch-
führungsorganisation auflisten)?

7. Auf welche Weise werden die Maßnahmen aus den verschiedenen Bundes-
ministerien im Irak koordiniert?

8. Welche Staaten sind nach Kenntnis der Bundesregierung die zehn wichtigs-
ten Geberländer im Irak (bitte mit jeweiligen Summen auflisten), und inwie-
fern koordiniert die Bundesregierung ihre Maßnahmen mit diesen anderen
Gebern?

9. Welche Kenntnis hat die Bundesregierung zu den Abstimmungsprozessen
zwischen den verschiedenen UN-Organisationen im Irak, und wie beurteilt
sie diese?

10. In welchen konkreten Maßnahmen hat sich die deutsche Unterstützung in
Tikrit seit der Rückeroberung der Stadt durch irakische Streitkräfte manifes-
tiert, durch die nach Angaben der Bundesregierung 130 000 Menschen in die
Stadt zurückkehren konnten (vgl. Interview mit Bundesminister Dr. Gerd
Müller, Saarbrücker Zeitung vom 20. Dezember 2016, bitte nach Art der
Vorhaben, Durchführungsorganisation, Höhe des deutschen Beitrags und
Durchführungszeitraum auflisten)?

11. Angehörige welcher Bevölkerungsgruppen sind nach Kenntnis der Bundes-
regierung nach Tikrit zurückgekehrt?

12. Inwiefern wurden im Rahmen des deutschen Engagements in Tikrit auch
Maßnahmen zur Aussöhnung unter den verschiedenen Bevölkerungsgruppen
nach den teilweise konfessionell begründeten Gewalttaten durch schiitische
Milizen bei der Rückeroberung der Stadt (vgl. https://news.vice.com/
article/report-says-iraqs-shia-militias-laid-waste-to-tikrit-after-kicking-out-
the-islamic-state) gefördert?

13. Wie viele Menschen konnten nach Kenntnis der Bundesregierung bis heute
in die Städte Falludscha und Anbar zurückkehren (jeweils im Vergleich zur
vorherigen Einwohnerzahl)?

14. Durch welche konkreten Vorhaben wurden die 130 000 Menschen mit
Kriegstraumata unterstützt (vgl. Sachstand des Bundesministeriums für wirt-
schaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (BMZ) vom 25. November
2016, bitte einzelne Projekte unter Angabe von Durchführungsort und -zeit-
raum, Partnerorganisation und Zahl der unterstützten Menschen auflisten)?

15. Mit welcher politischen Zielsetzung hat die Bundesregierung die „Cash for
Work“-Programme der Beschäftigungsoffensive Nahost und speziell das
Programm im Irak geplant, und wie sollte der Erfolg der Maßnahmen gemes-
sen werden?

16. Mit welchen Partnern und weiteren Gebern wurden die „Cash for Work“-
Programme im Irak geplant und abgestimmt?

17. Inwiefern führen nach Kenntnis der Bundesregierung auch andere Geber
„Cash for Work“-Programme im Irak durch, und wenn ja, mit welchen Ziel-
setzungen (bitte nach Land, Gebern und finanzieller Mittelaufwendung auf-
listen)?

https://news.vice.com/article/report-says-iraqs-shia-militias-laid-waste-to-tikrit-after-kicking-out-the-islamic-state
https://news.vice.com/article/report-says-iraqs-shia-militias-laid-waste-to-tikrit-after-kicking-out-the-islamic-state
https://news.vice.com/article/report-says-iraqs-shia-militias-laid-waste-to-tikrit-after-kicking-out-the-islamic-state
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18. Auf welcher Berechnungsgrundlage beruhte die von Bundesentwicklungs-

minister Dr. Gerd Müller Anfang 2016 genannte Zahl von insgesamt 500 000
zu schaffenden Arbeitsplätzen durch diese Maßnahmen in der Region (vgl.
„Zwei Milliarden Euro für Jobs im Nahen Osten“, Berliner Morgenpost,
23. Januar 2016), und aus welchem Grund konnten ausweislich der Informa-
tion auf der Seite des Bundesministeriums für wirtschaftliche Zusammenar-
beit und Entwicklung bis Ende 2016 tatsächlich nur insgesamt 56 000 Arbeits-
plätze in der Region, davon 24 000 im Irak, geschaffen werden (www.bmz.
de/de/themen/Sonderinitiative-Fluchtursachen-bekaempfen-Fluechtlinge-
reintegrieren/cash_for_work/index.jsp, Abruf am 6. Januar 2017)?

19. Welche Schlussfolgerung zieht die Bundesregierung aus dieser Lücke?
20. In welchem Umfang sollen „Cash-for-Work“-Programme im Jahr 2017 fort-

gesetzt werden?
21. Inwiefern wurde die von Bundesminister Dr. Gerd Müller im oben genann-

ten Interview im Januar 2016 angekündigte „Anschubfinanzierung“ kom-
plett für „Cash for Work“-Programme ausgegeben?

22. Wie viele Anträge für „Cash-for-Work“-Projekte im Irak sind bei der Bun-
desregierung, bzw. der mit der Umsetzung beauftragten GIZ eingegangen,
und wie viele von ihnen wurden positiv beschieden?

