BT-Drucksache 18/10690

Erkenntnisse über den Abschuss von Flug MH17

Vom 15. Dezember 2016


Deutscher Bundestag Drucksache 18/10690
18. Wahlperiode 15.12.2016

Kleine Anfrage
der Abgeordneten Marieluise Beck (Bremen) Annalena Baerbock,
Dr. Franziska Brantner, Agnieszka Brugger, Uwe Kekeritz, Tom Koenigs,
Dr. Tobias Lindner, Omid Nouripour, Cem Özdemir, Claudia Roth (Augsburg),
Manuel Sarrazin, Dr. Frithjof Schmidt, Jürgen Trittin, Doris Wagner und
der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN

Erkenntnisse über den Abschuss von Flug MH17

Am 17. Juli 2014 kamen beim Abschuss einer Passagiermaschine von Malaysia
Airlines mit der Flugnummer MH17 über der Ostukraine 298 Insassen tragisch
ums Leben. Unter den Opfern waren 192 niederländische Staatsangehörige und
80 Kinder.
Im Januar 2015 veröffentlichte ein Team aus Reportern der niederländischen
Zeitung „Algemeen Dagblad“, des Recherchezentrums „CORRECTIV – Recher-
chen für die Gesellschaft gemeinnützige GmbH“ und des Magazins „DER SPIE-
GEL“ die Ergebnisse einer Recherche über den Abschuss von Flug MH17. Das
Team griff hierbei auch auf Erkenntnisse des Rechercheverbunds „Bellingcat“
zurück (DER SPIEGEL: Wahrheit in den Trümmern, 10. Januar 2015). Die Re-
porter konnten anhand von Einträgen und Fotos in sozialen Netzwerken, die u. a.
durch Soldaten der 53. russischen Flugabwehrraketenbrigade in Kursk getätigt
wurden, den Weg eines mobilen BUK-M1-Luftabwehrsystems in die Ostukraine
nachvollziehen. Sie konnten einen möglichen Abschussort einer Boden-Luft-Ra-
kete des Systems in der Nähe der ostukrainischen Stadt Snischne ausfindig ma-
chen. Die Reporter befragten Anwohner am möglichen Abschussort. Deren Aus-
sagen stützen die These, dass vermutlich von nahe der Stadt Snischne aus eine
Boden-Luft-Rakete abgeschossen wurde.
Die mit der Untersuchung der Absturzursache von MH17 beauftragte niederlän-
dische Flugunfalluntersuchungsbehörde (sog. Ermittlungskomitee) stellte am
13. Oktober 2015 einen Zwischenbericht über die Absturzursache vor. Das Er-
mittlungskomitee konnte anhand von Fragmenten eines Raketenkopfes, die in den
Körpern von Crewmitgliedern von MH17 gefunden wurden, nachweisen, dass
das Flugzeug durch ein BUK-M1-System zum Absturz gebracht worden war.
Dank Simulationen konnten die Ermittler den Abschussort der BUK-Rakete
auf eine Fläche von 320 Quadratkilometern eingrenzen, die südöstlich des Dorfes
Hrabowe nahe Snischne liegt und damals in der Hand der von Russland unter-
stützten Kräfte war (Süddeutsche Zeitung: Eine Rakete, so viel ist sicher,
14. Oktober 2015; Frankfurter Allgemeine: Rekonstruktion des Unfassbaren,
14. Oktober 2015). Der vom Reporterteam um „CORRECTIV“ als wahrscheinli-
cher Abschussort ausfindig gemachte Ort befindet sich innerhalb dieses vom nie-
derländischen Ermittlungskomitee definierten Areals.

