BT-Drucksache 18/10725

Offene Fragen zum Freihandelsabkommen CETA

Vom 16. Dezember 2016


Deutscher Bundestag Drucksache 18/10725
18. Wahlperiode 16.12.2016

Kleine Anfrage
der Abgeordneten Klaus Ernst, Wolfgang Gehrcke, Christine Buchholz,
Annette Groth, Heike Hänsel, Inge Höger, Andrej Hunko, Susanna Karawanskij,
Jutta Krellmann, Katrin Kunert, Thomas Lutze, Dr. Alexander S. Neu,
Thomas Nord, Richard Pitterle, Michael Schlecht, Dr. Petra Sitte,
Dr. Axel Troost, Alexander Ulrich und der Fraktion DIE LINKE.

Offene Fragen zum Freihandelsabkommen CETA

Die Bundesregierung werde das CETA-Abkommen in seiner Gesamtheit nach
Übermittlung der übersetzten Texte an den Rat durch die Europäische Kommis-
sion abschließend prüfen, teilte diese in der Antwort zu Frage 7 der Kleinen An-
frage auf Bundestagsdrucksache 18/9048 mit.
Konkrete Ergebnisse der Prüfung sind bisher jedoch nicht bekannt, obwohl der
konsolidierte Text seit dem 1. August 2014 und die endgültige Fassung seit dem
5. Juli 2016 vorliegen und insbesondere der deutschen Vertreter im Rat CETA
bereits seine Zustimmung erteilt hat.
Voraussichtlich im Februar nächsten Jahres wird das Europäische Parlament über
CETA abstimmen. Anschließend wird die vorläufige Anwendung des Abkom-
mens in Kraft treten. Es ist daher an der Zeit, dass die Bundesregierung auch Fra-
gen zu Einzelaspekten in CETA beantworten kann und beantwortet.
Dies ist die erste von drei kleinen Anfragen zu CETA und enthält Fragen zur
Ratifizierung, zu den CETA-Ausschüssen, zum Investitionsschutz und zu der Re-
gulierungszusammenarbeit.

Wir fragen die Bundesregierung:

I. Ratifizierung
1. Wie lautet der derzeitige weitere Zeitplan zur Ratifizierung von CETA in

Deutschland, auf EU-Ebene und in Kanada?
2. Richtet sich die Ratifizierung von CETA nach Auffassung der Bundesregie-

rung nach Artikel 23 des Grundgesetzes (GG) oder nach Artikel 59 Absatz 2
Satz 1 GG i. V. m. dem Lindauer Abkommen (bitte begründen), und wie und
wann hat die Bundesregierung die Länder entsprechend beteiligt (vgl. Gut-
achten des Wissenschaftlichen Dienstes des Deutschen Bundestages WD 3 –
3000 – 240/16)?

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3. Wie ist der Stand der Prüfung durch die Bundesregierung, ob der Bundesrat
über CETA mittels eines Zustimmungs- oder eines Einspruchsgesetzes ab-
stimmt?
Teilt die Bundesregierung die Einschätzung des Wissenschaftlichen Dienstes
(vgl. Ausarbeitung WD 3 – 3000 – 244/16), dass dazu in einem ersten Schritt
festzustellen ist, welche Regelungsgegenstände in die Zuständigkeit der Mit-
gliedstaaten fallen, wofür das Gutachten des Europäischen Gerichtshofs
(EuGH) zum Freihandelsabkommen zwischen EU und Singapur von großer
Bedeutung ist, und dass in einem zweiten Schritt für jede einzelne in die na-
tionale Zuständigkeit fallende Regelung zu prüfen wäre, ob sie ein Zustim-
mungserfordernis auslöst?
Oder auf welcher Grundlage genau läuft diese Prüfung ab?

4. Beabsichtigt die Bundesregierung, den Entwurf für ein Ratifikationsgesetz
erst nach dem EuGH-Gutachten und einer gründlichen Prüfung der Zustim-
mungsbedürftigkeit der einzelnen CETA-Regelungen vorzulegen (bitte be-
gründen)?

5. Welche Möglichkeiten hat die Bundesregierung bzw. die Europäische
Union, nach der Beschlussfassung über die Unterzeichnung und vorläufige
Anwendung im Rat, Klarstellungen bzgl. der Unabhängigkeit der Richter,
unbestimmter Rechtsbegriffe, der Einführung von Sanktionsmöglichkeiten
zum Schutz der Arbeitnehmerrechte, der Schutzvorbehalte für die öffentliche
Daseinsvorsorge etc. – ggf. gegen den Willen Kanadas – durchzusetzen?