23. Inwiefern treffen die uns vorliegenden Informationen zu, dass die ursprüng-
lich angekündigte Bearbeitungsfrist für diese Anträge nicht eingehalten
wurde, und wenn dies zutrifft, welche Schlussfolgerungen zieht die Bundes-
regierung daraus?

24. Welche Durchführungsorganisationen haben die Projekte umgesetzt (bitte
nach Projektart, Ort, Zahl der Arbeitsplätze, Durchführungsbeginn, Durch-
führungsorganisation und Mittelzuwendung auflisten)?

25. Welche politische Zielsetzung hat das BMZ dazu bewogen, im Irak 2016
ausschließlich Projekte aus dem Titel Übergangshilfe zu fördern, und aus
welchem Grund hielt es die Unterstützung für „langfristige, mit lokalen Trä-
gern vorbereitete Maßnahmen“ (vgl. die Antwort vom 18. August 2016 auf
die Schriftliche Frage 70 auf Bundestagsdrucksache 18/9476 von Omid Nou-
ripour) im Irak auch im Angesicht eines insgesamt aufgewachsenen Ansatzes
im Haushaltstitel 687 76 für verzichtbar?

26. Inwiefern werden im Jahr 2017 wieder Anträge für Projekte im Irak im Titel
„Private Träger“ gestellt werden können, und inwiefern gilt das auch für die
anderen dort genannten zehn Länder?

27. Welchen Stellenwert hat für die Bundesregierung die Stärkung der irakischen
Zivilgesellschaft für die mittel- und langfristige Stabilisierung des Landes?

28. Wie beurteilt die Bundesregierung die spezifische Rolle lokaler Nichtregie-
rungsorganisationen im Verhältnis zu internationalen Nichtregierungsorga-
nisationen bei der langfristigen Stabilisierung des Irak?

29. Auf welchem Wege unterstützt die Bundesregierung im Irak langfristig an-
gelegte „zivilgesellschaftliche Ansätze, die im wahrsten Sinne des Wortes
einen Staat machen können“ (Bundesminister Dr. Frank-Walter Steinmeier
in: DIE WELT, 9. April 2016, „Lasst uns die Komfortzone verlassen“)?

30. Welche Auswirkungen hat nach Einschätzung der Bundesregierung die an-
haltende institutionelle Krise der kurdischen Autonomieregierung für eine
langfristige Stabilisierung der Region?

31. Inwiefern zieht die Bundesregierung konkrete Konsequenzen aus dieser Si-
tuation für die Zusammenarbeit mit der kurdischen Autonomieregierung?

http://www.bmz.de/de/themen/Sonderinitiative-Fluchtursachen-bekaempfen-Fluechtlinge-reintegrieren/cash_for_work/index.jsp
http://www.bmz.de/de/themen/Sonderinitiative-Fluchtursachen-bekaempfen-Fluechtlinge-reintegrieren/cash_for_work/index.jsp
http://www.bmz.de/de/themen/Sonderinitiative-Fluchtursachen-bekaempfen-Fluechtlinge-reintegrieren/cash_for_work/index.jsp
Drucksache 18/10919 – 4 – Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode

32. Welche von der Bundesregierung unterstützen Programme im Nordirak zie-

len auf die Unterstützung jesidischer Binnenvertriebener bzw. auf die Aus-
söhnung zwischen Jesidinnen und Jesiden und den anderen Bevölkerungs-
gruppen im Nordirak?

33. Welche konkreten Schlussfolgerungen zieht die Bundesregierung aus ihren
Erfahrungen bei der Zusammenarbeit für den Wiederaufbau in Tikrit, Fallud-
scha und Ramadi für ihre Planungen für die Zusammenarbeit beim Wieder-
aufbau in Mossul?

34. Welche Rolle spielt die Bundesregierung als größter humanitärer Geber im
Irak (vgl. „Planen für den Tag danach“, Frankfurter Allgemeine Zeitung vom
19. Oktober 2016) bei der Koordination der humanitären Hilfe in Mossul und
Umgebung?

35. Wie setzt die Bunderegierung in ihrer Zusammenarbeit mit dem Irak das
„Linking Relief Rehabilitation and Development“-Prinzip um, und wie wer-
den Förderlücken und Inkohärenzen in der Zusammenarbeit vermieden?

36. Welchen Stellenwert hat für die Bundesregierung die Aussöhnung im Land
für die Erhaltung eines einheitlichen Irak, inwiefern engagiert sich die Bun-
desregierung als Vermittlerin in diesem Prozess, und welche Projekte setzt
sie in diesem Feld um?

37. Wann hat der „Mossul-Stabilisierungsrat“ zum letzten Mal getagt, und wie
beurteilt die Bundesregierung die Arbeit dieses Gremiums?

Berlin, den 18. Januar 2017

Katrin Göring-Eckardt, Dr. Anton Hofreiter und Fraktion

Satz: Satzweiss.com Print, Web, Software GmbH, Mainzer Straße 116, 66121 Saarbrücken, www.satzweiss.com
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