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Am 28. September 2016 präsentierte das Joint Investigation Team (JIT) die ersten
Ergebnisse einer strafrechtlichen Untersuchung des Abschusses von Flug MH17.
In dem Team arbeiten bis zu 200 Ermittler und Experten aus Australien, Belgien,
Malaysia, den Niederlanden und der Ukraine zusammen. Es stellte fest, dass das
malaysische Flugzeug von einer Boden-Luft-Rakete abgeschossen worden sei.
„Ohne jeden Zweifel“ könnten sowohl der Waffentyp als auch der Abschussort
der Rakete ermittelt werden. Es gebe handfeste Belege, dass das Raketensystem
BUK M1 (9M) 38 Stunden vor dem Abschuss aus Russland über die Grenze in
das Gebiet in der Ostukraine gebracht worden sei, das nicht unter der Kontrolle
der ukrainischen Regierung stand. Tags darauf sei es mit einer Rakete weniger
wieder nach Russland zurückgekehrt. Es seien rund 100 Personen identifiziert
worden, die mutmaßlich eine Rolle beim Abschuss gespielt hätten. Die Frage des
Vorsatzes sei bislang nicht geklärt. Zeugen hätten den von bewaffneten Insassen
begleiteten Konvoi mit dem Raketensystem gesehen und gefilmt. Das System sei
in der Stadt Snischne entladen und auf einem Acker nahe des Orts Perwomajsk
abgestellt worden. Zeugen hätten am betreffenden Tag vor Ort das Waffensystem
beobachtet und von akustischen und visuellen Eindrücken berichtet, wie sie für
den Abschuss einer BUK-Rakete typisch seien (die tageszeitung: Alle Spuren
führen nach Russland, 29. September 2016; Frankfurter Allgemeine: Minutiös re-
konstruiert, 29. September 2016). Auch die Ergebnisse des JIT bestätigen die Re-
cherchen von „CORRECTIV“.

Wir fragen die Bundesregierung:
1. Was ist nach Kenntnis der Bundesregierung der genaue Ermittlungsstand des

niederländischen Ermittlungskomitees und des Joint Investigation Teams
(JIT)?

2. Bis zu welcher Flughöhe war von der ukrainischen Luftraumüberwachung
am Tag des Abschusses von MH17 nach Kenntnis der Bundesregierung der
Luftraum über dem Kampfgebiet gesperrt worden?

3. In welcher Höhe flog MH17 nach Kenntnis der Bundesregierung über das
Kampfgebiet?

4. Lagen nach Kenntnis der Bundesregierung ukrainischen Behörden am Un-
glückstag oder vorher Informationen vor, nach denen von der Anwesenheit
eines Boden-Luft-Raketensystems im Donbass hätte ausgegangen werden
und eine Sperrung des Luftraums auch in größeren Höhen hätte veranlasst
werden müssen?

5. Wie viele und was für Flugzeuge sind vor dem Abschuss von MH17 seit
Anfang 2014 über der Ukraine nach Kenntnis der Bundesregierung durch
wen abgeschossen worden, und welche Waffen kamen hierbei mutmaßlich
zum Einsatz?

6. Ist einer der Flugzeugabschüsse im genannten Zeitraum und Gebiet vor dem
Abschuss von MH17 nach Kenntnis der Bundesregierung nicht von den so-
genannten Separatisten bzw. russischer Seite für sich reklamiert worden?

7. Wie viele Personen sind nach Kenntnis der Bundesregierung zur Bedienung
des BUK-M1-Systems notwendig?

8. Kann die Bundesregierung Darstellungen bestätigen, wonach zur Bedienung
des BUK-M1-Systems mindestens eine einjährige Ausbildung von Nöten ist
(Neues Deutschland: Reibungshitze hätte alles entflammt, 24. Juli 2014),
und wie lange dauert nach Kenntnis der Bundesregierung die Ausbildung der
russischen Armee an diesem Waffensystem?

Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 3 – Drucksache 18/10690
9. Ist es nach Ansicht der Bundesregierung möglich, dieses Waffensystem auch
ohne spezielle Ausbildung, etwa nach einer kurzen Einweisung, zu bedienen
und damit ein Flugzeug in einer Reisehöhe und -geschwindigkeit, wie sie bei
MH17 vorlag, anzugreifen?

10. Ist ein zur Bedienung des BUK-M1-Systems ausgebildetes Team mithilfe
der im System vorhandenen Instrumente nach Kenntnis der Bundesregierung
in der Lage, ein ziviles Flugzeug von einem militärischen Flugzeug, etwa
vom Typ Antonow An-26, zu unterscheiden?

11. Welche Streitkräfte verfügen nach Kenntnis der Bundesregierung über Flug-
abwehrsysteme vom Typ BUK M1 in der Ausführung und Konfiguration,
wie es nach Auffassung des niederländischen Ermittlungsteams sowie des
JIT beim Abschuss von MH17 zum Einsatz gekommen ist?