6. Zu welchem Zeitpunkt hatten nationale oder regionale Parlamente und Re-
gierungen nach Auffassung der Bundesregierung die Möglichkeit, inhaltli-
che Verbesserungen zu CETA einzubringen – dies mit Blick auf die von Paul
Magnette, Ministerpräsident der Wallonie, kritisierte mangelnde Einbezie-
hung und die Tatsache, dass Konkretisierungen nicht im CETA-Vertrag statt-
finden konnten, sondern auf ein sogenanntes gemeinsames Auslegungs-
instrument sowie Protokollerklärungen zurückgegriffen werden musste?

7. Welche Pläne hat die Bundesregierung, um zukünftig zu verhindern, dass
wesentliche Teile eines Freihandelsabkommens in der Phase des Genehmi-
gungsverfahrens in Frage gestellt werden?

8. Wie ist der Stand der Prüfung durch die Bundesregierung, ob für die Be-
schlüsse im Rat zur Unterzeichnung und vorläufigen Anwendung von CETA
ein rechtliches Einstimmigkeitserfordernis vorlag (s. Antwort auf die Schrift-
liche Frage 86 im Juli 2016)?

9. Wie genau wurde der im Bericht der Bundesregierung an den Wirtschafts-
ausschuss zum CETA-Sachstand vom 8. Oktober 2015 festgestellte Verbes-
serungsbedarf zur Stärkung des Schutzes der kulturellen Vielfalt in CETA
umgesetzt?

II. CETA-Ausschüsse
10. Was konkret sind die „internen Anforderungen und […] Verfahren“ (Arti-

kel 26.3 Absatz 2 CETA)?
11. Wie verhält sich das zur Protokollerklärung Nummer 24 von Österreich?

Wie wird die Mitwirkung des Deutschen Bundestages und des Europäischen
Parlaments gewährleistet?

Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 3 – Drucksache 18/10725

12. Warum sieht die Protokollerklärung Nummer 19 das Erfordernis eines ein-

vernehmlichen Standpunkts nur für Ausschuss-Beschlüsse vor, die in die Zu-
ständigkeit der Mitgliedstaaten fallen, obwohl das Bundesverfassungsgericht
dies auch für die Reichweite des Integrationsprogramms berührende Be-
schlüsse vorschreibt (Bundesverfassungsgericht, Urteil vom 13. Oktober
2016 – 2 BvR 1368/16 u. a., Rn. 65)?

13. Wann werden die mit CETA etablierten Ausschüsse das erste Mal zusam-
mentreten?

14. Wie werden die Vertreter der EU im Ausschuss bestimmt (Artikel 26.1 Ab-
satz 1 CETA), und gehören dazu auch Vertreter der Mitgliedstaaten?

15. Haben die Ausschüsse ihre Verfahren festgelegt (vgl. Artikel 21.6 Absatz 4
Buchstabe a CETA etc.)?
Was versteht die Bundesregierung darunter, dass das Forum für die Zusam-
menarbeit in Regulierungsfragen gem. Artikel 21.6 Absatz 4 Buchstabe a
CETA sein Mandat festlegt?

III. Investitionsschutz
16. Ist die Definition bzw. sind die Bestandteile des Begriffes FET – fair and

equitable treatment (gerechte und billige Behandlung) in Artikel 8.10 Ab-
satz 2 CETA nach Auffassung der Bundesregierung abschließend (bitte be-
gründen)?

17. Was ist unter grundlegender Verletzung rechtsstaatlicher Grundsätze und of-
fensichtlicher Willkür (Artikel 8.10 Absatz 2 Buchstaben b und c CETA) zu
verstehen?

18. Nach welchem Verfahren können die Vertragsparteien weitere Bestandteile
des FET-Grundsatzes festlegen?
a) Welche internen Anforderungen und Verfahren i. S. d. Artikels 26.3 Ab-

satz 2 CETA gelten hier?
b) Findet nach Auffassung der Bundesregierung hierauf die Vorgabe des

Bundesverfassungsgerichts zur demokratischen Rückkopplung von Aus-
schussbeschlüssen (Urteil vom 13. Oktober 2016 – 2 BvR 1368/16,
Rn. 71) Anwendung?

c) Ist die Protokollerklärung Nummer 19 (Ratsdokument 13463/1/16/REV 1)
einschlägig?

19. Was ist unter einer spezifischen Erklärung, die ein berechtigtes Vertrauen
begründet und auf die sich ein Investor verlassen hat i. S. d. Artikels 8.10
Absatz 4 CETA, zu verstehen?

Gibt es hier unterschiedliche Interpretationen?
20. Inwiefern ist nach Auffassung der Bundesregierung ausgeschlossen, dass

eine gesetzliche Verbesserung von Arbeitnehmerrechten (bspw. die Erhö-
hung des Mindestlohns oder die Erweiterung der betrieblichen Mitbestim-
mung) gegen den FET-Grundsatz in Artikel 8.10 CETA verstößt (bitte die
genaue Ausnahmeregelung angeben und darunter subsummieren)?