12. Ist nach Kenntnis der Bundesregierung der vom ukrainischen Geheimdienst
im Zusammenhang mit dem Abschuss von MH17 veröffentlichte Mitschnitt
eines Telefongesprächs, der den „Separatistenkommandeur“ Igor Besler im
Gespräch mit seinem „Koordinator“, Oberst Wasil Geranin, vom russischen
Militärgeheimdienst GRU, wiedergeben soll und in dem er vorgeblich sagt:
„Wir haben eben ein Flugzeug abgeschossen. Es war die Truppe von ‚Berg-
mann‘. Es kam bei Jenkijewo runter“, authentisch (www.kyivpost.com/
article/content/ukraine/separatists-admit-downing-a-civilian-plane-in-tapped-
conversation-full-transcript-356545.html)?

13. Wann wurde nach Kenntnis der Bundesregierung der Post in dem russischen
sozialen Netzwerk „vKontakte“ auf dem Profil mit Namen „Berichte von I-
gor Iwanowitsch Strelkow“ mit dem Wortlaut „Im Rajon Tores haben wir
ein AN-26-Flugzeug abgeschossen. Es liegt irgendwo in der Nähe der ‚Pro-
gress‘-Kohlemine. Wir haben sie gewarnt – fliegt nicht in ‚unserem Him-
mel‘. Hier ist ein Videobeweis des letzten ‚Vogelabsturzes‘. Der Vogel fiel
auf die Abraumhalde, Wohngebiete sind nicht betroffen. Es wurden keine
Zivilisten verletzt […]“ veröffentlicht und wann wieder gelöscht, und sieht
die Bundesregierung einen Zusammenhang zwischen der Löschung der
Nachricht und der in diesem Zeitraum bekannt gewordenen Nachricht über
den Abschuss der zivilen Passagiermaschine MH17 (www.interpretermag.
com/ukraine-liveblog-day-150-ukrainian-troops-describe-grad-rocket-attack-
from-russia/#3391)?

14. Was war nach Kenntnis der Bundesregierung der Inhalt der beiden Videos,
die vom vKontakte-Profil von Igor Strelkow mit der genannten Nachricht
verbreitet und ebenfalls wieder gelöscht wurden?

15. War Igor Besler oder die von ihm befehligte Truppe nach Kenntnis der Bun-
desregierung dazu oder vergleichbar ausgebildet, ein BUK-M1-System zu
bedienen?

16. Verfügt die Bundesregierung über Kenntnisse, ob Angehörige russischer Ge-
heimdienste unter anderem auch an Boden-Luft-Raketensystemen ausgebil-
det werden?

http://www.kyivpost.com/article/content/ukraine/separatists-admit-downing-a-civilian-plane-in-tapped-conversation-full-transcript-356545.html
http://www.kyivpost.com/article/content/ukraine/separatists-admit-downing-a-civilian-plane-in-tapped-conversation-full-transcript-356545.html
http://www.kyivpost.com/article/content/ukraine/separatists-admit-downing-a-civilian-plane-in-tapped-conversation-full-transcript-356545.html
http://www.interpretermag.com/ukraine-liveblog-day-150-ukrainian-troops-describe-grad-rocket-attack-from-russia/#3391
http://www.interpretermag.com/ukraine-liveblog-day-150-ukrainian-troops-describe-grad-rocket-attack-from-russia/#3391
http://www.interpretermag.com/ukraine-liveblog-day-150-ukrainian-troops-describe-grad-rocket-attack-from-russia/#3391
Drucksache 18/10690 – 4 – Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode

17. Hat Igor Strelkow, der mit bürgerlichem Namen Igor Girkin heißt, sich den

Kampfnamen „Strelkow“ (deutsch: Schütze) gab, sich selbst als russischen
Agenten bezeichnete (www.bbc.com/russian/russia/2014/12/141202_strelkov_
girkin_confessions_censored) und der am 24. April 2014 vom damaligen no-
minellen Führer der sogenannten Volksrepublik Donezk, Dennis Puschilin,
offiziell zum Anführer des gesamten Militär- und Sicherheitsbereichs er-
nannte wurde, nach Kenntnis der Bundesregierung als Kämpfer und Kom-
mandeur im Donbass eigenverantwortlich oder im Auftrag Russlands gehan-
delt (SZ: Platzhalter des Kreml, 13. Mai 2014, Süddeutsche.de: Der Mann
hinter der Schreckensherrschaft, 12. Mai 2014 www.sueddeutsche.de/politik/
2.220/igor-strelkow-kommandeur-in-der-ostukraine-der-mann-hinter-der-
schreckensherrschaft-1.19586759)?

18. Hat Igor Besler, der erstmals Bekanntheit durch ein Video erlangte, das am
15. April 2014 international von Medien u. a. im ZDF heute journal gezeigt
wurde und in dem er sich einer Polizeieinheit in Gorliwka als russischer Of-
fizier vorstellt und diese auf sein Kommando verpflichtet, und das, obwohl
es sich um ein authentisches Video handelte, am Folgetag vom ZDF heute
journal infolge von Falschinformationen aus Russland fälschlicherweise de-
mentiert und als Irreführung der Medien dargestellt wurde, nach Kenntnis
der Bundesregierung als Kämpfer und Kommandeur im Donbass eigenver-
antwortlich oder im Auftrag Russlands gehandelt?

19. Wie bewertet die Bundesregierung den Status von Wladimir Antjufejew, der
als Mitglied der sowjetischen Sonderpolizeieinheit OMON 1990 bis 1991 an
der blutigen Niederschlagung von Unabhängigkeitsprotesten in Riga betei-
ligt war, 20 Jahre, von 1992 bis 2012, als KGB-Chef und Sicherheitsminister
der Moskau-treuen, abtrünnigen moldauischen Provinz Transnistrien fun-
gierte und der im Juli 2014 vom damaligen selbsternannten Chef der soge-
nannten Donezker Volksrepublik, Alexandr Borodaj, zum „Stellvertretenden
Premierminister“ mit Verantwortlichkeit für Sicherheitsbelange ernannt
wurde?
a) Wie war nach Kenntnis der Bundesregierung zur Zeit des Abschusses von

MH17 sein Verhältnis zu Igor Girkin (Strelkow)?
War dieser an ihn weisungsgebunden?

b) Handelte Wladimir Antjufejew in seiner Funktion in Donezk zum Zeit-
punkt des Abschusses von MH17 nach Ansicht der Bundesregierung ei-
genverantwortlich oder im Auftrag einer international anerkannten Regie-
rung, und falls letzteres, welcher Einheit, Organisation oder welchem Ge-
heimdienst kann er zugeordnet werden?

20. Liegen der Bundesregierung oder nach Kenntnis der Bundesregierung
NATO-Partnern Kenntnisse vor, dass Angehörige der sogenannten „Separa-
tisten“ an Luftabwehrsystemen geschult wurden, und falls ja, zu welchem
Zeitpunkt?

21. Welchen Schluss zieht die Bundesregierung aus dem russischen Veto gegen
die Einrichtung eines UN-Tribunals zur Untersuchung des Abschusses von
Flug MH17, und in welcher Weise setzt sie sich weiterhin dafür ein, dass ein
solches Tribunal eingerichtet wird (Frankfurter Allgemeine Zeitung: Kritik
an russischem Veto gegen MH17-Tribunal, 31. Juli 2015)?

22. Haben nach Kenntnis der Bundesregierung Hinterbliebene Klagen gegen
Verantwortliche des Abschusses von Flug MH17 eingereicht oder planen
dies, und falls ja, um wie viele Klagen handelt es sich, gegen wen richten
sich diese, und was ist deren näherer Gegenstand?

http://www.bbc.com/russian/russia/2014/12/141202_strelkov_girkin_confessions_censored
http://www.bbc.com/russian/russia/2014/12/141202_strelkov_girkin_confessions_censored
http://www.sueddeutsche.de/politik/2.220/igor-strelkow-kommandeur-in-der-ostukraine-der-mann-hinter-der-schreckensherrschaft-1.19586759
http://www.sueddeutsche.de/politik/2.220/igor-strelkow-kommandeur-in-der-ostukraine-der-mann-hinter-der-schreckensherrschaft-1.19586759
http://www.sueddeutsche.de/politik/2.220/igor-strelkow-kommandeur-in-der-ostukraine-der-mann-hinter-der-schreckensherrschaft-1.19586759
Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 5 – Drucksache 18/10690

23. Welche geeigneten rechtlichen Mittel existieren nach Ansicht der Bundesre-

gierung, um den oder die Verantwortlichen für den gewaltsamen Tod der
298 Insassen des abgeschossenen Flugs MH17 zur Verantwortung zu ziehen,
und was unternimmt die Bundesregierung, um eine juristische Aufarbeitung
zu befördern?