21. Wie kann die Bundesregierung konkret ausschließen, dass eine Regelung der
Unternehmensmitbestimmung, wodurch den Eigentümern das Recht genom-
men wird, sämtliche Vorstandmitglieder nach eigenen Vorstellungen auszu-
suchen, unter die Definition einer indirekten Enteignung nach Artikel 8.12
Absatz 1 i. V. m. Anhang 8A Absatz 1 Buchstabe b fällt?
Zählt die Mitbestimmung zu den berechtigten Gemeinwohlzielen nach An-
hang 8A Absatz 3?

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22. Was könnten zum Beispiel „vernünftige Erwartungen“ eines Investors

i. S. d. Anhangs 8A Absatz 2 Buchstabe c konkret sein und was nicht?
23. Welche konkrete Maßnahme könnte zum Beispiel „offenkundig überzogen“

i. S. d. Anhangs 8A Absatz 3 sein, und welche nicht?
24. Wie nimmt die Ratchet-Klausel ein Verbot von Rekommunalisierung aus

(bitte konkret am CETA-Vertrag begründen)?
25. Kann die Bundesregierung ausschließen, dass das momentane Niveau der

Privatisierung und Liberalisierung der Postdienste in der EU mit CETA un-
umkehrbar festgeschrieben wird (bitte konkret am CETA-Vertrag begrün-
den)?

26. Wie kann die Bundesregierung konkret ausschließen, dass kanadische Inves-
toren erfolgreich gegen die Subventionierung ihrer im öffentlichen Auftrag
tätigen Konkurrenten (bspw. Ausgleichszahlungen an Träger der freien
Wohlfahrtspflege, Krankenhäuser oder gemeinnütziger Wohnungsgesell-
schaften) vor dem Investitionsgericht wegen indirekter Enteignung klagen
(vgl. Gutachten des Wissenschaftlichen Dienstes des Deutschen Bundestages
WD 7 – 3000 – 228/15, S. 13 f.)?

27. Kann die Bundesregierung bestätigen, dass Kanada auf Investorengerichte
in CETA verzichten würde, aber die EU-Seite nicht bereit ist (vgl. http://
norberthaering.de/de/27-german/news/699-magnette; bitte begründen)?

IV. Regulierungszusammenarbeit
28. Was bedeutet die Verpflichtung in Artikel 21.2 Absatz 4 CETA, die Regu-

lierungszusammenarbeit weiterzuentwickeln, um unnötige Handels- und In-
vestitionshemmnisse zu vermeiden, um das Wettbewerbs- und Innovations-
klima zu verbessern, auch durch Hinarbeit auf kompatible Regulierung, auf
Anerkennung der Gleichwertigkeit und auf Konvergenz, und um transpa-
rente, effiziente und effektive Regelungsprozesse zu fördern, die den Ge-
meinwohlzielen und dem Auftrag der Regelungsinstanzen gerecht werden,
konkret?

29. Wie verhält sich diese Verpflichtung zum Grundsatz der Freiwilligkeit der
Regulierungszusammenarbeit in Artikel 21.2 Absatz 6 CETA?
Wie verhält sich der Grundsatz der Freiwilligkeit zur Arbeit des Forums für
die Zusammenarbeit in Regulierungsfragen – vor dem Hintergrund, dass zu-
mindest die Einsetzung des Forums nicht freiwillig sein dürfte (vgl. Arti-
kel 21.6 Absatz 1 CETA), ebenso wie die Prüfungstätigkeit des Forums bzgl.
laufender oder zu erwartender Regelungsvorhaben, welche die Durchfüh-
rung des Kapitels 21 fördern soll, nicht unter dem Vorbehalt der Zustimmung
aller Vertragsparteien steht?

30. Hält es die Bundesregierung für verfassungsrechtlich problematisch, dass
Artikel 21.6 Absatz 3 CETA nicht sicherstellt, dass in dem Forum auch Ver-
treter der Mitgliedstaaten vertreten sind (bitte begründen)?

31. Wie verhält sich Artikel 21.3 Buchstabe a CETA (Schutz des Lebens, der
Gesundheit und der Sicherheit des Menschen, Schutz des Lebens und der
Gesundheit von Tieren und Pflanzen und Schutz der Umwelt) zu den Ziel-
vorgaben in Artikel 21.2 Absatz 4?

http://norberthaering.de/de/27-german/news/699-magnette
http://norberthaering.de/de/27-german/news/699-magnette
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32. Was ist unter einer Regulierungszusammenarbeit gemäß Artikel 21.4 Buch-

staben g, h, o, r und 21.6 Absatz 2 Buchstaben c und d CETA zu verstehen,
und welche Konsequenzen hat die Regulierungszusammenarbeit hier je-
weils?

Berlin, den 15. Dezember 2016

Dr. Sahra Wagenknecht, Dr. Dietmar Bartsch und Fraktion

Satz: Satzweiss.com Print, Web, Software GmbH, Mainzer Straße 116, 66121 Saarbrücken, www.satzweiss.com
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