24. Hat die Bundesregierung Kenntnis darüber, ob die Flugzeugabschüsse über
der Ukraine seit Beginn des Jahres 2014 Teil einer Strategie von Seiten der
sogenannten Separatisten oder der russischen Armee darstellen, die Luftho-
heit der Ukraine über dem Kampfgebiet einzuschränken, und falls ja, wäre
eine solche Strategie ohne offene Gefährdung des zivilen Luftverkehrs und
damit Inkaufnahme ziviler Opfer möglich gewesen?

25. Ist es nach Ansicht der Bundesregierung möglich, dass das BUK-M1-System
von einem russischen Militärstützpunkt aus in die Ostukraine gebracht wer-
den konnte, ohne dass die zuständigen Vorgesetzten davon erfahren bzw.
dies befohlen haben?

26. Hat nach Kenntnis der Bundesregierung die Russische Föderation vor der
Lieferung des BUK-M1-Systems in die Ostukraine Vorkehrungen getroffen,
dass durch das System keine zivilen Flugpassagiere zu Schaden kommen,
etwa dadurch, dass russische Behörden die zuständigen ukrainischen Luft-
fahrtbehörden über den möglichen Einsatz des BUK-M1-Systems informier-
ten?

27. War eine Einschränkung der ukrainischen Lufthoheit über dem Kampfgebiet
nach Kenntnis der Bundesregierung Teil der Strategie der russischen Armee
zur Unterstützung der sogenannten Separatisten, und übt die Ukraine seit
dem Abschuss von MH17 noch effektiv die Lufthoheit über ihrem gesamten
Staatsterritorium aus, und falls nein, für welchen Teil des Staatsterritoriums
ist das nicht der Fall?

28. Hätten nach Kenntnis der Bundesregierung die sogenannten „Separatisten“
oder die sie mit geeigneten Waffen mit oder ohne entsprechendes Personal
Versorgenden oder Waffenhilfe leistende offizielle Streitkräfte wissen müs-
sen, dass über dem Kampfgebiet möglicherweise auch ziviler Flugverkehr
stattfindet, oder konnten sie nach bestem Wissen davon ausgehen, dass dies
nicht der Fall sei?

29. Verfügt die Bundesregierung über Anhaltspunkte für eine mögliche Desin-
formationskampagne aus Russland, die direkt nach dem Abschuss von
MH17 begonnen wurde und in derem Zuge unterschiedlichste irreführende
Thesen über die Absturzursache in die Welt gesetzt wurden mit dem offen-
sichtlichen Ziel, die naheliegenden Thesen zur Absturzursache zu verschlei-
ern und durch Hinzufügen falscher Tatsachenbehauptungen den Eindruck
der Ungewissheit über die Faktenlage zu erhöhen und auch die bewiesenen
oder evidenten Fakten und Schlussfolgerungen als einen Teil von nur speku-
lativen Annahmen zu diskreditieren?
a) Wie bewertet die Bundesregierung in diesem Zusammenhang die Plau-

sibilität der von russischen Generälen, u. a. Generalleutnant Andrej
Kartopolow, aufgestellten These, MH17 sei von einem ukrainischen
Kampfflugzeug vom Typ Su-25 abgeschossen worden (Neues Deutsch-
land: Ukrainischer Kampfjet statt Pferdebremse?, 24. Juli 2014; Neues
Deutschland: Viele Umwege auf der Suche nach den Mördern, 23. Juli
2014, vgl. Bundestagsdrucksache 18/4299, Antwort zu Frage 17)?

Drucksache 18/10690 – 6 – Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode
b) Welche Kenntnis hat die Bundesregierung über den Stand der Ermittlun-
gen russischer Behörden, die die These eines Abschusses von MH17
durch ein ukrainisches Kampfflugzeug vom Typ Su-25 weiter verfolgen
und hierfür einen ehemaligen ukrainischen Luftwaffentechniker als Zeu-
gen benannten, der am Unglückstag auf seinem Stützpunkt den Start eines
bewaffneten Kampfflugzeugs vom Typ Su-25 und deren spätere Rück-
kehr ohne Munition beobachtet haben will, wie das staatliche russische
Nachrichtenportal „Sputnik“ in seiner deutschsprachig Ausgabe berich-
tete (Sputnik Deutschland: MH17-Abschuss: Russland nennt den Namen
seines Hauptzeugen, 3. Juni 2015, https://de.sputniknews.com/panorama/
20150603/302605663.html)?

c) Wie bewertet die Bundesregierung die Authentizität des Satellitenfotos,
das am 14. November 2014 im staatlichen russischen Fernsehsender „Ers-
ter Kanal“ als vermeintlicher Beweis für einen Abschuss von MH17 durch
eine ukrainische MiG-29 präsentiert wurde und das ein ukrainisches
Kampfflugzeug beim Abschuss von MH17 zeigen soll (Telepolis: Ulrich
Heyden: Gibt es jetzt ein Foto vom Abschuss der MH-17?, 15. November
2014), das jedoch russische Blogger wenige Stunden später aufgrund von
Bildanalysen als Fälschung bezeichneten (welt.de: Russische Blogger
enttarnen MH17-Bild als Fälschung, www.welt.de/politik/ausland/
article134373039/Russische-Blogger-enttarnen-MH17-Bild-als-Faelschung.
html)?

d) Kann die Bundesregierung die Behauptung bestätigen, russische Aufklä-
rungsdaten würden für den Absturztag von MH17 belegen, dass das
156. ukrainische Flugabwehr-Raketenregiment in dem Raum um den
Absturzort entfaltet gewesen sei, dass zwei ukrainische Kampflugzeuge
vom Typ Su-25 als Übungspartner angeflogen seien und deshalb die uk-
rainische Armee für den Abschuss von MH17 verantwortlich sein könne,
wie u. a. das staatliche russische Nachrichtenportal „Sputnik“ in seiner
deutschsprachigen Ausgabe behauptete (Neues Deutschland: Ein Mo-
nat voller Spekulationen, 18. August 2014, Sputnik Deutschland: Feh-
ler bei Fla-Übung in Ukraine als Ursache des Boeing-Unglücks?,
25. Juli 2014, https://de.sputniknews.com/politik/20140725/269105594/
Fehler-bei-Fla-bung-in-Ukraine-als-Ursache-des-Boeing-Unglcks.html)?

e) Wie bewertet die Bundesregierung die Plausibilität der durch den Mitar-
beiter des russischen „Bundes-Informationszentrums für Analysen und
Sicherheit“, Sergej Sokolow, vorgebrachten Behauptung, der Absturz von
MH17 sei durch zwei an Bord der Maschine durch den CIA mithilfe uk-
rainischer und niederländischer Geheimdienste platzierte Bomben verur-
sacht worden mit dem Ziel, die Sanktionen gegen Russland verschärfen
und die NATO-Präsenz in Europa und spezifisch in der Ukraine erhöhen
zu können (Stern.de, BBC-Doku: Ukrainischer Jet könnte MH17 abge-
schossen haben, www.stern.de/politik/ausland/mh17--bbc-doku-unter-
sucht-mehrere-theorien-6812778.html)?

https://de.sputniknews.com/panorama/20150603/302605663.html
https://de.sputniknews.com/panorama/20150603/302605663.html
http://www.welt.de/politik/ausland/article134373039/Russische-Blogger-enttarnen-MH17-Bild-als-Faelschung.html
http://www.welt.de/politik/ausland/article134373039/Russische-Blogger-enttarnen-MH17-Bild-als-Faelschung.html
http://www.welt.de/politik/ausland/article134373039/Russische-Blogger-enttarnen-MH17-Bild-als-Faelschung.html
https://de.sputniknews.com/politik/20140725/269105594/%0bFehler-bei-Fla-bung-in-Ukraine-als-Ursache-des-Boeing-Unglcks.html
https://de.sputniknews.com/politik/20140725/269105594/%0bFehler-bei-Fla-bung-in-Ukraine-als-Ursache-des-Boeing-Unglcks.html
http://www.stern.de/politik/ausland/mh17--bbc-doku-untersucht-mehrere-theorien-6812778.html
http://www.stern.de/politik/ausland/mh17--bbc-doku-untersucht-mehrere-theorien-6812778.html
Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 7 – Drucksache 18/10690
f) Wie bewertet die Bundesregierung die Plausibilität der Darstellungen des
BUK-Raketen-Herstellers Almas-Antei, die der russische Rüstungskon-
zern kurz vor Bekanntgabe der Ergebnisse des niederländischen Ermitt-
lungskomitees am selben Tag auf einer Pressekonferenz in Moskau prä-
sentierte und die dem niederländischen Ermittlungskomitee widerspre-
chen, demzufolge eine Boden-Luft-Rakete von ukrainisch kontrolliertem
Gebiet abgeschossen worden sein soll und die verwendete Rakete zu einer
Generation gehöre, die 2011 von russischen Streitkräften ausgemustert
worden sei, sich aber noch im Arsenal der ukrainischen Armee befinde
(Süddeutsche Zeitung: Eine ganz eigene Rekonstruktion, 14. Oktober
2015), und sieht die Bundesregierung einen Zusammenhang zwischen
dem Zeitpunkt der Bekanntgabe des russischen Rüstungsherstellers und
der Veröffentlichung des niederländischen Ermittlungskomitees?

g) Wie bewertete die Bundesregierung die Plausibilität der Darstellungen
des russischen Verteidigungsministeriums, das zwei Tage vor Bekannt-
gabe der Ermittlungsergebnisses des Joint Investigation Teams zwei Ra-
daraufzeichnungen vorlegte, aus denen hervorgehen soll, dass die Rakete
nicht vom Gebiet der sogenannten Separatisten abgeschossen worden sei,
die außerdem laut Generalmajor Andrei Koban, dem Chef der Radarüber-
wachung bei den russischen Luftstreitkräften, die Verantwortung der Uk-
raine für den Abschuss von MH17 belegten und über die die staatliche
russische Nachrichtenagentur „RT“ in einer Eilmeldung in ihrem deutsch-
sprachigen Dienst berichtete (https://deutsch.rt.com/international/41180-
live-mh-17-briefing-zu/), und sieht die Bundesregierung einen Zusam-
menhang zwischen dem Zeitpunkt der Bekanntgabe des russischen Ver-
teidigungsministeriums und Berichterstattung staatlicher russischer Me-
dien und der Präsentation des Joint Investigation Teams?

30. Sind nach Kenntnis der Bundesregierung die genannten Recherchen von
„CORRECTIV“ über das aus Kursk stammende und möglicherweise für den
Abschuss genutzte BUK-M1-System in russischen staatlichen oder staatsna-
hen Medien als seriös bewertet und als glaubhaft aufgegriffen worden, und
falls ja, in welchen?

31. Sind nach Kenntnis der Bundesregierung die Ergebnisse des niederländi-
schen Ermittlungskomitees zur Absturzursache von MH17 von russischen
staatlichen oder staatsnahen Medien als seriös bewertet und als glaubhaft
aufgegriffen worden, und falls ja, in welchen?

32. Sind nach Kenntnis der Bundesregierung die vom Leiter der russischen Luft-
fahrtagentur, Oleg Stortschewoi, geäußerten Vorwürfe gegen den Bericht des
niederländischen Ermittlungskomitees zur Absturzursache von MH17, dem
laut Stortschewoi die russische Luftfahrtagentur kategorisch widerspreche,
weil der niederländische Bericht grundsätzlich falsch sei, der Logik wider-
spreche, unverhältnismäßig sei und von niederländischer Seite Beweise un-
terschlagen worden seien (TASS, Russia strongly disagrees with Dutch
probe into MH17 crash – aviation agency, 14. Oktober 2015, http://tass.ru/
en/politics/828844, Neue Zürcher Zeitung: Russland fordert neue Untersu-
chung des MH17-Unglücks, 15. Oktober 2015), gerechtfertigt und durch Fak-
ten belegt, und welche weiteren Reaktionen russischer staatlicher Stellen auf
die Ergebnisse des niederländischen Ermittlungskomitees sind der Bundes-
regierung bekannt?

https://deutsch.rt.com/international/41180-live-mh-17-briefing-zu/
https://deutsch.rt.com/international/41180-live-mh-17-briefing-zu/
http://tass.ru/en/politics/828844
http://tass.ru/en/politics/828844
Drucksache 18/10690 – 8 – Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode

33. Wie sind die Ermittlungsergebnisse des Joint Investigation Teams vom

28. September 2016 nach Kenntnis der Bundesregierung von staatlichen rus-
sischen Stellen bewertet worden?

34. Wie sind die Ermittlungsergebnisse des Joint Investigation Teams vom
28. September 2016 nach Kenntnis der Bundesregierung in staatlichen oder
staatsnahen Medien aufgegriffen worden?

Berlin, den 15. Dezember 2016

Katrin Göring-Eckardt, Dr. Anton Hofreiter und Fraktion

Satz: Satzweiss.com Print, Web, Software GmbH, Mainzer Straße 116, 66121 Saarbrücken, www.satzweiss.com
Druck: Printsystem GmbH, Schafwäsche 1-3, 71296 Heimsheim, www.printsystem.de

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